Am 8. Mai kann in Heidelberg die Professorin für Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Universität des Saarlandes Dr. Heidrun Gerzymisch ihren 80. Geburtstag begehen. Zum Wintersemester 1993/94 war sie an die Universität des Saarlandes berufen worden. Bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand 2009 lehrte und forschte sie auf dem Saarbrücker Campus und lehnte dabei ehrenvolle Rufe an die Universitäten Leipzig und Genf ab.
In Gusow / Kreis Seelow in Brandenburg geboren, absolvierte Professorin Heidrun Gerzymisch nach dem Abitur und einem Aufenthalt in New York ein Studium am Dolmetscher-Institut der Universität Heidelberg und legte dort nach Studienaufenthalten in London und Zaragoza 1969 das Diplom-Übersetzer-Examen (Englisch, Spanisch und Volkswirtschaft) ab. Im Anschluss war sie zunächst als beeidigte Übersetzerin und Dolmetscherin tätig und führte von 1974 bis 1976 als geschäftsführende Gesellschafterin das elterliche Transportunternehmen in Schwetzingen. 1976 erwarb sie berufsbegleitend den amerikanischen Grad eines ‚Bachelor of International Business Administration‘ in London und gründete in diesem Jahr ihre eigene GmbH in Heidelberg, die Sprachdienstleistungen für Universitäten und Unternehmen im In- und Ausland erbrachte.
Von 1979 bis 1993 lehrte die Jubilarin zunächst als Lehrbeauftragte, ab 1981 als Lektorin am 'Institut für Übersetzen und Dolmetschen' der Universität Heidelberg mit Schwerpunkt Fachübersetzen 'Wirtschaft' und wurde nach berufsbegleitendem Anglistik-Studium 1986 am Institut für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz mit der Studie „Thema-Rhema-Gliederung in amerikanischen Wirtschaftsfachtexten – eine exemplarische Analyse“ promoviert und 1987 als 'Associate Professor' an die 'Translation and Interpretation Division' des 'Monterey Institute of International Studies' in Monterey/Kalifornien berufen. Dort leitete sie im akademischen Jahr 1987/88 die deutsche Abteilung und war erneut 1990/91 als Visiting Professor tätig. 1992 habilitierte sich Heidrun Gerzymisch am „Institut für Übersetzen und Dolmetschen“ der Universität Heidelberg mit ihrer Habilitationsschrift „Termini im Kontext - Verfahren zur Erschließung und Übersetzung der textspezifischen Bedeutung von fachlichen Ausdrücken“ und erhielt die venia legendi /Lehrbefugnis für das Fach ‚Übersetzungswissenschaft‘ (Englisch) als Privatdozentin an der Universität Heidelberg. Im Sommersemester 1993 vertrat sie hier die Professur 'Englische Übersetzungswissenschaft' am 'Institut für Übersetzen und Dolmetschen' und wurde zum Wintersemester 1993/94 als Professorin für Sprach- und Übersetzungswissenschaft an die Universität des Saarlandes berufen.
Bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand 2009 lehrte und forschte sie auf dem Saarbrücker Campus und lehnte dabei ehrenvolle Rufe an die Universitäten Leipzig und Genf ab. Mit ihrem zentralen Anliegen der Förderung der humanwissenschaftlichen Übersetzungsforschung gründete sie 1994 die Arbeitsstelle 'Advanced Translation Research Center' (ATRC) zur Erforschung von Begriffen und Methoden der Translationstheorie sowie die gemeinnützige Saarland-Stiftung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft. Von 1999 bis 2007 richtete das ATRC unter der Schirmherrschaft der Europäischen Kommission jährlich internationale ‚high level scientific (Marie Curie) conferences‘ an den translatorischen Instituten der Europa-Universitäten Aarhus, Kopenhagen, Prag, und Wien für die Universität des Saarlandes aus. Im Bereich Dolmetschen vertrat Heidrun Gerzymisch die Universität als ständige Ansprechpartnerin der Generaldirektion Dolmetschen bei den ‚SCIC – Universities Conferences‘ der Europäischen Kommission in Brüssel sowie bei der „Conférence internationale permanente d'instituts universitaires de traducteurs et interprètes“ (CIUTI) weltweit (von 1999-2003 als Vizepräsidentin). Sie war bei internationalen Fachbeiräten und Berufsverbänden aktiv und nahm Einladungen zu Gastprofessuren, Fortbildungsveranstaltungen und Vorträgen von europäischen Projektpartnern im In- und Ausland wahr.
In der akademischen Selbstverwaltung übernahm Heidrun Gerzymisch Aufgaben in ihrer Fachrichtung als Mittelbewirtschafterin (1994-1996 und 2002-2003), war Mitglied des Promotionsausschusses (1997-2001) und Frauenbeauftragte der Philosophischen Fakultät II (2001-2006) sowie Vorsitzende des Fördervereins für Studierende aus Mittel- und Osteuropa (1998-2001) und Beauftragte der Universität des Saarlandes für die Partnerschaft mit der Karls-Universität Prag (1998-2003).
In ihrer Forschungsarbeit steht für Professorin Gerzymisch die Frage nach der Transparenz und Systematisierbarkeit individueller Übersetzerentscheidungen im Mittelpunkt des Interesses. Dabei gilt dies für die gesamte Breite der „gemittelten Kommunikation“ inklusive semiotisch-medialer Arbeitsfelder wie Audiodeskription, Schriftdolmetschen und Untertitelung. Mit Unterstützung ihrer Doktorandinnen und Doktoranden und ihrer Stiftung entwickelte sie im Rahmen des ATRC neue Begriffe und Methoden zur Operationalisierung der Übersetzung von thematischen Progressionsläufen im Texten und semantisch-semiotischer Textmuster (Kohärenz und Isotopie) im Sprach- und Kulturvergleich Ihr Oeuvre umfasst dabei über 150 Publikationen in deutscher und englischer Sprache und wurde von ihren Kolleginnen und Kollegen 2004 mit der Festschrift „Neue Perspektiven in der Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft“ gewürdigt.
Heidrun Gerzymisch unterstützt bis heute mit ihrer Stiftung Studierende aus dem In- und Ausland in ihrer wissenschaftlichen Arbeit.