Bernhard Blank berät in allen Lebenslagen, von der Hilfe beim Reha-Antrag über Eheprobleme bis hin zu potenziell lebensbedrohlichen Episoden wie zum Beispiel Suizidgedanken – bei denen er selbst schnell an Therapie-Experten vermittelt. „Ich bin ein Brückenbauer in ein gesundes Leben“, sagt der Präventionsbeauftragte der Universität des Saarlandes und Leiter der Sucht- und Sozialberatung über sich und seinen Beruf, der inzwischen zur Berufung geworden ist.
Bernhard Blank hört in seinem Berufsalltag die Geschichten vieler Lebenswege.
Fängt Bernhard Blank einmal an zu erzählen, hört er gar nicht mehr auf. Ohne dabei indiskret zu werden. Aus einem schier unendlichen Fundus an Begegnungen und Erfahrungen kann der 56-Jährige inzwischen schöpfen, und das, ohne dass man auch nur den Hauch einer Ahnung hat, über wen er spricht, selbst wenn man selbst schon seit über zehn Jahren an der Uni arbeitet und viele Leute kennt. Diese Dienstzeit stellt der passionierte Jäger, dessen Jagdhündin Fritzi stets an seiner Seite ist, locker in den Schatten: Vor Kurzem konnte er auf sage und schreibe 40 Dienstjahre an der Universität des Saarlandes zurückblicken, viele davon als Personalrat und seit rund 15 Jahren als Berater der Sucht- und Sozialberatung. Da sieht man viele Leute kommen. Und viele gehen. Wobei mancher Abschied kein schöner war. „2012 habe ich einen Mitarbeiter, der damals bei mir Hilfe gesucht hat und mit dem ich viel geredet habe, tot aufgefunden. Selbstmord“, erinnert sich Bernhard Blank. „Das sind Bilder, die man nie vergisst.“
Als Leiter der Sucht- und Sozialberatung ist Bernhard Blank naturgemäß seelisches Leid gewöhnt. Mit allerlei Problemen kommen im Jahr rund 450 Uni-Mitglieder, von der Studentin bis zum Professor, zu ihm und „laden ihre Last ab“, wie Bernhard Blank sagt. Das meint er keinesfalls negativ. „Denn oft hat man Frust und Kummer, und man weiß einfach nicht, wohin damit. Dafür bin ich da“, sagt der erfahrene Gesprächspartner. „Den meisten geht es nach einer halben Stunde schon viel besser, weil sie sich einfach mal auskotzen konnten.“ Lange um den heißen Brei herumreden ist seine Sache nicht. Wozu auch? Dafür hat er zu viele Dinge gesehen und erlebt.
Wie die tragische Geschichte des Kollegen, der sich 2012 das Leben nahm und den Bernhard Blank in seiner Wohnung aufgefunden hatte. „Ich hatte an dem Tag ein komisches Gefühl und bin zu ihm nach Hause gefahren. Ich wusste, dass er zu dem Zeitpunkt zuhause sein musste. Aber als er nicht aufgemacht hat, habe ich Angst bekommen und die Polizei verständigt“, erinnert er sich. Als diese die Wohnung dann aufgebrochen hatte, fanden sie die Leiche des Kollegen, der zuvor über Wochen und Monate mit Bernhard Blank über seine seelischen Abgründe gesprochen hatte. „In solchen schweren Fällen versuche ich natürlich unbedingt, professionelle Hilfe zu vermitteln“, sagt Bernhard Blank, der Wert darauf legt, dass er keinesfalls selbst den Eindruck erwecken möchte, immerzu selbst Herr der Lage zu sein. Wenn Dinge außerhalb seiner eigenen Ausbildung zum professionellen Sozialberater liegen, zögert er keine Sekunde und vermittelt die Person weiter in professionelle Hände. „Ich bin eine erste Anlaufstelle und helfe, wo ich kann. Aber ich kann natürlich niemals die professionelle Therapie ersetzen“, stellt er klar. So war es auch im tragischen Fall des Kollegen, der sich umgebracht hat.
Im Laufe seiner Beratungslaufbahn haben sich insgesamt sieben Personen, die sich an Bernhard Blank gewandt haben, das Leben genommen, erzählt er. „Das sind sieben zu viel, und keinen einzigen vergisst man“, sagt er.
