Tischtennis-Hochschulmeister
Ein Top-Sportler, der nicht Sportlehrer werden kann

Vladimir Anca ist einer der besten deutschen Tischtennisspieler. Nun hat der 25-Jährige als Student der Saar-Uni die Deutschen Hochschulmeisterschaften gewonnen. Dabei legt er eine mit sympathischer Bescheidenheit gespickte Selbstsicherheit an den Tag, die sich aus sportlichen Erfolgen genauso speist wie aus grundlegenden Erkenntnissen aus seinem wendungsreichen Leben. Und aus einer kuriosen Umplanung seines Studiums.

Vladimir Anca in der Trainingshalle in Saarbrücken. Foto: Thorsten Mohr

Vladimir Anca studiert Mathe und Physik auf Lehramt. So weit, so unspektatulär. Etwas ungewöhnlich wird die Geschichte jedoch, wenn der junge Mann erzählt, dass er eigentlich Physik und Sport auf Lehramt studieren wollte, die Kombination aber wegen des Numerus clausus nicht wählen konnte – und dabei gleichzeitig der beste Tischtennis spielende Student in Deutschland ist. Denn Vladimir Anca, gebürtig aus Siebenbürgen/Rumänien, ist frisch gekürter Deutscher Hochschulmeister in der, bezogen auf den kleinen Tisch, schnellsten Rückschlagsportart der Welt. In der nächsten Saison schlägt er beim luxemburgischen Erstligisten Dudelange auf, in Deutschland hat er lange Jahre in der 2. und 3. Bundesliga gespielt. Aktuell rangiert er laut dem Portal „mytischtennis.de“ auf Rang 89 in Deutschland. Gelistet sind dort rund 250.000 aktive Spielerinnen und Spieler.

Und er kann nicht Sportlehrer werden. Also wird es nun Mathematik, das er zusammen mit Physik in Saarbrücken auf Lehramt studiert. Hartes Brot. Aber der 25-Jährige nimmt es sportlich: „Was ist schon leicht im Leben?“, fragt der Zwei-Meter-Mann mit einem milden Lächeln im Gesicht, das der Frage zum Trotz eine gewisse Gelassenheit versprüht. Denn Vladimir Anca, der sein Studium erst im vergangenen Wintersemester begonnen hat, hat schon viel erlebt in seinem Leben. Er kann mit einem Selbstbewusstsein auf seinen recht späten Studienbeginn blicken, um das ihn wohl viele seiner Kommilitonen beneiden werden.

„Mit 14 Jahren kam ich nach Deutschland, um Tischtennis zu spielen“, sagt Vladimir Anca. In seiner Heimat Rumänien wurde er Meister, in Europa spielte er in seiner Altersklasse immer unter den Top 3. In der Jugend kam dann ein Angebot aus Deutschland. „Ich bin mit meiner Familie hingefahren und habe mir angeschaut, wie die Lage ist. Das hat mir sehr gefallen“, blickt er zurück. Dabei war sowohl für ihn als auch für seine Familie und seinen rumänischen Trainier, dem er viel zu verdanken hat, immer klar: Die Schule ist am wichtigsten. Denn bei allem Talent stand immer fest: Mit einem Sport wie Tischtennis kann man, von der absoluten Weltspitze vielleicht abgesehen, nicht so viel Geld verdienen, dass man den Rest seines Lebens keine Sorgen mehr hat. „Ich konnte aber kaum Englisch und gar kein Deutsch“, erinnert sich Vladimir Anca. In Rumänien Gymnasiast, musste er in Deutschland zuerst auf die Realschule, bevor er schließlich doch noch sein Abitur in Heidelberg machen konnte.

 

"Ich habe als kleiner Junge geweint, wenn mein Trainer sagte, dass das Training nun vorbei ist. Ich wollte einfach nie aufhören zu spielen."

Vladimir Anca, Student und Deutscher Hochschulmeister im Tischtennis

 

In den folgenden Jahren konzentrierte er sich sehr auf den Sport, der ihm, seit er ein kleiner Junge war, so viel Freude macht. „Ich habe als kleiner Junge geweint, wenn mein Trainer sagte, dass das Training nun vorbei ist. Ich wollte einfach nie aufhören zu spielen“, erinnert er sich an den kleinen Vladimir von damals. Der war so klein, dass sein Trainer ihm vom Tennis abriet, was er damals lernen wollte, und meinte, er solle lieber Tischtennis spielen. Fürs Tennis sei er zu klein gewesen, erzählt Vladimir Anca, der sich heute unter dem ein oder anderen Türsturz bücken muss, um sich nicht den Kopf anzuschlagen. Also setzte er in seiner Jugend alles daran, um einer der besten Tischtennisspieler seiner Generation zu werden.

„Aber man wird ja älter, und im Sport umso schneller“, weiß er heute. „Mich nur aufs Tischtennis zu konzentrieren, war ein Fehler. Es gibt Leute, die können mit dem Druck umgehen und sich auf beides konzentrieren, Schule und Studium auf der einen und Spitzensport auf der anderen Seite. Ich bin keiner von diesen Leuten“, stellt er fest. So hat er sich in seinen Zwanzigern entschieden, ins Saarland zu kommen, um hier zu studieren. Und er hat es nicht bereut: „Ich bin wirklich sehr überrascht, wie nett die Leute im Saarland sind. Hier sind alle sehr bodenständig und hilfsbereit. Das ist schon etwas Besonderes“, findet Vladimir Anca, der durch seinen Sport schon weit herumgekommen ist. Dass das Saarland nun verhältnismäßig nahe an seinem baldigen sportlichen Lebensmittelpunkt Luxemburg liegt, ist überdies ein riesiger Vorteil. Denn das ständige Pendeln zwischen Wohnort, Training, Wettkämpfen und Ligaspielen ist schon sehr anstrengend, insbesondere während der Saison, wenn er täglich mehrere Stunden lang trainiert.

Jetzt, mit 25 Jahren und im besten Tischtennis-Alter, verfolgt er seine sportlichen Ziele aber mit dieser gewissen Gelassenheit, dieser Selbstsicherheit, die er im Gespräch an den Tag legt. Vladimir Anca akzeptiert die Tatsache, dass die ganz große Karriere à la Timo Boll wohl ausbleiben wird. Aber er wirkt zufrieden damit. Denn wichtig sei es, die Balance im Leben zu finden. Sport zu treiben sei wichtig, ob professionell oder nicht. „Und das ist ja das Schöne, gerade im Tischtennis: Das kann man im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten sein ganzes Leben lang spielen.“

Und er steht ja nicht mit leeren Händen da: Deutscher Hochschulmeister und Top 100 in Deutschland ist ja auch nicht nichts. Auch wenn er damit nicht Sportlehrer werden kann.

 

Text:Thorsten Mohr
Thorsten Mohr
24.06.2024
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