Mathematik
Germany’s next Topmodellierer

Sie versuchen, möglichst genau die Risiken von Versicherungs- und Finanzprodukten zu modellieren und zu bewerten: Simon Ertl und Jakob Rommelfanger studieren Versicherungs- und Finanzmathematik an der Universität des Saarlandes. Was sie dazu bewogen hat und wie es ihnen gefällt, erzählen sie hier.

Simon Ertl studiert Versicherungs- und Finanzmathematik. Etwas nicht auf Anhieb zu verstehen, spornt ihn an. Er knobelt dann so lange an dem Problem herum, bis er es verstanden hat. Foto: Thorsten Mohr

Was die meisten an Mathematik abschreckend finden, ist für Simon Ertl eine der besten Motivationen: „Man muss es auch aushalten, etwas mal nicht zu verstehen“, sagt der Student, der den Masterstudiengang Versicherungs- und Finanzmathematik an der Universität des Saarlandes studiert. An dieser Stelle, an der dann viele das Handtuch werfen, macht er hingegen weiter. „Denn am Ende ist es dann ein schönes Gefühl, es dann doch zu verstehen, wenn man viel Arbeit hineingsteckt hat.“ Diese Lust am Knobeln und Denken, am Bohren dicker geistiger Bretter ist es, die ihn zum Mathematik-Studium, und hier speziell zum Studium der Versicherungs- und Finanzmathematik, bewogen haben. Auch für den 23-jährigen Jakob Rommelfanger, der kurz vor seinem Bachelor-Abschluss in Versicherungs- und Finanzmathematik steht, sind „logisches Denken und Schlussfolgern“ mit das Wichtigste in seinem Studium.

 

Dabei muss man kein Mathe-Crack in der Schule gewesen sein, sagen beide unisono. „Es ist natürlich hilfreich, wenn man ein gutes Grundverständnis für Mathe aus der Schule mitbringt“, sagt Jakob Rommelfanger. Aber viel mit dem Schulstoff hat Mathe an der Uni nicht mehr zu tun, insofern macht es auch nichts, wenn man nicht nur Einsen und Zweien, sondern auch mal schlechtere Noten auf dem Zeugnis stehen hatte. „Im ersten Semester macht man noch ein paar Sachen, die man aus der Schule kennt“, sagt Jakob Rommelfanger. Dann kämen aber ohnehin ganz andere Anforderungen. „In der Schule wird ja mehr klassisches Rechnen gemacht, das ist natürlich recht konkret.“

 

An der Uni ist Mathe viel mehr „Selbstzweck“, wie Simon Ertl sagt: Man denkt über ein mathematisches Problem nach, um es zu lösen. „Man kann die Sachen, die man als Mathematiker macht, halt nicht anfassen. Vieles bleibt abstrakt“, sagt der Masterstudent. Was macht man also mit Mathematik?

 

„Auf die Frage, wo man später mit Mathe arbeiten kann, gibt es im Großen und Ganzen drei Antworten: Die IT-Branche, die Industrie und die Finanz- und Versicherungsbranche.“

Professor Henryk Zähle

 

Diese Frage kennen natürlich auch Christian Bender und Henryk Zähle zur Genüge. Schließlich befassen sich die beiden Professoren noch viel länger mit Mathematik als ihre beiden Studenten Ertl und Rommelfanger. Also dachten sich die beiden: Wie können wir das klassische Mathematikstdium praxisnäher gestalten? „Auf die Frage, wo man später mit Mathe arbeiten kann, gibt es im Großen und Ganzen drei Antworten: Die IT-Branche, die Industrie und die Finanz- und Versicherungsbranche“, fasst Henryk Zähle zusammen. Letztere beschäftigt nach seiner Aussage rund ein Drittel der Mathematik-Absolventen in Deutschland. Die Mathematiker dort erstellen zum Beispiel Modelle dafür, wie sich ein Markt in Zukunft entwickeln kann. Denn anders als im Film „Zurück in die Zukunft“ haben die Marktanalysten keinen „Sport-Almanach“ zur Hand, in dem die Werte der Zukunft drinstehen. Also müssen Mathematikerinnen und Mathematiker dafür sorgen, den Wert eines Produktes, sei es eine Versicherungspolice oder eines Finanzinstruments wie zum Beispiel einer Aktienoption, mittels Modellierung der damit verbundenen Risiken zu bestimmen. Wird der Preis utopisch hoch festgesetzt, kauft niemand mehr das Produkt, ist er zu niedrig, schadet dies dem Anbieter. Diese Gratwanderung ist alles andere als trivial. Daher sind Versicherungs- und Finanzmathematiker auch auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt, weiß Henryk Zähle, der lange in der Deutschen Aktuarvereinigung sowie in der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik aktiv war.

 

"Wer nach einer Zeit merkt, dass er doch lieber andere Schwerpunkte im Mathestudium setzen möchte, kann problemlos zwischen den Studiengängen hin- und herwechseln.“

Professor Christian Bender

 

Deshalb haben die beiden „Väter“ Zähle und Bender ihren Studiengang auch so angelegt, dass seine Absolventen möglichst gute Chancen haben, dass potenzielle Arbeitgeber sie einstellen. „In der Versicherungsbranche ist insbesondere die Fortbildung zum Aktuar, eine Art geprüfter Versicherungsmathematiker, zeit- und kostenintensiv. Daher haben wir das Studium so gestaltet, dass unsere Absolventen schon vieles von dem, was sie für die Fortbildung zum Aktuar brauchen, gleich im Studium lernen. Das macht sie auch für Versicherungen attraktiv, die sich dann später viel Zeit und Geld sparen können, um ihre Mathematiker zu Aktuaren fortbilden zu lassen“, so Henryk Zähle. Im Studium gibt es darüber hinaus Bestandteile aus den Wirtschaftswissenschaften und der Informatik, was den beiden Professoren wichtig war, um den Studierenden auch Einblicke in diese Welten zu geben.

 

„Es ist wirklich sehr persönlich und unkompliziert. Und man kann auch mal eine Vorlesung hören, die nicht im Modulhandbuch vorgegeben ist."

Jakob Rommelfanger

 

Christian Bender betont dabei die große Flexibilität, die die Studierenden haben: „Wer Lust hat auf Mathe, kann sich in einen unserer drei Studiengänge – Mathematik, Mathematik und Informatik sowie Versicherungs- und Finanzmathematik – einschreiben. Wer nach einer Zeit merkt, dass er doch lieber andere Schwerpunkte im Mathestudium setzen möchte, kann problemlos zwischen den Studiengängen hin- und herwechseln“, so der Finanzmathematiker. Das bestätigen auch Simon Ertl und Jakob Rommelfanger. „Man kann im Bachelor und Master seinen Stundenplan frei gestalten. Nur vom ersten bis zum dritten Semester ist es recht statisch, danach kann man sehr frei wählen. Das ist sehr angenehm“, weiß Simon Ertl. „Man kann auch mal eine Vorlesung hören, die nicht im Modulhandbuch vorgegeben ist“, pflichtet Jakob Rommelfanger ihm bei.

 

Beide schätzen auch die intensive Betreuung durch die Professoren, die hier jeden mit Namen kennen und immer ein offenes Ohr haben. „Es ist wirklich sehr persönlich und unkompliziert“, sagt Jakob Rommelfanger. Wer es also aushalten kann, auch mal etwas nicht zu verstehen und nach der Schule mathematisches Neuland zu erkunden, sollte einen Blick auf die Versicherungs- und Finanzmathematik werfen. Das Handtuch zu werfen lohnt sich hier definitiv nicht.

13.06.2025
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