Ausgezeichnete Lehre
670
Im globalen Hörsaal wird der Finger zum Pointer

„Transform4Europe“ verbindet zahlreiche Partneruniversitäten in Europa. Aber was heißt das konkret? Am Beispiel von Marcel Lauterbachs nun preisgekröntem virtuellem Seminar wird die Europäische Hochschule deutlich sichtbar.

Juniorprofessor Marcel Lauterbach zählt zu den "innovativsten Lehrkräften der T4EU-Allianz".

 

„An dieser Stelle müssen Sie gut aufpassen: Diesen Punkt nach der Fünf dürfen Sie nicht vergessen. Das ist ein ganz häufiger Fehler, der einem das Leben richtig schwer machen kann.“ Marcel Lauterbach steht neben einer kompliziert anmutenden Formel, die nahezu den gesamten Bildschirm einnimmt, und umkreist mit dem Finger besagten Punkt nach der Fünf. Er bewegt sich munter inmitten seiner Präsentation, stellt sich hinter oder neben die Texte, Schaubilder und Zahlenkolonnen, erläutert mal hier, erklärt mal da, mit ausholenden Gesten, den Blick immer auf seine Hörerschaft gerichtet wie ein Fernseh-Meteorologe bei der Wettervorhersage.

Lauterbach geht auf Zwischenfragen direkt ein, ist präsent – nicht nur die Stimme aus dem Off, während eine Präsentationsseite nach der anderen über den Bildschirm flimmert. „Durch das virtuelle Format kann ich sofort an Beispielen zeigen, worüber ich rede. Ich bewege mich durch Präsentation und Schaubilder mit dem Finger als Pointer“, sagt der Juniorprofessor. Möglich wird dies mit einer speziellen Webcam-Technik, durch die der Vortragende in den Folien sichtbar ist und nicht nur in einem kleinen Fenster. „Außerdem sehe ich meine Studenten auch. Mir ist wichtig, dass sie die Kamera einschalten. Dann bekomme ich ihre Reaktionen mit, merke an fragenden Gesichtern, wenn etwas zu schnell ging, und auch, wenn die Aufmerksamkeit abflacht“, erläutert er.

 

© Foto: privat

"Mir ist wichtig, dass die Studierenden die Kamera einschalten. Dann bekomme ich ihre Reaktionen mit, merke an fragenden Gesichtern, wenn etwas zu schnell ging, und auch, wenn die Aufmerksamkeit abflacht."

Marcel Lauterbach

Bei den zahlreich im Seminar eingebauten praktischen Übungen springt Lauterbach zusammen mit einem Team aus mehreren ausgesuchten Tutorinnen und Tutoren den Lernenden erklärend virtuell zur Seite. In „Face-to-Face Breakout-Rooms“, gleichsam virtuellen Séparées, begleiten sie die interaktiven Aufgaben, unterstützen, wenn einer nicht weiterkommt, beantworten Fragen. Die Ergebnisse der Übungen diskutieren dann alle zusammen wiederum in großer Runde. In seinem Seminar überwindet Marcel Lauterbach auf diese Weise zugleich zwei der großen Nachteile, die Studierende wie Lehrende im virtuellen Hörsaal während der Coronazeit immer wieder beklagten: Durch das Gefühl der Isolation vor dem Bildschirm und die schwierigere Interaktion konnte den Studierenden leicht die Motivation abhandenkommen; den Lehrenden machte die fehlende Rückmeldung seitens der Studierenden zu schaffen, sie kämpften gegen den Eindruck, gegen die Wand zu reden.

„Matlab and Data Analysis“ so der Titel seines Seminars. An Mathe, Grafiken und Programmierung kommt kaum eine Forscherin oder ein Forscher vorbei – auch nicht in der Medizin und Neurowissenschaft. Sind die Experimente geglückt, die Analysen erfolgreich, die Erkenntnisse zum Greifen nah, versteckt sich die ersehnte Lösung nicht selten in Millionen belangloser Zahlenkolonnen. Riesige Datenmengen verstellen die Sicht auf die Antwort. Solche Rätsel geschickt zu lösen, die Ergebnisse korrekt auszulesen und bildhaft zu machen – dabei hilft das Werkzeug Matlab. „Ein Schweizer Taschenmesser zur Datenanalyse und Simulation“, nennt es Marcel Lauterbach. Nur, dass es nicht ganz so einfach ist mit der Handhabung. In seinem Seminar lernen die Studierenden die Programmiersprache der interaktiven Software zur Datenanalyse, statistischen Auswertung und Darstellung von Ergebnissen einzusetzen und sie erwerben hierzu die Grundzüge des nötigen Programmierens, indem Lauterbach die wichtigsten Softwarekenntnisse zusammenführt.

