„Die Computerlinguistik war immer ein Traum von mir“, sagt Anna Spasiano. Seit 2019 studiert die 28-Jährige im Saarbrücker Bachelorstudiengang, der an der Schnittstelle von Sprachwissenschaft und Informatik angesiedelt ist.
Anna Spasiano vor dem Forschungsgebäude der Computerlinguistik auf dem Saarbrücker Campus
„Die Kombination von Sprachwissenschaft und Informatik hat gepasst“, stellt die Studentin fest und fügt hinzu: „Ich mag die Systematik von Sprache. Mein Vater ist Italiener, daher war Sprache immer ein Thema für mich – und besonders auch die Phonetik.“ Dabei fand die junge Frau, die aus Bad Rappenau stammt, erst über etliche Umwege zu ihrem Traumfach: Erste Berührungspunkte mit der Linguistik gab es vor zehn Jahren während ihres Studiums der Erziehungswissenschaften in Freiburg, wo sie Linguistik im Nebenfach studierte. „Das hat viel Spaß gemacht“, erinnert sie sich. Das Hauptfach war allerdings nicht ihr Ding – und so brach sie das Studium ab und folgte einem weiteren Wunsch: „Zuerst wollte ich Bibliothekarin werden, aber dann habe ich in Marburg Archivwesen studiert.“ Nach dem Studium arbeitete sie als Archivarin im Stadtarchiv in Freiburg. „Hier sollte ich dann auch das elektronische Archiv betreuen, doch dafür habe ich mich nicht gewappnet gefühlt.“ Daher fasste sie den Entschluss, noch einmal zu studieren: „Ich habe dann die Computerlinguistik in Saarbrücken gefunden – einen Bachelor of Science – und so bin ich in die digitale Ecke gerutscht“, sagt sie lachend.
Inzwischen hat sie sechs Semester absolviert. „Ich mache aber noch zwei“, fügt sie schnell hinzu und lacht. Denn: Schon länger hat sie die Fühler in Richtung Berufspraxis ausgestreckt und jobbt neben dem Studium nicht nur als studentische Hilfskraft in der Phonetik, sondern auch in einer Firma, die Sprachassistenten unter anderem für Autos herstellt.
Und was ist nun das Besondere der Saarbrücker Computerlinguistik? – „Sprachwissenschaft und Informatik verzahnen sich von Anfang an“, erklärt die Studentin. Zu Beginn stünden Mathe-Grundlagen und Informatik-Grundlagen auf dem Lehrplan, außerdem werde viel Lehrstoff über das Funktionieren von Sprache vermittelt. „In der Sprachwissenschaft behandelt man beispielsweise die Syntax, also den Satzbau, oder die Semantik, die die Bedeutung von Wörtern oder größeren Einheiten untersucht.“ Oder die Phonologie. Da gehe es um die Lautunterschiede von Sprachen und Dialekten. „Unter anderem analysiert man Phoneme, das sind die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten der Sprache“, erklärt Anna Spasiano. „Ein Phonem ist beispielsweise das ‚r‘, das man in Deutschland, je nach Region, ganz unterschiedlich ausspricht. Am gängigsten ist das ‚Reibe-r‘; es wird im Mund-Rachen-Raum an der gleichen Stelle produziert wie der ‚ch‘-Laut. In einzelnen Dialekten wie dem Bayerischen wird es jedoch als gerolltes ‚Zungenspitzen-r‘ ausgesprochen.“
In der Saarbrücker Computerlinguistik verzahnen sich Sprachwissenschaft und Informatik von Anfang an.
Wo und wie der Mensch Sprachlaute produziert, ist Untersuchungsgegenstand der Phonetik. Sie erforscht auch die Wahrnehmung von Sprache im Ohr sowie die Weiterverarbeitung im Gehirn. Anna Spasiano hat Phonetik als Ergänzungsfach gewählt. „Es gibt aber auch viele andere Optionen“, sagt die Studentin. „Ich hätte auch Kognitionspsychologie, weitere Informatik-Kurse oder eine Fremdsprache wählen können.“ Besonders die experimentelle Phonetik hat es ihr angetan: „Hier analysiert man Sprachaufzeichnungen zum Beispiel hinsichtlich der Sprachmelodie, der Dauer von Vokalen oder Merkmalen wie Sprachpausen oder Schlucken.“ Alles mit dem Ziel, letztendlich Computer zum Sprechen zu bringen und sie dabei so natürlich wie echte Menschen klingen zu lassen, sagt Anna Spasiano.
