Humboldt-Professur verbindet Informatik und Sozialwissenschaften

Der Informatiker Ingmar Weber tritt zum kommenden Wintersemester eine Alexander von Humboldt-Professur für Künstliche Intelligenz an der Universität des Saarlandes an. Bei den Professuren der Alexander von Humboldt-Stiftung handelt es sich um die höchstdotierten Wissenschaftspreise in Deutschland. Sie werden in experimentell ausgerichteten Bereichen mit fünf Millionen Euro über fünf Jahre gefördert und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

© Thorsten Mohr

Ingmar Webers Forschungsschwerpunkt ist das sogenannte „Societal Computing“, ein noch junger Teilbereich der Informatik, der die Computerwissenschaft interdisziplinär mit den Sozialwissenschaften verbindet. Der Informatiker widmet sich in seiner Forschung Problemstellungen gesellschaftlicher Tragweite, die er mithilfe informatischer Methoden untersucht. „Meiner Arbeit liegt die Frage zugrunde, wie wir die Methoden der Informatik nutzen können, um die Gesellschaft zu verstehen und zu verbessern“, sagt Ingmar Weber.
 
Grundsätzlich lässt sich das „Societal Computing“ in zwei Strömungen einteilen: In die Berechnung der Gesellschaft und in Berechnungen für die Gesellschaft. Ein Beispiel, das beide Richtungen verbindet, ist die Analyse von Migrationsströmen anhand öffentlich verfügbarer Social-Media-Daten: „Wir können anhand dieser Daten nahezu in Echtzeit Flüchtlingsbewegungen nachvollziehen und errechnen, wie sich in einem bestimmten Gebiet die Bevölkerungsstruktur verändert hat oder verändern wird. Das ermöglicht uns beispielsweise Aussagen darüber zu treffen, ob mehr Frauen und Kinder vor Ort sind“, erläutert Ingmar Weber. Mit diesem Wissen können Hilfsorganisationen und Regierungen genauer über die Lage vor Ort entscheiden und ihre humanitären Maßnahmen entsprechend anpassen.
 
Dies hat Ingmar Weber bereits im Kontext des Ukraine-Krieges zusammen mit Kolleginnen und Kollegen umgesetzt und als Pre-Print veröffentlicht. Seine bisher meistzitierte Arbeit befasst sich jedoch mit der automatisierten Erkennung von Hassrede im Internet. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Geschlechtergerechtigkeit sowie mit der Frage, wie sich Informationen und Nachrichten im Internet verbreiten. Auch Themen aus dem Bereich „Public Health“ zählen zu seinen Schwerpunkten.
 
Damit seine Forschungsergebnisse der Gesellschaft unmittelbar nützen, arbeitet Ingmar Weber eng mit verschiedenen Institutionen zusammen – unter anderem mit den Vereinten Nationen, der Europäischen Kommission, diversen Nichtregierungsorganisationen und Hilfsorganisationen. Oftmals entspringen seine Forschungsfragen auch diesen Kooperationen. „Im April vergangenen Jahres durfte ich der Generalversammlung der Vereinten Nationen virtuell die Ergebnisse eines Forschungsprojektes zum Thema ‚Digital Gender Gap‘ vorstellen und darlegen, wie sich Männer und Frauen im Zugang zu digitalen Technologien unterscheiden“, sagt Ingmar Weber. „Die exzellente Informatik-Forschungsumgebung am Saarland Informatics Campus zusammen mit der internationalen, europaorientierten Ausrichtung der Universität des Saarlandes bieten beste Vorrausetzungen für meine Forschung“, ergänzt der Informatiker.
 
 „Wir freuen uns sehr, mit Hilfe der Alexander von Humboldt-Stiftung einen internationalen Spitzenwissenschaftler wie Ingmar Weber für unseren Standort gewonnen zu haben. Unser Informatik-Schwerpunkt wird hierdurch um das gleichermaßen aktuelle wie gesellschaftlich relevante Forschungsgebiet des ‚Societal Computing‘ signifikant verstärkt. Mit der ersten Alexander von Humboldt-Professur für Künstliche Intelligenz an der Universität des Saarlandes werden gleichzeitig auch neue und zukunftsweisende Brücken zu anderen Fachrichtungen und Wissenschaftsdisziplinen ermöglicht, sowohl innerhalb unserer Universität als auch in der internationalen Zusammenarbeit“, sagt Universitätspräsident Manfred Schmitt. Ingmar Weber wechselt für die Humboldt-Professur vom „Qatar Computing Research Institute“ der „Hamad Bin Khalifa University“ in Doha, Qatar, nach Saarbrücken.

Hintergrund Alexander von Humboldt-Professur

Ziel der Alexander von Humboldt-Professuren ist, Spitzenwissenschaftler, die auf ihrem Gebiet führend sind, aus dem Ausland für den Forschungsstandort Deutschland zu gewinnen. Seit 2009 werden dafür jedes Jahr bis zu zehn Humboldt-Professuren vergeben. 2020 wurden zusätzlich die Alexander von Humboldt-Professuren für Künstliche Intelligenz (KI) ins Leben gerufen, von denen bis 2024 bis zu 30 weitere besetzt werden können. Humboldt-Professuren sind für experimentell arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit 5 Millionen Euro und für theoretisch arbeitende Forscher mit 3,5 Millionen Euro dotiert, der Förderzeitraum beträgt fünf Jahre. Die KI-Professuren der Alexander von Humboldt-Stiftung sind Teil der nationalen KI-Strategie der Bundesregierung.
 
Weitere Informationen:
Pressemitteilung der Humboldt-Stiftung zu den aktuellen Preisträgern
 
Preprint:
Douglas R. Leasure, Ridhi Kashyap, Francesco Rampazzo, Benjamin Elbers, Claire Dooley, Ingmar Weber, Masoomali Fatehkia, Maksym Bondarenko, Mark D. Verhagen, Arun Frey, Jiani Yan, Evelina Akimova, Alessandro Sorichetta, Andrew J Tatem, Melinda C. Mills: Ukraine Crisis: Monitoring population displacement through social media activity
 

Zum Seitenanfang