Umgang mit Technologie
Forschung an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine

Stefan Morana ist Professor für Digitale Transformation und Wirtschaftsinformatik an der Saar-Uni.  Er forscht und lehrt an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Im Interview erläutert er, wie die Zusammenarbeit von Menschen und Computern in der Zukunft gelingen kann.

 

Professor Stefan Morana erforscht, wie Menschen und Maschinen miteinander kommunizieren. Foto: Thorsten Mohr

Möchten Sie zuerst einmal ein wenig über sich und Ihren Werdegang erzählen?
Ich habe Informatik studiert und meinen Bachelor sowie Master an der Hochschule Darmstadt absolviert. Ursprünglich hatte ich vor, in die Industrie zu gehen, jedoch bin ich durch einen Zufall in die Wissenschaft, genauer gesagt in der Wirtschaftsinformatik gelandet. Ein Kollege gab mir eine Empfehlung für eine Promotionsstelle an der Universität Mannheim. Dort habe ich mich beworben und wurde angenommen. Nach meiner Promotion erhielt mein damaliger Chef einen Ruf ans Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wo ich dann nach meiner Promotion fast vier Jahre als Postdoc tätig war. Im Jahr 2019 erhielt ich einen Ruf an die Universität des Saarlandes für eine Juniorprofessur, die ich im März 2020 antrat. Seit Oktober 2023 habe ich nun eine volle Professur für Digitale Transformation und Wirtschaftsinformatik inne.

 

Was gibt es über Ihre Fachrichtung zu sagen?
Wir gehören zur Fakultät für Empirische Humanwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, wobei ich der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaft angehöre. Unser Angebot ist breit gefächert und umfasst Bereiche wie Wirtschaftsinformatik, Operations Management, Entrepreneurship, Marketing und Rechnungswesen – also alle BWL-Fächer. Es handelt sich um eine gut aufgestellte Fachrichtung mit einem soliden und auch innovativen Lehrangebot.

 

Sie bieten ab dem Sommersemester 2024 ein neues Modulzertifikat an „Basiskompetenz in menschzentrierter Digitalisierung/Fundamental Competences in Human-centered Digitalization“. Worum geht es?
Unser Ziel ist es, das grundlegende Verständnis für die Digitalisierung zu vermitteln. Wir alle kennen den Einfluss der Digitalisierung auf unseren Alltag, sei es durch Amazon-Bestellungen oder das Streaming von Musik auf Plattformen wie Spotify. Der Umgang mit Medien hat sich stark verändert, insbesondere für jüngere Generationen, die digitale Dienste als selbstverständlich erachten. In der Vorlesung diskutieren wir auch die damit verbundenen Themen wie Datenschutz und Ethik. Wir sensibilisieren die Studierenden für die Vor- und Nachteile der Digitalisierung und geben ihnen die Möglichkeit, diese kritisch zu reflektieren.

 

Es ist interessant, dass früher von „Nutzerzentrierung“ gesprochen wurde, während heute der Begriff „Menschzentrierung“ verwendet wird. Warum dieser Wechsel von Nutzer zu Mensch?
Das ist eine gute Frage. Vermutlich erkannte man, dass der Nutzer direkt mit dem System interagiert, während der Mensch möglicherweise nicht direkt mit einem System interagiert, aber dennoch davon betroffen ist. In unserer Vorlesung betonen wir die Existenz von „Nutzern und anderen Stakeholdern“. Das bedeutet, dass es nicht nur um die Nutzer selbst geht, sondern auch um andere relevante Personen, die von dem System betroffen sind, aber möglicherweise nicht direkt damit interagieren. Ein Beispiel hierfür sind lokale Bands, die durch Plattformen wie Spotify beeinflusst werden. Daher sprechen wir nicht nur von Nutzern, sondern von allen betroffenen Menschen.

 

Man würde auf diesem Gebiet sicher nicht forschen, wenn kein Bedarf bestünde. Viele Mittelständler kämpfen noch mit dem Übergang zum papierarmen Büro und schon steht die nächste Welle der künstlichen Intelligenz bevor. Welche Probleme entstehen, wenn man so schnell mit neuen Entwicklungen konfrontiert wird?

