Frank Mücklich erhält Auszeichnung für sein Lebenswerk

Oberflächen, die Keime abtöten, maßgeschneiderter Stahl: Für seine Verdienste um den Fortschritt in der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik verleiht die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde (DGM) Frank Mücklich ihre höchste Auszeichnung: Der Professor für Funktionswerkstoffe von der Universität des Saarlandes hat im September die Heyn-Denkmünze 2023 auf dem DGM-Tag in Frankfurt am Main erhalten.

Prof. Frank Mücklich

Der Fachverband würdigt sein Lebenswerk, insbesondere seine richtungweisende Forschung zu Oberflächen, die durch ein von ihm entwickeltes Laser-Verfahren neuartige Fähigkeiten erhalten, sowie zur Analyse von Gefügen auf der Mikro-, Nano- und atomaren Skala.

Professor Frank Mücklich hat mit seiner Forschung Technologien entwickelt, die Materialien und Werkstoffe entscheidend verbessern und ihnen neue Eigenschaften verleihen können. Hunderte seiner Forschungsproben flogen zur Internationalen Raumstation ISS: Mit seinem Team entwickelt der Materialforscher an der Universität des Saarlandes Oberflächen, auf denen sich keine Krankheitskeime ansiedeln und vermehren – für die Raumfahrt, aber auch für viel berührte Kontaktflächen in der öffentlichen Infrastruktur auf der Erde - wie etwa Türklinken.

Hierfür nutzen die Forscherinnen und Forscher neue Erkenntnisse zu biologischen Oberflächen, die bei Pflanzen und Tieren mit bestimmten Fähigkeiten in Verbindung stehen. Sie gravieren in einem Arbeitsschritt außerordentlich schnell, präzise und berührungslos mikroskopisch feine dreidimensionale Strukturen von wenigen Mikro- bis einigen hundert Nanometern in Oberflächen fast aller Art: etwa ein periodisches Muster ähnlich einem Nagelbrett, auf dem Bakterien keinen Halt finden, oder Reihen von Mikro-Sesseln, auf denen Kupfer-Ionen die Bakterien abtöten, die dort Platz nehmen. Die hierfür nötige neuartige Lasertechnologie, das „Direct Laser Interference Patterning“, die auch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten unter anderem zur Steuerung von Reibung bis Kontaktwiderstand eröffnet, hat Frank Mücklich mit seinem Team entwickelt und zur Marktreife gebracht. Bereits 2019 schickte er mit der US-Weltraumbehörde NASA Probenserien laserstrukturierter Materialoberflächen zur ISS. 2022 betreute ESA-Astronaut Matthias Maurer Saarbrücker Experimente im All, der selbst Absolvent der Universität des Saarlandes und Mücklichs erster Diplomand ist.

Insbesondere aber auch die innere Struktur – das sogenannte Gefüge – von Hochleistungswerkstoffen wie Stahl steht bei Mücklich im Mittelpunkt der Forschung. Gefüge sind auf der Mikro- und Nanoskala sehr individuell. Vom jeweiligen Gefüge hängt ab, welche Eigenschaften ein Material hat. Mücklich hat sich auf die räumliche Analyse von Gefügen spezialisiert und setzt hierfür verschiedene dreidimensionale Verfahren ein, die er und sein Forschungsteam beständig weiter verfeinern und aufeinander abstimmen. Die zielgenaue Ionenstrahlpräparation kombiniert mit hochauflösender Elektronenmikroskopie sowie Nano- und Atomsonden-Tomographie kommen hierbei zum Einsatz. Die 3D-Informationen fügen die Forscher am Computer bis hin zum einzelnen Atom zum exakten räumlichen Abbild zusammen.

Mit diesen 3D-Analysetechniken wird es möglich, die innere Struktur von Stahl genauer zu verstehen und diese je nach gewünschten Eigenschaften für bestimmte Anwendungen passend zu designen. „Bisher können Entwicklungsingenieure in der Industrie oft noch nicht genau eingrenzen, welcher Mechanismus in der komplexen inneren Struktur eines Hochleistungswerkstoffs eine gewünschte Eigenschaft steuert. Mit unseren 3D-Analysetechniken können wir die Details dieser inneren Struktur von Materialien vollständiger und quantitativ darstellen“, erläutert Frank Mücklich. Durch den genauen Blick in den Mikro-, Nano- oder gar atomaren Kosmos machen der Forscher und sein Team noch besser erkennbar, an welcher Stellschraube im Herstellungsprozess gedreht werden muss, um die Funktionseigenschaften eines Werkstoffs gezielt und quantitativ zu verändern.