Da muss man versuchen, die Dinge selbst von sich fernzuhalten, auch wenn das nicht immer gelingt. Bernhard Blank erzählt das sehr offen. „Ein Fall hat mich persönlich sehr mitgenommen, das war bei einem Mitarbeiter, der an Krebs erkrankt ist. Über die Zeit haben wir ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. Und als er sich eines Tages mit den Worten von mir verabschiedete: ‚Das ist unser letztes Gespräch, Bernhard‘ und eine Woche später friedlich eingeschlafen war, sind bei mir alle Dämme gebrochen.“ Also suchte er kurzerhand selbst Hilfe und ging zu den Kolleginnen und Kollegen der Psychologisch-Psychotherapeutischen Beratungsstelle (PPB) des Studierendenwerks. „Ich habe meinen Mülleimer geleert. Dann war’s wieder gut.“ In seinen Beratungsgesprächen erzählt er solche Dinge ebenfalls sehr offen. „Ich möchte den Leuten klar machen, dass sie selbst etwas tun müssen, um die Situation zu ändern. Daher gebe ich auch viel von mir preis, um zu zeigen, dass es hilft.“ Auch sprechen er und themenverwandte Kolleginnen und Kollegen regelmäßig in einer Supervisions-Runde über ihre Erlebnisse und ihre eigenen Gedanken, die sie belasten.
Wenn jemand nicht mehr weiß, wohin mit seinen Problemen, steht unsere Tür jederzeit offen. Egal, um welches Problem es sich dabei handelt.
Aber natürlich sind bei Weitem nicht alle Fälle derart dramatisch oder persönlich für Bernhard Blank wie die Suizide, die er trotz aller Mühen nicht verhindern konnte. Die allermeisten seiner Gespräche und Fälle sind harmloser Natur. „Das Brot-und-Butter-Geschäft sind zum Beispiel Reha-Anträge. Wenn jemand mit der ziemlich komplizierten Antragsstellung überfordert ist, kann er zu uns damit kommen. Wir wissen genau, wo wir welche Häkchen und welches Kreuz machen müssen“, erzählt Bernhard Blank. Ein großer Teil dreht sich auch um familiäre Probleme oder Frust am Arbeitsplatz, die in der Regel im Rahmen von Entlastungsgesprächen aufgearbeitet werden. „Ich bin auch Eheberater, Mediator zwischen Chef und Mitarbeiter und vieles mehr“, sagt er über die vielen Hüte, die er in seiner Rolle als Berater aufsetzen muss. Dabei kann es sich um Alkohol- oder Drogenprobleme handeln, die dem Chef auffallen. „Der weiß dann nicht, wie er sich verhalten soll, wenn er morgens bei seinem Mitarbeiter eine Fahne riecht“, so Bernhard Blank. „Wir führen dann oft ein Gespräch zu dritt. Manche Betroffene sind dann erstmal wütend. Aber sie wissen ja meist selbst, dass etwas nicht stimmt in ihrem Leben, und dann können wir helfen.“
Dabei sind manche Fälle doch wieder so besonders, dass Bernhard Blank sie lange im Gedächtnis behält, auch wenn die Betroffenen nicht akut vorm Suizid stehen. Wenn zum Beispiel der Chef oder die Chefin selbst ein Problem haben. „Einer Person in einer leitenden Position machte es sehr zu schaffen, dass sie keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen konnte. Was sollte der denn machen? Der kann sich ja schlecht bei den eigenen Mitarbeitern darüber ausheulen, dass er alles für sinnlos hält. Der kann ja nirgendwo hin!“ Also haben Bernhard Blank und die Person geredet. Viele Male, über Monate. „Irgendwann habe ich gemerkt: Aha, es tut sich was“, erinnert sich Bernhard Blank. „In dem Moment habe ich die Person in eine Therapie weitervermitteln können, die sie seitdem macht.“ Und die läuft gut, weiß er aus zwischenzeitlichen Gesprächen.
Berhard Blank und sein Team, die Studentin der sozialen Arbeit Cheyenne Koch und Kornelia Gottschall aus dem Sekretariat, haben in dem Fall getan, was sie oft tun: Sie holen Hilfe. Indem sie Kontakte vermitteln, etwa zu Suchtkliniken, in eine professionelle Psychotherapie, an Träger aus dem Gesundheitswesen und so weiter. „Ich bezeichne mich als Brückenbauer in ein gesundes Leben“, definiert Bernhard Blank seine eigene Position. „Ich bin ja auch kein Therapeut und will mir auch nicht anmaßen, einer zu sein“, so seine realistische Einschätzung. „Aber wenn jemand nicht mehr weiß, wohin mit seinen Problemen, steht unsere Tür jederzeit offen. Egal, um welches Problem es sich dabei handelt“, sagt Bernhard Blank.
Er weiß: Eine Brücke zu bauen, an deren jenseitigem Ende professionelle Hilfe wartet, ist immer die bessere Lösung als selbst herumzudoktern und im Zweifel noch mehr Schaden anzurichten. Denn so banal sich manches sich anhören mag, ob nun der aufmüpfige Mitarbeiter oder die frustrierende Ehe zuhause: Für die Betroffenen selbst sind das keine Kleinigkeiten. Das ist die wichtigste Erkenntnis, die Bernhard Blank nach all den Jahren gewinnen konnte.