Internationales Forschungsteam
Neues Jugendwerk für mehr Austausch im Mittelmeerraum

Kooperation und Begegnung statt Abschottung und Vorurteil: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen bereiten ein transmediterranes Jugendwerk vor, um die Jugend des Mittelmeerraums zusammenzubringen. Eine Méditerranée als öffentlicher Raum, der vernetzt, statt zu spalten, ist die Vision des trinationalen Forschungsprojekts, bei dem die Universität des Saarlandes mit Universitäten und Kulturinstitutionen in Tunis, Aix-en-Provence und Marseille zusammenarbeitet. Das Deutsch-Französische Jugendwerk fördert das Vorhaben.

In Tunis fand im April 2023 bereits eine erste Konferenz im Rahmen des Projektes statt. (Foto: AG Messling)

Seit jeher ist der Mittelmeerraum Treffpunkt der Kulturen dreier Kontinente. „Heute ist er insbesondere als Konflikt- und Gefahrenzone im Bewusstsein Europas und in seinen Politiken gegenwärtig“, erklärt Markus Messling, Professor für Romanische und Allgemeine Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. „Soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Umbrüche, Umweltfragen und Migrationsprozesse sind nur einige der zahlreichen Krisen, welche die Gesellschaften der Méditerranée herausfordern – ein Raum, in dem die Europäische Union und die Staaten des Maghreb durch eine gemeinsame Kolonialgeschichte verbunden sind“, sagt der Saarbrücker Komparatist und Kulturwissenschaftler. Zahllose Menschen sterben bei ihrem Versuch, nach Europa zu gelangen. Tausende von ihnen ertrinken im Mittelmeer. Populisten schüren Ängste und Vorurteile und säen auf diesem Nährboden Hass und neue Gewalt.

 

"Wir wollen das von Demarkationslinien und Konflikten durchzogene Mittelmeer als einen öffentlichen Raum konzipieren. Gemeinsam wollen wir hierfür die Méditerranée als einen Beziehungs- und Zirkulationsraum in den Blick nehmen."

Professor Markus Messling

 

Auf Zusammenarbeit, gemeinsamen Austausch und gegenseitiges Verstehen setzt dagegen ein Projekt, das Professor Messling gemeinsam mit Dr. Franck Hofmann (ebenfalls Universität des Saarlandes) leitet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Aix-Marseille, La Manouba, Mahmoud el Materi (Tunis) und des Saarlandes sowie des Centre Franco-Allemand de Provence wollen die Jugend Europas und der Länder des südlichen Mittelmeerraums zusammenbringen. „Penser la Méditerranée ensemble (Den Mittelmeerraum gemeinsam denken) – transmediterrane Jugendpolitik“ so der Titel ihres Vorhabens. „Wir wollen das von Demarkationslinien und Konflikten durchzogene Mittelmeer als einen öffentlichen Raum konzipieren. Gemeinsam wollen wir hierfür die Méditerranée als einen Beziehungs- und Zirkulationsraum in den Blick nehmen“, erklärt Markus Messling, der auch das 2024 an der Universität des Saarlandes startende Käte Hamburger Kolleg leiten wird: Die Forschungseinrichtung wird sich kulturellen Praktiken der Reparation widmen.

 

„Vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte und Identitätspolitiken ist es unser Ziel, konzeptuell und politisch die Gründung eines transmediterranen Jugendwerks vorzubereiten.“

Dr. Franck Hofmann

 

Renommierte Forscherinnen und Forscher aus Tunesien, Frankreich und Deutschland arbeiten im Méditerranée-Projekt fächerübergreifend mit wissenschaftlichem Nachwuchs und Studierenden zusammen. „Vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte und Identitätspolitiken ist es unser Ziel, konzeptuell und politisch die Gründung eines transmediterranen Jugendwerks vorzubereiten“, erläutert der Saarbrücker Komparatist und Kulturwissenschaftler Dr. Franck Hofmann, der mit Professor Messling die Forschungskooperation zwischen Aix-en-Provence, Marseille, Tunis und Saarbrücken initiierte.

 

"Die Aufgabe der Forschungsgruppe besteht darin, programmatische und strukturelle Vorschläge zu erarbeiten, auf deren Grundlage im Mittelmeerraum Bildungskooperationen und Jugendaustausch auf Augenhöhe politisch realisiert werden können."

Azyza Deiab

 

Vorausgegangen war das Projekt „Transmed! Denken der Méditerranée und europäisches Bewusstsein“: Internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskutierten auf Tagungen in Paris, Marseille, Neapel, Lissabon, Tunis, Istanbul und Athen die Krisen in der Méditerranée als europäische Krisen und suchten nach kultur- und gesellschaftstheoretischen Antworten auf die Herausforderungen. Notwendig erschien ihnen insbesondere auch eine neue Politik für die Jugend. In einem offenen Brief hatte sich die Forschungsgruppe bereits 2013 an die Politik gewandt und ein transmediterranes Jugendwerk vorgeschlagen. Im Folgeprojekt arbeiten die Forscherinnen und Forscher nun daran, dieses Jugendwerk von Grund auf aufzubauen, es quasi zu erfinden.

