Sportmedizin
Wie eine mexikanische Machete die saarländische Sportforschung voran bringt

Ein Studium erweitert den Horizont. In den meisten Fällen ist das eine sehr passende Metapher dafür, dass junge Menschen an der Uni ihre geistige Welt enorm erweitern. In manchen Fällen ist das aber auch buchstäblich zu verstehen. Wie im Falle von Edgar Schwarz. Den jungen Saarländer führte es im Rahmen seines sportwissenschaftlichen Master-Studiums bereits nach Australien. Dorthin ist er nun für seine Doktorarbeit zurückgekehrt, nachdem er für diese vor wenigen Wochen erst in Mexiko war – wo er im Sommer 2024 weiter forschen wird. Während seiner Reisen hat er schon allerhand erlebt.

Edgar Schwarz vor dem Fußballfeld auf dem Campus der Saar-Uni

Sydney – Saarland – Mexiko… Wer nun die Melodie von „New York – Rio – Tokyo“ des deutschen One-Hit-Wonders Trio Rio im Kopf hat: Bitteschön, der Ohrwurm ist gratis. Und: Künftig mag derjenige vielleicht auch an Edgar Schwarz denken, dem wissenschaftlich hoffentlich mehr als das Dasein eines einzigen Superhits in seiner Karriere bevorsteht. Der 27-jährige Saarländer weilt derzeit nämlich für einen Forschungsaufenthalt in Sydney. Vor wenigen Wochen war er noch in Mexiko, wo er die Nachwuchs-Fußballer des Proficlubs Deportivo Tigres untersuchte.

 

Edgar Schwarz promoviert derzeit im Doktorandenprogramm „Science & Health in Football“, das am Institut für Sport- und Präventivmedizin von Professor Tim Meyer angesiedelt ist. Neben Tim Meyer betreut Rob Duffield, Professor an der University of Technology in Syndney, Edgar Schwarz während seiner Promotionsphase. Im Rahmen dieser weltumspannenden Kooperation hat sich der junge Sportwissenschaftler zum Ziel gesetzt, eine möglichst praxisnahe Methode zu finden, wie sich Fußballspieler bei großer Hitze kühlen können, um gesundheitliche Risiken auszuschließen.

 

„Wir wissen, dass Kälte sehr gut funktioniert“, sagt der Doktorand. „Das Problem ist aber: Wie funktioniert das während des echten Fußballspiels, in dem nur wenige Minuten vor dem Spiel und in der Halbzeitpause zur Verfügung stehen?“, bringt er die Schwierigkeit auf den Punkt, abseits aller grauen Theorie ein praktisches Verfahren zur Kühlung zu finden. Denn schließlich dürfte es ziemlich unpraktikabel sein (Per Mertesacker muss jetzt sehr tapfer sein), jedem Spieler in der Pause eine gut gefüllte Eistonne in die Kabine zu stellen. Für Amateure gilt das noch viel mehr als für Profis. „Meine Frage ist daher: Kann ich auch mit ein paar in Eiswasser getränkten Handtüchern und kühlen Getränken die Spieler effektiv herunterkühlen?“ In Zeiten fortschreitenden Klimawandels und Weltmeisterschaften in tropischen Regionen und Wüstengebieten ist dies keine ganz irrelevante Frage. Aus diesem Grund haben auch die Deutsche Fußball Liga und der europäische Fußballverband UEFA großes Interesse an den Ergebnissen und finanzieren Edgar Schwarz‘ Doktorandenstelle mit.

 

Um nun Antworten auf diese Frage zu finden, haben Edgar Schwarz und ein kleines Team aus Helferinnen und Helfern in Mittelamerika beim Fußballclub Deportivo Tigres um Hilfe gebeten. Da die Reise aus administrativen Gründen erst im Oktober 2023 machbar war, wäre es hierzulande schon viel zu kalt gewesen, um gute Ergebnisse zu bekommen. „In Mexiko war es in den Wochen zuvor wochenlang über 30 Grad“, sagt Edgar Schwarz über die Ausgangslage. Aber, Murphy’s Gesetz schlägt verlässlich zu: „Kaum waren wir gelandet im Oktober, sackten die Temperaturen auf 16 Grad ab und es begann zu regnen.“ Denkbar miese Bedingungen, um die körperlichen Auswirkungen von Hitze beim Fußball zu erforschen.

 

Die Wettervorhersage kündigte einen Umschwung am Morgen des geplanten Spiels an. Bis kurz davor war aber noch nichts davon zu sehen.