 

Nobelpreisträger als Doktorvater

 

Seinen Kurs bietet Lauterbach für Studierende vor Ort und für Doktoranden online an. Das virtuelle Angebot hat einen großen Vorteil: Hierdurch sprengt er die Grenzen seines Seminarraums auch in Richtung anderer Universitäten in Europa. Weil das Problem die Ländergrenzen übersteigt, stammt seine Hörerschaft aus vielen Universitäten in den Verbünden Transform4Europe und auch der UniGR – der Universität der Großregion. „Es wird im Rahmen der Global Classroom-Projekte vom Internationalisierungsfonds unserer Universität gefördert“, sagt er. Alles in allem findet das Seminar seine Hörerschaft also an bislang sieben Hochschulen: in Litauen, Polen, Spanien, Italien, Frankreich, Luxemburg und Deutschland. Und: Der Physiker Lauterbach erweist sich als Grenzgänger nicht nur zwischen Fachdisziplinen. Ganz neu bietet er nun auch am Abend nach seinen Kursen „Break-out rooms“ an: „Für den ungezwungenen Austausch in kleinen Gruppen, damit die internationalen Studierenden auch über das Fachliche hinaus in Kontakt kommen“, wie er sagt.
                                                        

Marcel Lauterbach ist Juniorprofessor für Molekulare Bildgebung, forscht am Zentrum für Integrative Physiologie und Molekulare Medizin (CIPMM) auf dem Homburger Campus. Er kennt sich bestens aus mit Datenanalysen. Der mehrfach ausgezeichnete Physiker forschte als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team des Chemie-Nobelpreisträgers Stefan Hell, der auch sein Doktorvater ist. Lauterbach ist Spezialist darin, Prozesse im Körper mittels bildgebender Verfahren in Echtzeit sichtbar zu machen, um sie so besser zu verstehen und krankhafte Veränderungen diagnostizieren zu können. An der Schnittstelle von Physik, Neurowissenschaften und Medizin ermöglicht er einzigartig scharfe Einblicke in den Mikrokosmos mit seiner Forschung an neuen Techniken der Hochauflösungsmikroskopie.

Lauterbach ist dem Zusammenspiel von Neuronen und Gliazellen auf der Spur: Mit seinen hochauflösenden Aufnahmen schafft er die Voraussetzung, um zu verstehen, wie Gehirnzellen arbeiten – einzeln und zusammen. Kann ein Neurowissenschaftler eine einzigartig scharfe Aufnahme von Gehirnzellen in 3D von allen Seiten betrachten, bringt ihn das mancher Erkenntnis näher. Hierfür holt Lauterbach aus der Lichtmikroskopie mit zusätzlichen Tricks wie Laserstrahlen das bestmögliche heraus. „Mit der Mikroskopie, der Technik und der Datenanalyse setze ich an Schnittstellen zwischen den Fachdisziplinen an und kann dazu beitragen, Lücken zu schließen, so dass die Forschung zu neuen Erkenntnissen kommen kann“, erklärt Lauterbach, für den dieses fachübergreifende Arbeiten den besonderen Reiz ausmacht.

 

Und sein Wissen gibt er an Studierende und Doktoranden aus vielen Unis weiter. Das macht er brillant, wie neben den begeisterten Rückmeldungen seiner Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer nun auch eine Auszeichnung belegt. Transform4Europe verlieh Lauterbach den mit 2500 Euro dotierten „Transform4Europe Innovative Teaching award“ der Europauniversität. Marcel Lauterbach zählt damit zu den „innovativsten Lehrkräften innerhalb der T4EU-Allianz“. Zur Preisverleihung Ende 2022 im litauischen Kaunas konnte der Juniorprofessor aus dem Saarland zwar nicht anreisen. „Das war aber auch ok – ich konnte so direkt anhand meiner Online-Präsentation live demonstrieren, wofür ich ausgezeichnet wurde.“ – Eben nicht nur als Stimme aus dem Off, sondern unmittelbar präsent, an vielen Orten in Europa zugleich. 

Text:Claudia Ehrlich
03/14/2023 - 08:52
Claudia Ehrlich
Zum Seitenanfang
© Foto: Oliver Dietze

Transform4Europe ist eine Allianz von derzeit sieben Partneruniversitäten aus sieben europäischen Staaten, die von der Europäischen Kommission die begehrte Auszeichnung "Europäische Hochschule" erhalten hat und durch die Europäische Union gefördert wird. Weitere Universitäten aus weiteren drei Ländern stehen für den Folgeantrag bereits in den Startlöchern; sie sind bereits heute assoziierte Partner. Die Studierenden der „Europäischen Hochschule“ nutzen gemeinsame Studienangebote und Plattformen und profitieren so von einer europäischen Ausbildung. Die Beschäftigten an den Universitäten arbeiten in einem europäischen Umfeld, in dem Expertise und Ressourcen gebündelt werden und die Mobilität zwischen den Hochschulen einfach ist.

© Foto: Uwe Bellhäuser

Die Universität der Großregion ist ein Netzwerk bestehend aus sieben Hochschulen (die Universitäten Kaiserslautern-Landau, Lüttich, Lothringen, Luxemburg, des Saarlandes, Trier und die htw saar als assoziierter Partner), die im Grenzraum der Großregion liegen (Deutschland - Rheinland-Pfalz und Saarland, Belgien - die Wallonie, Französische und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Frankreich - Region Grand-Est - Lorraine, Luxemburg).