Werkstatt
Ein Knoddler für die Wissenschaft

An der Universität des Saarlandes arbeiten hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Laboren. Aber auch diese High-Tech-Forschung braucht ganz handfeste Geräte und Apparaturen für ihre Experimente. Und die gibt es meist nicht im Baumarkt zu kaufen. Die Werkstatt der Fachrichtungen Materialwissenschaft und Werkstofftechnik und Anorganische Chemie ist eine von mehreren Werkstätten auf dem Campus, die solche Gerätschaften maßgeschneidert herstellen. Hier arbeitet Normen Günther, der jüngst als landesbester Azubi für Feinwerkmechanik ausgezeichnet wurde.

Normen Günther an einem Schmelzofen, den er und seine Kollegen in der Werkstatt gebaut haben. Foto: Thorsten Mohr

„Das Knoddeln ist eher meins!“, sagt Normen Günther über sich selbst. Nach dem Abitur wusste der gebürtige Blieskasteler schnell: Ein Studium kommt für ihn nicht infrage, es muss was Praktisches sein, oder eben saarländisch: was zum „Knoddeln“. Also bewarb sich der heute 22-Jährige auf eine Lehrstelle in einer Werkstatt an der Universität – und wurde abgelehnt.

 

Bis Sascha Schneider auf den „Knoddler“ aufmerksam wurde. Der Leiter der Werkstatt der Fachrichtungen Materialwissenschaft und Werkstofftechnik (MWWT) und Anorganische Chemie war vor ein paar Jahren auf der Suche nach einem Azubi für Feinwerkmechanik. „Ich habe bei der Personalabteilung angerufen und gefragt, ob sie gerade jemanden hätten, der auf die Stelle passen könnte“, erzählt er. Die Kollegin war etwas zögerlich, schickte ihm aber Unterlagen zu einigen Bewerbern, die für andere Stellen bereits aussortiert wurden. Darunter auch Normen Günther. „Ich hatte mich auf eine ganz andere Stelle beworben“, erinnert sich dieser. „Auf die Stelle hier habe ich einen Bogen gemacht, weil ich in der Schule mit Chemie schlechte Erfahrungen gemacht habe, das hat mich abgeschreckt“, schaut er heute leicht amüsiert zurück.

 

So landete seine Bewerbung also auf dem Stapel aussortierter Anschreiben, die Sascha Schneider irgendwann in Händen hielt. Und ihm war schnell klar: „Das ist ein Guter! Sein Lebenslauf und seine Interessen haben mich sofort angesprochen“, sagt der Werkstattleiter. „Normen hat freiwillige Praktika gemacht, außerdem hat er angegeben, dass er gerne an Autos schraubt. Das hat mir gezeigt, dass er echtes Interesse an Mechanik hat“, so der Werkstattleiter, der den bereits aussortierten Bewerber zum Gespräch einlud – und prompt einstellte.

 

Es sollte wahrhaftig beider Schaden nicht sein. Denn dreieinhalb Jahre später ist Normen Günther nach der Lehre nun seit einem Jahr als Geselle fest angestellt in der MWWT-Chemie-Werkstatt. Und zwar, nachdem er seine Lehre als landesbester Feinwerkmechanik-Azubi abgeschlossen hat. „Ab August werde ich wahrscheinlich die Meisterschule besuchen können“, sagt Normen Günther. Und ist damit schon mittendrin im Thema, wenn er aufzählt, warum seine Arbeit an der Universität so schön ist. „Das geht hier viel besser als draußen“, sagt er. „Draußen“, das sind große Industriebetriebe genau wie kleine Handwerksbetriebe oder Mittelständler. Wenn ein Geselle dort Meister seines Berufes werden möchte, bedeutet das für den Betrieb immer ein Verzicht auf seine wertvolle Arbeitskraft. Das ist an der Universität natürlich genauso, aber anders als in vielen Betrieben muss er hier den Chef nicht überzeugen, dass er lange Zeit auf seinen Mitarbeiter verzichten muss. Sascha Schneider und auch der für die Werkstatt verantwortliche Professor Dirk Bähre fördern diesen Karrierewunsch von Normen Günther ausdrücklich.

 

 

Und sie tun gut daran. Denn Normen Günther ist sehr zufrieden und bleibt sicher auch als Meister gerne im Team von Sascha Schneider. „Wir haben ein tolles Team, das Arbeitsklima ist klasse“, sagt der junge Mann. „Alle sind sehr hilfsbereit. Jeder hat sein Fachgebiet und unterstützt die anderen, wenn Hilfe gebraucht wird.“ Das ist woanders oft nicht der Fall. In vielen Betrieben herrsche eher ein Hauen und Stechen um die Gunst des Chefs, um auf der Karriereleiter voranzukommen. Diesem Druck sind die sechs Leute in Sascha Schneiders Team nicht ausgesetzt. „In meinem Alter sind viele in die Industrie, wo es dank Schichtzulagen viel Geld zu verdienen gibt“, sagt Normen Günther. „Meins ist das aber nicht.“ Wobei das Grundgehalt ohne Schichtzulagen an der Universität oft besser ist als insbesondere in den kleineren Betrieben „draußen“, stellt Sascha Schneider fest.

 

Dafür ist die Arbeit in der Uni-Werkstatt sehr vielfältig im Vergleich zur Industrie, wo oft ein einziges Bauteil in zigfacher Stückzahl hergestellt werden. „Wir fertigen hier meist Einzelstücke für die Wissenschaft“, erläutert Sascha Schneider und demonstriert dies postwendend an einem nur wenige Quadratzentimeter großen Probenhalter, der gerade im CNC-Bearbeitungszentrum („unsere wichtigste Maschine“) entsteht. Die kleine Aluplatte mit Mulden und einer quadratischen Vertiefung in der Mitte wird später für Experimente des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe von Frank Mücklich genutzt werden. Wenige Meter weiter liegen mehrere zwei Meter lange Stahlträger, für die das Werkstatt-Team eine große Halterung baut. Darin werden die massiven Träger eingespannt, um Experimente über die Zugfestigkeit und Biegsamkeit des Stahls machen zu können. Und neben der Eingangstür steht ein leistungsstarker Schmelzofen, in dem die Wissenschaftler des Lehrstuhls von Ralf Busch bis zu 2000 Grad Hitze erzeugen können, um so die Eigenschaften neuer Metall-Legierungen erforschen zu können.

 

„Es wird nie langweilig, hier gibt es immer etwas Neues zu tun und zu lernen“, sagt Normen Günther. Und freut sich auf viele weitere Tage, an denen er gemeinsam mit seinen Kollegen in Sascha Schneiders Team „knoddeln“ kann.

Text:Thorsten Mohr
Thorsten Mohr
15.03.2024
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