Interview
Nachhaltigkeit wird Schwerpunkt der Universität

Bis zum Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral werden. Der dafür notwendige Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft kann nur gelingen, wenn alle tatkräftig daran mitwirken. Auch die Universität des Saarlandes will mit einem neuen Schwerpunkt zum Thema Nachhaltigkeit dazu beitragen. Wie genau, erläutert Universitätspräsident Ludger Santen im Gespräch mit dem Webmagazin „campus“.

Warum gibt es diesen neuen Schwerpunkt?

Die wichtigste Herausforderung der Menschheit besteht darin, effizient mit Ressourcen umzugehen. Wir brauchen eine klimaneutrale und gleichzeitig effiziente Bereitstellung von Energie. Gleichzeitig müssen wir beim Design von Produkten die Wiederverwertbarkeit der eingesetzten Materialen stärker in den Fokus nehmen. Die Umsetzung dieser Ziele erfordert einen erheblichen Innovationsbedarf und das Zusammenspiel verschiedener Wissenschaftsbereiche.

Aus meiner Sicht ist es notwendig, dass diese Menschheitsaufgabe auch von den Universitäten aufgegriffen wird. Das gilt auch für den Wissenschaftsstandort Saarland, der in vielfältiger Weise zu Transformationsprozessen in der Region betragen kann, die im Idealfall beispielgebend für andere Standorte sind.

Wo sehen Sie die größten praktischen Herausforderungen?

Bis zum Jahr 2030, also bereits in fünf Jahren, sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 gesenkt werden. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Dafür werden gewaltige Anstrengungen notwendig sein, um die Wirtschaft, die Energieerzeugung, die Mobilität und auch die Gesellschaft zu verändern. Unsere Universität wird sich hier aktiv beteiligen. Bei uns forschen viele kluge Köpfe an neuen Methoden, Materialien und Prozessen. Hier werden junge Menschen ausgebildet, die mit ihren Ideen dazu beitragen können, die weitere Klimaerwärmung abzuwenden.

Wie wird sich die Universität dafür verändern?

Wir sind derzeit dabei, das Thema Nachhaltigkeit als weiteren Forschungsschwerpunkt der Universität zu etablieren. Die Ingenieurwissenschaften haben das Thema Nachhaltigkeit ins Zentrum gerückt, um die Forschung zu Themen der Kreislaufwirtschaft, der neuen Materialien und der Energiespeicherung voranzutreiben. Es werden auch andere Fachbereiche mit ins Spiel kommen wie die Chemie oder die Informatik, die einen Beitrag zur Entwicklung effizienterer und kreislauffähiger Materialen leisten.

Die Landesregierung unterstützt die ambitionierten Ziele der Universität mit einer sehr beachtlichen, zweistelligen Millionensumme aus dem Transformationsfonds. Damit will das Saarland eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn die ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Energieerzeugung in allen Unternehmen und für alle Produkte zwangsläufig zum Standard werden.

Künftig muss schon bei der Herstellung eines Produkts klar sein, wie die Materialien zurückgewonnen werden können.

Universitätspräsident Ludger Santen

Für welche Nachhaltigkeitsthemen ist die millionenschwere Förderung des Transformationsfonds gedacht?

Am 10. Dezember wurden zwei große Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht. Mit rund 30 Millionen Euro wird das Projekt „CircularSaar“ über sechs Jahre finanziert. Es hat die drei großen Industriezweige des Saarlandes im Blick, die besonders viel Energie und Materialien benötigen, nämlich die Automobilindustrie, den Maschinenbau und die Stahlindustrie. Um Ressourcen zu schonen, sollen Metalle möglichst vollständig in den Materialkreislauf zurückgeführt werden. Die bisherige Recyclingmethoden sind davon weit entfernt, weil viele Produkte wie etwa unsere Autos und Smartphones bisher so konzipiert sind, dass sie sich nur sehr schwer in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen lassen. Künftig muss also schon bei der Herstellung eines Produkts klar sein, wie die Materialien zurückgewonnen werden können. Hierfür müssen nicht nur die technischen Prozesse durchleuchtet werden, sondern es kommen auch Datensysteme, Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zum Einsatz. Dafür wird die Universität des Saarlandes eng mit dem IZES, dem Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme in Saarbrücken, sowie dem Fraunhofer Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP) auf dem Uni-Campus zusammenarbeiten.

Das zweite Forschungsprojekt „EnFoSaar“ wird von der htw saar geleitet und aus dem Transformationsfonds mit rund 23 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert. Dieses wird von der alles entscheidenden Frage geleitet, wie es gelingen kann, die fossilen Energieträger durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen. Dafür werden alle wesentlichen Teilbereiche der Energiewirtschaft beleuchtet, von der Energieproduktion über den Energietransport bis hin zur Speicherung und Verteilung sowie dem Energieverbrauch. Neben der Universität und den beiden schon genannten Forschungsinstituten IZES und Fraunhofer IZFP ist an diesem interdisziplinären Vorhaben auch das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) beteiligt.