 

Hierzu ergründen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun, was es bedeutet, die Mittelmeerregion aus kulturtheoretischer, literarischer, künstlerischer, filmischer, historischer, politischer, soziologischer, philosophischer Perspektive gemeinsam neu zu denken. Sie beleuchten Voraussetzungen und Hindernisse und gehen der Frage nach, welche institutionellen und sozialen Architekturen für den Jugendaustausch notwendig und welche Programme sinnvoll sind.

 

Partner suchen nach neuen Konzepten der Kultur- und Jugendpolitik

 

„Die Aufgabe der Forschungsgruppe besteht darin, programmatische und strukturelle Vorschläge zu erarbeiten, auf deren Grundlage im Mittelmeerraum Bildungskooperationen und Jugendaustausch auf Augenhöhe politisch realisiert werden können“, erläutert Azyza Deiab, wissenschaftliche Koordinatorin des Projekts am Lehrstuhl von Professor Messling. „Daher wollen wir erneut auch mit politischen Akteurinnen und Akteuren aus dem Bildungsbereich und der auswärtigen Kulturpolitik in Kontakt treten“, sagt die Romanistin. Im Rahmen des Projekts sind auch Konferenzen und Workshops geplant.
In Tunis fand im April 2023 bereits eine erste Konferenz statt. Neben einem Podiumsgespräch zum Thema „La Méditerranée partagée : défis et opportunités pour un avenir commun“ („Der geteilte Mittelmeerraum: Herausforderungen und Chancen für eine gemeinsame Zukunft“) und einer öffentlichen Vorführung und Diskussion des Films „El Medestansi“/„Le disqualifié“ wurden auch politische Gespräche mit Vertretern des tunesischen Ministeriums für Jugend und Sport geführt. Im Juli 2024 soll auch ein Treffen der Forschungsgruppe in Marseille stattfinden.

Das Deutsch-Französische Jugendwerk fördert das Vorhaben.

 

 

Die Webseite des Projekts www.transmed-projekt.org soll eine Plattform für den Austausch bieten, auch für Interessierte, die mitwirken wollen: Forscherinnen, Forscher und Studierende aller Fächer können sich hier mit ihren Bezügen und Perspektiven zur Méditerranée auseinandersetzen und die aus ihrer Sicht drängenden Fragen, Lebensbedingungen und gesellschaftspolitischen Debatten in ihren jeweiligen Ländern thematisieren. Als Grundlage dieser Arbeit dienen die drei bisher ausgewählten Themenfelder „Grenzen und Zirkulation“, „Differenzen und Anerkennung“, „Lebensgrundlagen und Nachhaltigkeit“.

 

Text:Claudia Ehrlich
01/17/2024 - 16:10
Claudia Ehrlich
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Kontakt

Azyza Deiab
Wissenschaftliche Koordinatorin

Das Projekt wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) zunächst für drei Jahre gefördert.

Die Wissenschaftliche Leitung liegt bei Dr. Franck Hofmann und Professor Dr. Markus Messling.

Gastvortrag im Rahmen des Projekts:

"Bifurcation du fantastique dans le cinéma tunisien post 2011: Le film 'Ashkal' de Youssef Chebbi"

Sihem Sidaoui, Université de la Manouba, Tunis

24. Januar 2024, 12 bis 14 Uhr, Gebäude E1 2, Raum 0.13.1

Der Link zur Teams-Sitzung und zum Film sind erhältlich bei der Anmeldung per Mail an:

frma00001@stud.uni-saarland.de

Gastvortrag im Rahmen des Projekts:

"Bild - Wissen: Kunst als Differenz-Generator an den Rändern der Méditerranée"

Online-Vortrag

J. Emil Sennewald, Université Paris 8 Vincennes-Saint-Denis

23.01.24, 14 bis 16 Uhr, E1 2, Raum 0.13.1

Der Link zur Teams-Sitzung ist erhältlich

bei der Anmeldung per Mail an:

frma00001@stud.uni-saarland.de

Website des Projekts

Die Webseite des Projekts www.transmed-projekt.org bietet eine Plattform für den Austausch: Interessierte, die mitwirken wollen, sind herzlich willkommen.

French, German and Arabic version of this article

Eine Übersetzung des Artikels auf arabischer, englischer und französischer Sprache finden Sie auf dieser Newsseite zum Projekt.
A translation of the article in Arabic, English and French can be found on this project news page.