Ähnlich war es mit dem Aufkommen des Smartphones. Plötzlich hatte jeder zu Hause ein modernes Smartphone, während im Büro vielleicht noch alte Tastentelefone verwendet wurden. Dieser Unterschied in der Technologie zwischen privatem und beruflichem Umfeld hat stets Auswirkungen auf den Arbeitsplatz gehabt. Mit der Einführung generativer KI wie GPT und Co. ergeben sich nun massive Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Möglichkeit, mit Hilfe von GPT Texte zu generieren, beeinflusst, welche Aufgaben wir selbst ausführen müssen. Die Angst um den Arbeitsplatz ist ein weiteres Thema, das hierbei eine Rolle spielt. Es ist entscheidend, aus Forschungsperspektive zu untersuchen, welche technischen Möglichkeiten bestehen und wie sich diese auf die Arbeitswelt und die Menschen auswirken. Dieses Phänomen ist nicht neu, jedoch ist die Geschwindigkeit, mit der sich Veränderungen vollziehen, heute wesentlich höher. Unternehmen müssen verstehen, was wirklich hinter dem Hype steckt und ob sie davon profitieren können.

 

Die Wirtschaftswissenschaften betrachten den Menschen als Teilnehmer am Wirtschaftssystem, sei es als Individuum, Organisation oder Volkswirtschaft. Aber auch psychologische und soziologische Aspekte spielen eine wichtige Rolle bei diesem Thema. Können Sie das ein wenig einordnen?
Das stimmt. Besonders in meinem Forschungsgebiet, der Mensch-Computer-Interaktion, agiere ich manchmal als eine Art „Hobby-Psychologe“. Ich interessiere mich dafür, wie Menschen Dinge wahrnehmen und Entscheidungen treffen, nicht nur ökonomische, sondern auch die Auswirkungen auf sie. Zum Beispiel, wie fühlt es sich an, wenn ein Chatbot einem sagt: „Entschuldigung, du hast den Wettbewerb nicht gewonnen“? Es ist eine Maschine –  vertraue ich ihr? Wie übertrage ich Konzepte aus der Mensch-Mensch-Interaktion auf die Mensch-Computer-Interaktion? Es gibt seit 30 Jahren interessante Forschung zu diesem Thema. Computer werden als soziale Akteure betrachtet, aber jetzt, mit Fortschritten im Bereich der generativen KI, können wir tatsächlich mit Systemen interagieren. Ist es normal, digitale Teammitglieder in einem Call zu haben, die zuhören und Entscheidungen treffen? Es ist faszinierend zu sehen, wie Menschen darauf reagieren. Deshalb finde ich den Umgang mit Digitalisierung aus psychologischer Sicht äußerst interessant.

 

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie aufregend es war, als ich zum ersten Mal mit Chat GPT interagiert habe. Doch gleichzeitig war mir bewusst, welche beruflichen Herausforderungen damit einhergehen könnten. Ängste spielen hier eine große Rolle, oder?
Ja. Ein Beispiel hierfür ist ein Forschungsprojekt, das wir mit einem Telekommunikationsanbieter hatten. Sie haben einen einfachen Chatbot für den Kundendienst entwickelt, basierend auf etwa 800 Frage-Antwort-Paaren. Dieser Chatbot konnte grundlegende Fragen beantworten, wie beispielsweise zur Kündigungsadresse. Dabei stellte sich die Frage, wie die Mitarbeitenden im Kundendienst mit dieser neuen Technologie umgehen würden. Der Telekommunikationsanbieter hat hierbei sehr gut kommuniziert, wofür der Chatbot gedacht war: er übernahm Standardfragen, um den Mitarbeitenden Zeit für komplexere Anfragen frei zu machen. Generell glaube ich, dass trotz des Fortschritts in der generativen KI der Mensch weiterhin für komplexe Problemstellungen unverzichtbar ist.

 

Das Interview ist die gekürzte Version eines Interviews, das Markus Brixius vom CEC Saar (Link) mit Stefan Morana geführt hat. Hier geht’s zur ungekürzten Fassung.

 

07/15/2024 - 15:09
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