Wirkstoffforschung
Mit KI neue Medikamente entwickeln

Ein Jahrzehnt und länger kann es dauern, bis ein neues Medikament auf den Markt kommt. Die pharmazeutische Forschung muss dafür in der Regel ein bis zwei Milliarden Euro investieren. „Um beispielsweise ein neues Krebsmedikament zu finden, müssen Hunderttausende von Molekülen durchforscht werden, um letztendlich einen sicheren Kandidaten aufzuspüren – vergleichbar mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt Andrea Volkamer, Professorin für Datengetriebenes Wirkstoffdesign an der Universität des Saarlandes.

Die Bioinformatikerin hat sich darauf spezialisiert, nicht mit Laborexperimenten, sondern am Computer neue Wirkstoffe zu entwickeln. Dies hilft nicht nur dabei, langwierige Labortests und die Zahl der Tierversuche zu reduzieren, sondern spart vor allem eines: Viel Zeit.

„Wir verfügen heute über riesige Datenmengen, die uns zum Beispiel zeigen, wie bestimmte Substanzen an Proteine im menschlichen Körper binden, also wie sie wirken. Am Computer können wir viel schneller als im Labor simulieren, wie ein Wirkstoff aussehen muss, um an bestimmte Proteine zu binden, auch an solche die zum Beispiel in verschiedenen Krebsarten mutiert sind“, sagt Andrea Volkamer, die mit ihrer Forschung auch am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) angebunden ist. Mit Hilfe von maschinellen Lernverfahren, die ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz darstellen, können die Wissenschaftler spezifische Muster in verfügbaren Moleküldaten finden, die wiederum Ansatzpunkte für neue Wirkstoffe bieten. „Den Computer kann man sich hierbei wie ein riesengroßes Gehirn vorstellen, das viel besser als wir Menschen alle Varianten durchspielen kann, um das passende Molekül zu finden. Dessen Wirksamkeit muss dann noch im Labor getestet werden, aber man spart sich im Vorfeld aufwändige Versuche im Reagenzglas“, erläutert die Bioinformatikerin.

Die fächerübergreifende Zusammenarbeit hat Andrea Volkamer von Anfang an in ihrem Fachgebiet fasziniert. „In der Bioinformatik forscht man an der Schnittstelle zwischen Pharmazie, Biologie, Chemie, Mathematik und Informatik. Mit Computersimulationen können wir neue Moleküle für unsere Forschungspartner priorisieren, die dann im Labor getestet werden. Die Ergebnisse dieser Testungen fließen anschließend wieder in unsere Modelle ein. Wir helfen uns also gegenseitig“, erklärt die Professorin.

Gemeinsam mit Immunologie-Professorin Martina Sester vom Campus Homburg und Anna Hirsch, Uni-Professorin für medizinische Chemie und Gruppenleiterin am HIPS, leitet Andrea Volkamer das Antragsverfahren für ein saarländisches Exzellenzcluster auf dem Gebiet der Wirkstoffforschung. Unter dem Titel NextAID³, was für “Artificial Intelligence – Drug Design, Development” steht, wollen die Forscherinnen und Forscher die Suche nach neuen Medikamenten mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) beschleunigen. „Wenn wir mit unserem Antrag erfolgreich sind, was wir im Mai 2025 erfahren werden, dann können wir in einem Team von über 50 interdisziplinären Arbeitsgruppen aus drei Fakultäten und mehreren An-Instituten gemeinsam an der Thematik forschen“, sagt Andrea Volkamer. Rund 45 Millionen Euro wurden dafür beantragt.

Text:Friederike Meyer zu Tittingdorf
Friederike Meyer zu Tittingdorf
Foto: Oliver Dietze
16.07.2024
Fotos:
Foto: Oliver Dietze
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NDR-Podcast mit Andrea Volkamer

Die Bioinformatikerin Andrea Volkamer wurde in dem folgenden NDR-Podcast fast eine Stunde lang zu ihrem wissenschaftlichen Werdegang und ihrer aktuellen Forschung interviewt. Der Beitrag kann hier auf der NDR-Seite angehört werden.