Edgar Schwarz

 

Mexikanischer Optimismus, eine Machete und Glück sorgten dann aber dafür, dass die Reise doch noch zumindest teilweise erfolgreich war. „Ich musste abwägen, ob ich den Spielern morgens vier Stunden vor dem Spiel eine Pille mit einem kleinen Thermometer geben sollte, die dann während des Spiels die Körper-Kerntemperatur misst. Eine einzige Pille kostet gut 60 Euro pro Stück“, sagt Edgar Schwarz. Im schlimmsten Fall hätte er also, buchstäblich, Tausende Euro die Toilette heruntergespült. „Die Wettervorhersage kündigte aber einen Umschwung am Morgen des geplanten Spiels an. Bis kurz davor war aber noch nichts davon zu sehen. Und die Thermometer-Pillen waren schon vor Stunden geschluckt worden.“

 

Bis der Mann mit dem riesigen Hackmesser kam. „Ein Mitglied des Vereins hatte in der Nacht vor dem Test eine Machete auf den Boden des Fußballplatzes gelegt“, schildert Edgar Schwarz das für Europäer etwas seltsame Ritual. „Das soll angeblich dafür sorgen, dass die Sonne rauskommt.“ Die tatsächlich auf den Mann mit der Machete hörte: „Eine halbe Stunde vor dem Spiel kam wirklich die Sonne raus, es wurde heiß. Und weil es vorher geregnet hat, verdunstete auch all das Wasser auf dem Platz und die Luftfeuchtigkeit stieg ordentlich an.“ Richtig unangenehme Spielbedingungen also, besser hätte es für Edgar Schwarz nicht laufen können. Dennoch war die Temperatur nicht ganz so hoch wie im Hochsommer, so dass die Messergebnisse – Körpertemperatur, Laufleistung, Herzfrequenz, taktische Leistung – sich nicht eindeutig von denjenigen der Spieler unterschieden, die in kühlerer Umgebung spielen. „Wir werden daher voraussichtlich wieder im Juni oder Juli 2024 nach Mexiko fliegen und das Experiment wiederholen“, so Edgar Schwarz. Im mexikanischen Hochsommer dürften die Temperaturen dann hoffentlich hoch genug sein, um eindeutige Ergebnisse zu produzieren.

 

 

Inzwischen ist er Mitte Januar 2024 nach Sydney gereist, wo er im australischen Sommer an der Universität seines Zweitbetreuers Professor Duffield forschen wird. „Dort war ich schon im Rahmen meines Masters in Sportwissenschaften gewesen, 2020, zur ‚Hochzeit‘ von Corona.“ Eine Zeit, die Millionen Menschen weltweit im besten Fall als unangenehm in Erinnerung hatte, die für Edgar Schwarz trotz aller Corona-Widrigkeiten aber eine sehr schöne war. „Ich habe mich damals entschieden, im Land zu bleiben“, erinnert er sich. Er hätte auch nach Hause zurückkehren können, wie viele seiner deutschen Kommilitonen es getan haben.

 

Durch den Stillstand nahezu des gesamten öffentlichen Lebens hatte er so Muße, im Land herumzufahren und es kennenzulernen. Gemeinsam mit einem Freund hat er Ausflüge und Rundfahrten gemacht. „Einige Touristen-Hotspots im Bundesstaat New South Wales, die ansonsten sehr überfüllt sind, konnte ich mir so fast menschenleer anschauen“, so der 27-Jährige. „Als unsere Kumpels zuhause im Lockdown saßen, sind wir mit Delfinen am Strand gesurft. Im Anschluss haben wir mit ‚Grey Nomads‘, Rentnern, die im Ruhestand mit großen Wohnmobilen durchs Land reisen, auf dem Campingplatz zu Abend gegessen und nette Abende verbracht. Die haben sich immer sehr gefreut, dass wir da waren“, erinnert er sich an diese Zeit.

 

Wenn er in einigen Wochen zurückkehrt, beginnt fast schon wieder die Vorbereitung für die abermalige Reise nach Mexiko. Vielleicht hat Edgar Schwarz im Flugzeug dann auch die Melodie von Trio Rio im Kopf, mit leicht abgewandelter Zeile „Sydney – Saarland – Mexiko“.

 

Fotos: Edgar Schwarz (Galeriebilder), Thorsten Mohr

Text:Thorsten Mohr
Thorsten Mohr
01.03.2024
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