Wie können auch Studierende von dem neuen Nachhaltigkeits-Schwerpunkt profitieren?

Zum kommenden Wintersemester starten wir mit einem neuen Masterstudiengang „Sustainable Materials and Engineering“. Er bietet eine interdisziplinäre Ausbildung, die gemeinsam von den Fachrichtungen Chemie, Materialwissenschaft/Werkstofftechnik und Systems Engineering angeboten. Ziel des Studiengangs ist es, den Studierenden fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten zur Entwicklung, Herstellung, Charakterisierung und Bewertung nachhaltiger Materialien und Systeme zu vermitteln.

Nachhaltigkeit soll aber in allen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen als Querschnittsthema verankert werden, indem beispielsweise nicht nur funktionelle Eigenschaften von Materialen diskutiert werden, sondern auch deren Wiederverwendbarkeit.

Nachhaltiges Wirtschaften kann aber nur dann gelingen, wenn es dafür die entsprechenden wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen gibt. Auch diesen Aspekt beleuchtet die Universität des Saarlandes, beispielsweise in der Ringvorlesung „Nachhaltigkeit und Verantwortung in Unternehmensführung und Wirtschaft“.

Mit diesen neuen Lehrangeboten kommen wir der Nachfrage von Studierenden entgegen, die das Thema Nachhaltigkeit zurecht umtreibt.

Universitätspräsident Ludger Santen

Nachhaltigkeit betrifft aber nicht nur Forschung und Lehre, sondern auch zunehmend die Abläufe an der Universität. Inzwischen nutzen wir immer mehr Dachflächen für die Installation von Photovoltaikanlagen und realisieren schrittweise einen autoarmen Campus. Diese ersten Maßnahmen stehen beispielhaft dafür wie wir in Zukunft deutlich effizienter mit Ressourcen umgehen werden.

Werden noch weitere universitären Projekte aus dem Transformationsfonds des Landes gefördert?

Bereits vor einem Jahr hat die Landesregierung 20 Millionen Euro für den Aufbau der „Scheer School of Digital Sciences at Saarland University“ zur Verfügung gestellt. Sie soll Fachkräften dabei helfen, digitale Technologien für ihre Zwecke zu nutzen und weiterzuentwickeln. Damit wollen wir insbesondere regionalen Unternehmen dabei unterstützen, im Wettbewerb zu bestehen und durch den Einsatz von KI neue Produkte und Dienstleistungen auf den Weg zu bringen.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Förderung der Innovations-, Transfer- und Gründungsinfrastruktur im Saarland, die von unserer Tochtergesellschaft Triathlon koordiniert wird. Auch dieser Bereich wird aus dem Transformationsfonds substanziell unterstützt. Mit den Mitteln des Landes können Start-ups von der ersten Idee über den Bau von Prototypen bis hin zur Umsetzung unterstützt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Gründungen aus der Informatik, den Ingenieur- und Lebenswissenschaften.

Die kontinuierliche Landesunterstützung der Universität des Saarlandes im Bereich Entrepreneurship hat zu zahlreichen Spitzenplatzierungen in Gründungsrankings geführt. Man kann sagen, dass wir uns auch überregional einen Ruf als ausgezeichnete Gründungsuniversität erarbeitet haben. Dies kommt uns nun auch im Leuchtturmwettbewerb Startup Factories des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zugute, wo wir uns – gemeinsam mit starken Partnern aus Frankreich und der Region - mit dem Projekt „The Bridge“ für das Finale qualifiziert haben.

Wie schätzen Sie denn die Chancen ein, dass The Bridge zu den ausgewählten Startup Factories gehört?

Der Wettbewerb ist sicher sehr anspruchsvoll. Es zeichnet sich ab, dass es weniger Start Up Factories geben wird als Exzellenzuniversitäten. Deshalb ist es schon eine Auszeichnung für das Team von Triathlon es bis ins Finale geschafft zu haben. Aber natürlich wollen wir mehr.

The Bridge ist mittlerweile ein Projekt der Region geworden. Die htw ist genauso dabei wie das DFKI und die Hochschule Trier mit dem Umweltcampus Birkenfeld. Das gilt auch für die Max Planck-Innovation GmbH, die die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Triathlon fortsetzt. Weiterhin sind die überregionalen Partner WHU – Otto Beisheim School of Management und das französische Nationale Forschungsinstitut für Informatik und Automatisierung (INRIA) sehr spannend, die das Konsortium wesentlich mit ihrem Innovationspotenzial und ihrem Entrepreneural Spirit bereichern. Alles in allem treten wir mit einem sehr starken Paket an. Deshalb haben wir aus meiner Sicht auch gute Chancen zu den Geförderten zu gehören – auch weil wir auf die volle Unterstützung von saarländischen Unternehmen und der Landesregierung zählen können.

Text:Friederike Meyer zu Tittingdorf
Friederike Meyer zu Tittingdorf
UdS/Jörg Pütz
10.04.2025
Fotos:
UdS/Jörg Pütz
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