Betriebswirtschaftslehre
Das Beste aus zwei Welten

Michael Bauer verbindet, was oft als Widerspruch gesehen wird: Technik und Menschlichkeit, Künstliche Intelligenz (KI) und Empathie. Die Brücke zwischen diesen scheinbaren Gegensätzen zu schaffen, sieht der Wirtschaftswissenschaftler als Schlüssel für enormes Wachstumspotential in Unternehmen. Auch in seiner eigenen Biografie vereint er zwei Welten: Denn Bauer hatte bereits 15 Jahre Berufserfahrung als Manager in der Industrie, bevor er zur Promotion an die Universität zurückkehrte.

Michael Bauer kehrte nach 15 Jahren in der Management-Praxis an die Uni zurück, um zu promovieren. Er möchte Menschen und Maschinen im betrieblichen Alltag in Einklang bringen. Foto: Thorsten Mohr

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Der Leitspruch des Aufklärers Immanuel Kant begleitet Michael Bauer schon sein ganzes Berufsleben. Für ihn ist klar: Gerade in Zeiten der KI-Revolution wird kritisches Denken wichtiger denn je. An der Universität des Saarlandes forscht er als Doktorand in der Arbeitsgruppe von Eric Grosse, Juniorprofessor für Digitale Transformation im Operations Management. „Ich beschäftige mich mit der digitalen Transformation in Unternehmen und damit mit der Frage, wie wir die Menschen in den Unternehmen und die ‚KI-Revolution‘, die gerade im Entstehen ist, unter einen Hut bekommen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. „Denn KI kann enorme Unterstützung bieten – aber nur, wenn wir sie bewusst, kritisch und vor allem menschlich gestalten. Dazu müssen wir beim Einsatz von KI deren Nutzung und Auswirkungen hinterfragen und gleichzeitig die Menschen motivieren und einbinden in den digitalen Wandel“, weiß der Fachmann.

 

Als ein solcher kann Michael Bauer auch als Doktorand durchaus schon gelten. Denn der Diplom-Kaufmann ist ein ungewöhnlicher „Nachwuchswissenschaftler“: statt direkt nach dem Studienabschluss zu promovieren, sammelte Michael Bauer 15 Jahre Erfahrung in der Praxis. Zuletzt in der Industrie, wo er als Manager beim Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer die digitale Transformation mitgestaltet hat. Der 42-Jährige, der sogar ein Jahr älter als sein Doktorvater Eric Grosse ist, kennt die konkreten Herausforderungen, die er nun akademisch betrachtet: „Das Unternehmen hat eine über 200-jährige Tradition und somit jede einzelne der vier bisherigen industrielle Revolutionen mitgeprägt. Ich durfte unterstützen, die Grundprinzipien von Industrie 5.0 im Konzern zu verankern: Nachhaltigkeit, Resilienz und Menschzentrierung“, sagt Michael Bauer. „Ein wichtiger Aspekt ist KI als Werkzeug, um Menschen monotone Aufgaben abzunehmen und kreativen Freiraum zu schaffen.“

 

Als ein eindrucksvolles Beispiel, wie schwierig Veränderungen in großen Unternehmen sein können, nennt er die Zeitungsbranche: „Dort hatte man Jahrzehnte Zeit, sich auf den digitalen Wandel vorzubereiten. Die Lunte war lang – der große Knall kommt trotzdem. Aus Sorge vor den Auswirkungen auf das Kerngeschäft, wurden neue Strategien jedoch häufig nicht konsequent genug umgesetzt. Digitale Wettbewerber nutzen diese Lücke gnadenlos aus. Die Folge ist eine Disruption des Marktes, die noch heute andauert. Und deren Auswirkungen auch Zulieferer wie eben den Druckmaschinenbau betreffen.“

 

Was in diesen Branchen Jahre dauerte, passiert heute wie im Zeitraffer. Die KI-Revolution betrifft längst nicht mehr nur einzelne Branchen – sie verändert die gesamte Arbeitswelt. „Da müssen sich alle verändern, das Management, die Belegschaft, Zulieferer“, meint Michael Bauer. Wer sich nicht auf die Transformation einstellt, wird in ein paar Jahren keine Rolle mehr spielen. So viel Zeit, wie die Zeitungsbranche sie hatte, wird kaum noch jemand haben. „Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Prozess einbinden und sie davon überzeugen, welchen konkreten Nutzen KI und die digitale Transformation für ihre tägliche Arbeit haben können“, sagt er.

 

Genau darauf fokussieren sich Eric Grosse und sein Team zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom Center for Digital Transformation (CeDiT) der UdS: Menschen und Maschinen so miteinander in Einklang zu bringen, dass aus beiden Welten mehr entsteht als die Summe ihrer Einzelteile. Betriebswirtschaftlich gesehen geht es darum, das enorme Wachstumspotenzial der digitalen Transformation mit dem Menschen im Zentrum zu heben. „Ohne die spannende Arbeit von Eric Grosse wäre ich auch nicht hier“, erklärt Michael Bauer, der den Juniorprofessor bereits seit Jahren kennt. „Eric Grosse leistet Pionierarbeit auf diesem Gebiet“, sagt Michael Bauer. Nicht umsonst zähle er zu den oberen drei Prozent der forschungsstärksten Professorinnen und Professoren in der deutschsprachigen BWL. Aktuell entwickeln und untersuchen Grosse und Bauer beispielweise zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des CeDiT und dem Düsseldorfer Startup Delphi-Artificial-Agents einen KI Change-Bot, eine Art „Transformationsbegleiter für die Hosentasche“.

 

Eric Grosse und er werden noch einige Zeit eng miteinander zusammenarbeiten, als junger Doktorvater und älterer Doktorand, etwa im Rahmen eines EU-Projekts. Und was hat Michael Bauer nach Abschluss seiner Doktorarbeit vor? „Dann geht’s zurück in die Praxis“, sagt Michael Bauer „ich möchte die Erkenntnisse aus der Forschung in Unternehmen tragen und nachhaltigen Wandel möglich machen – und als Multiplikator für einen neuen, menschzentrierten Umgang mit der digitalen Transformation wirken.“

 

Eines dürfte dabei sicher sein: Sein eigener Verstand wird dabei eine ganz erhebliche Rolle spielen, KI hin oder her. Denn: „Kein Algorithmus der Welt kann ersetzen, was uns als Menschen ausmacht.“

 

Text:Thorsten Mohr
Thorsten Mohr
23.05.2025
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