Mit außerordentlich hoher Genauigkeit von bis zu 95 Prozent wartet ein neues Verfahren zur Qualitätsprüfung von Stahl auf, das Frank Mücklich mit Dominik Britz und Martin Müller am Institut der Universität des Saarlandes und am Steinbeis-Forschungszentrum Material Engineering Center Saarland (MECS) entwickelt haben. Das Verfahren macht den inneren Aufbau von Stahlgefügen noch exakter sichtbar und es klassifiziert komplexe Strukturen eindeutiger mit Hilfe von Verfahren der künstlichen Intelligenz. Die Eigenschaften des Stahls lassen sich so für den jeweiligen Einsatz schneller und verlässlicher prüfen und die Stahlindustrie kann die hohe Qualität ihrer Stähle noch besser sicherstellen. Das von Mücklich 2009 gegründete und seither von ihm geleitete MECS schlägt damit eine Brücke zwischen Materialforschung und werkstofftechnischer Anwendung.

In zahlreichen Forschungsprojekten arbeitet Mücklich zusammen mit internationalen Forschungspartnern, aber auch regional beispielsweise in einer strategischen Partnerschaft mit dem saarländischen Stahlspezialisten AG der Dillinger Hüttenwerke, mit dem das MECS und weitere Partner auch neue Stahlsorten entwickeln: zum Beispiel für immer größere Hochleistungs-Stahlfundamente, sogenannte Monopiles, für die stark wachsende Zahl von Offshore-Windparks.
Über 500 Publikationen und zahlreiche Patente sind durch Mücklichs Forschung im Laufe der Zeit entstanden, der auch zum Herausgeber der international führenden Fachzeitschrift der Metallographie (Practical Metallography – Preparation, Imaging and Analysis of Microstructures, De Gruyter Verlag) bestellt wurde.

Die Deutsche Gesellschaft für Materialkunde (DGM) zeichnet Frank Mücklich als Wissenschaftler, Professor, Unternehmer und ehemaligen DGM-Präsidenten für diese bahnbrechende Forschung aus, würdigt so aber auch sein herausragendes Engagement für sein Fach und vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Mit der Europäischen Schule für Materialforschung EUSMAT zieht Mücklich mit seinen Fachkolleginnen und -kollegen an der Universität des Saarlandes weltweit Talente an. Gemeinsam mit europäischen Partneruniversitäten baute er jeweils bilinguale internationale Studienprogramme in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch auf und bündelte diese in der Europäischen Schule EUSMAT, die er 2008 mit seinem Mitarbeiter Flavio Soldera und Fachkollegen gründete, um die gesamte internationale Ausbildung im Bereich Materialwissenschaft und Werkstofftechnik unter einem Dach zu planen, zu organisieren und zu betreuen. Auch Doppel-Promotionen über die europäischen Ländergrenzen hinweg werden hier in einem europäischen Graduiertenkolleg betreut.

Seit 1995 lehrt Frank Mücklich an der Universität des Saarlandes und hat mehrere Rufe an andere Universitäten abgelehnt. Er ist begeisternder akademischer Lehrer eines großen und erfolgreichen akademischen Schülerkreises und engagierter Förderer des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zahlreiche Studierende, über 50 Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs bringt er mit Kolleginnen und Kollegen weltweit zusammen.

Mit der Surfunction GmbH, einer Ausgründung aus dem MECS, treibt er auch den Transfer seiner Verfahren in die Industriepraxis voran und schafft neue Arbeitsplätze. Er ist in vielen Gremien und nationalen wie internationalen Fachgesellschaften aktiv. Er war Director im Board of Directors der International Metallographic Society der USA und hat in dieser Funktion die Kooperation mit der DGM forciert. Er war DGM-Präsident und ist Fellow der American Society for Materials – eine Ehre, die nur wenigen ausländischen Wissenschaftlern zuteilwurde. Er wurde zum ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech berufen und bei acatech zum Sprecher für das Themennetzwerk Materialwissenschaft und Werkstofftechnik gewählt. Mücklich erhielt viele Auszeichnungen, unter anderem den Georg-Masing-Preis, den Alfried-Krupp-Preis, den Georg-Mitsche-Preis, den Steinbeis-Transferpreis, den Berthold-Leibinger-Innovationspreis sowie den Henry Clifton Sorby Award.

Als Veranstalter und Initiator nationaler und internationaler Kongresse und Veranstaltungsreihen und nicht zuletzt als ehrenamtlicher Geschäftsführender Vorstand der Universitätsgesellschaft des Saarlandes bringt Frank Mücklich Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit zusammen, vernetzt internationale Forscherinnen und Forscher, Studierende, Promovierende, Absolventinnen und Absolventen – auch mit künftigen Arbeitgebern – und bringt Mitglieder der Universität, Ehemalige und Öffentlichkeit in Kontakt.

Die Heyn-Denkmünze ist die höchste Auszeichnung der DGM. Sie wird für jene Leistungen auf dem Gebiet der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik verliehen, durch die wesentliche Fortschritte in wissenschaftlicher, technologischer oder wirtschaftlicher Hinsicht erzielt werden konnten. Benannt ist der Preis nach dem ersten DGM-Vorsitzenden Emil Heyn (1867–1922) – wie Emil Heyn stammt auch der diesjährige Preisträger Frank Mücklich aus dem Erzgebirge und hat ebenso wie dieser an der Bergakademie Freiberg studiert.

Zum Seitenanfang