Begeistert berichtet die Studentin von ihrem Softwareprojekt, bei dem die Studierenden ein eigenes Projekt in einer kleinen Gruppe erarbeiten: „Wir haben einen ‚Textzusammenfasser‘ für Nachrichtentexte gemacht, also ein Programm, das verschiedene nachrichtliche Texte zu einem kürzeren Text verdichten kann.“ Das sei im Wesentlichen durch Zusammenfügen verschiedener anderer Programme geschehen, was sich als sehr kompliziert herausgestellt habe. „Aber letztendlich hat es geklappt, und es ist ein tolles Gefühl, wenn man sein eigenes Projekt vorstellt.“
Im Bereich Machine Learning oder Neural Networks, also künstliche neuronale Netze, passiere derzeit viel Neues in der Forschung, erzählt Anna Spasiano begeistert – und ist damit endgültig in ihrer „digitalen Ecke“ angekommen. „In der Computerlinguistik lernt man das Beste aus beiden Welten“, stellt sie fest. Dabei laufen die Informatik-Kurse teilweise unter dem Dach der Computerlinguistik, teilweise im Fachbereich Informatik. Zu den Inhalten gehören beispielsweise auch Algorithmen, Datenstrukturen oder Programmieren. „Programmieren muss man nicht unbedingt können, man lernt es“, sagt die Studentin. Übrigens würden die Lehrveranstaltungen nur zu Beginn auf Deutsch abgehalten, in der zweiten Hälfte des Studiums laufe das meiste auf Englisch ab. „Da die Literatur aber von Anfang an überwiegend auf Englisch ist, eignet man sich das entsprechende Vokabular bereits früh im Studium an, das ist in der Regel überhaupt kein Problem.“
Auch die Atmosphäre im Studiengang gefällt Anna Spasiano, die sich auch in der Fachschaft engagiert: „Wir sind eine kleine Gruppe von Studenten, man kennt sich, und wir organisieren Spieleabende in der Computerlinguistik und einen Stammtisch in der Stadt.“ Zudem gebe es einen prima Lern- und Pausenraum, in dem man sich auch mal zurückziehen und auf Sofas lümmeln könne.
Und welches sind ihre beruflichen Pläne? – „Ich möchte am liebsten in einem kleinen Start-up in der Softwareentwicklung arbeiten: Ich habe Lust, ein Projekt von Anfang an zu begleiten, etwas entstehen zu sehen.“
Ausführliche Infos zum Bachelor „Computerlinguistik“ unter: www.uni-saarland.de/studium/angebot/bachelor/computerlinguistik.html
Aufbauend auf den Bachelor-Studiengang „Computerlinguistik“ bietet die Saar-Universität den Master „Language Science and Technology“ an: https://www.uni-saarland.de/studium/angebot/master/lst.html
„Die Berufsaussichten in der Computerlinguistik schätzen wir aktuell als sehr gut ein“, sagt Studienkoordinator und Fachberater Dr. Stefan Thater. „Auf absehbare Zeit wird das auch so bleiben – angesichts der rasanten technologischen Entwicklung in den Bereichen Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und maschinelle Sprachverarbeitung.“
Absolventinnen und Absolventen arbeiten überwiegend im Bereich Forschung und Entwicklung: unter anderem als Spezialistinnen und Spezialisten für maschinelle Sprachverarbeitung, Data Scientists und Machine Learning Engineers. Oder in mittelständischen und großen Unternehmen: überwiegend in der IT-Branche, aber auch bei Automobilherstellern und -zulieferern, Banken oder Versicherungen.
Für eine anschließende Promotion entscheiden sich rund ein Drittel der Master- Absolventinnen und -Absolventen.
Alle Studiengänge der Fachrichtung Sprachwissenschaft und Sprachtechnologie unter: https://www.uni-saarland.de/fachrichtung/lst/studium.html