Am 7. April kann in Graz der Professor für Klinische Chemie und ehemalige Leiter des Klinisch-Chemischen Zentrallabors an der Universität des Saarlandes Dr. Wolfgang Herrmann seinen 80. Geburtstag begehen.
In Manebach/Ilmenau geboren, absolvierte Wolfgang Herrmann zunächst eine Berufsausbildung als Laborant am Institut für Tierernährung der Universität Halle und studierte nach dem Abitur über den zweiten Bildungsweg Chemie an der Universität Leipzig. Nach dem Diplom-Examen 1968 und der Promotion zum Dr. rer. nat. in Klinischer Biochemie 1972 übernahm er die Leitung des Labors für Altersforschung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und 1976 die des Zentrallabors am Bezirkskrankenhaus Meiningen. Nach der Anerkennung als „Fachchemiker der Medizin“ 1982 erwarb er im folgenden Jahr an der Universität Leipzig den akademischen Grad Doktor der Wissenschaften (Dr. sc. nat.) auf dem Gebiet Biochemie, hatte seit 1984 einen Lehrauftrag für Laboratoriumsmedizin an der TU Ilmenau und wurde 1988 zum Honorardozenten für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik an der Medizinischen Akademie Erfurt ernannt. 1991 verlieh ihm die Universität Leipzig den akademischen Grad Dr. rer. nat. habil.
1991 wechselte der Jubilar an das Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin der Universität Regensburg, erhielt 1992 den akademischen Grad Dr. med. habil. und mit der Umhabilitation die Lehrbefähigung für das Fach Klinische Chemie. Seit 1994 außerplanmäßiger Professor, führte ihn sein Weg in der Nachfolge von Prof. Dr. Hans Erich Keller zum 1. Januar 1996 als Universitätsprofessor an die Universität des Saarlandes und den Homburger Campus. Am 2. Juli präsentierte er seine Antrittsvorlesung über sein Forschungsfeld Fettstoffwechsel. Angesichts von Herz- und Kreislauferkrankungen als häufigste Todesursache sind Blutfette ein herausragender Risikofaktor für den Herzinfarkt. Bereits in den 70er Jahren hatte Prof. Herrmann Methoden zur Diagnose und Therapieüberwachung von Fettstoffwechselstörungen entwickelt und die Bedeutung des Lipoproteinstoffwechsels für Herz- und Kreislauferkrankungen erkundet.
Ein Schwerpunkt seiner Forschungen in Homburg war der Vitaminmangel (B-Vitamine) und die Hyperhomocysteinämie (erhöhter Homocystein-Spiegel im Blut) mit deren Folgen für die Gesundheit. Ende März 2001 organisierte er die zweite internationale Konferenz über Hyperhomocysteinämie, wo auf seine Einladung Experten aus mehreren europäischen Ländern in Saarbrücken zusammenkamen. Die Zeitschrift CCLM (Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) publizierte in 20 Beiträgen die Ergebnisse der Konferenz. Vor allem Bluthochdruck oder ein zu hoher Cholesterin-Spiegel fördern die Genese von Arteriosklerose, und so geriet auch das Gefäßveränderungen auslösende Stoffwechselprodukt Homocystein als „neues Cholesterin“ in den Blickpunkt, das nicht nur Risikofaktor für Herzinfarkt, Schlaganfall und Thrombose, sondern auch für Alzheimer, Demenz und andere gestörte neuropsychiatrische Funktionen sein kann. Weitere Veranstaltungen zu diesem Themenfeld folgten. Den Höhepunkt bildete dabei der „World Congress on Hyperhomocysteinemia“, der unter Prof. Herrmanns Leitung vom 5. bis 9. Juni 2007 mit 400 Experten aus über 40 Ländern in der Saarbrücker Kongresshalle stattfand. Die Zeitschrift CCLM berichtete 2007 in einer speziellen Ausgabe. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand hat Prof. Herrmann seine Forschungsaktivitäten fortgesetzt, von 2009 bis 2022 sind unter seiner Mitwirkung 47 Artikel in renommierten Zeitschriften erschienen. Ein neuer Forschungsschwerpunkt waren die Telomere als Endkappen der Chromosomen, die eine Schutzfunktion ausüben. Kurze Telomere sind mit höherem Alter und ungünstigen Lebensstilfaktoren assoziiert. Die Leukozyten-Telomerlänge wird daher als Biomarker für das biologische Alter vorgeschlagen. Prof. Herrmann hat hier besonders den Einfluss von Hyperhomocysteinämie und Vitaminmangel auf die Telomerlänge untersucht.
Im Februar 2006 ist das neue Zentrallabor auf dem Homburger Campus eingeweiht worden, und die „Saarbrücker Zeitung“ berichtete unter der Schlagzeile „Proben sausen durch die Röhre“. Nach Prof. Herrmanns Worten gehörte Homburg damit dank einer der größten europäischen Rohrpostanlagen mit sieben Kilometern Länge „zu den modernsten und leistungsfähigsten universitären medizinischen Laboratorien Deutschlands. Fünf Millionen Analysen werden hier jährlich erbracht, wobei etwa 40 Prozent der Anforderungen als Notfallanalysen gekennzeichnet sind.“
Prof. Herrmann gehörte unter anderem auch dem Editorial Board der Zeitschrift „Clinical Chemistry and Laboratory Medicine“ an, und sein Œuvre umfasst rund 300 Publikationen zu den Themenfeldern Klinische Chemie, Lipide und Lipoproteine, Vitamine und Stoffwechsel, Homocystein, Telomere, Alternsforschung, Herz-Kreislauferkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen und Knochenstoffwechsel. Zum Ende des Sommersemesters 2008 trat er in den Ruhestand. Zu seinem 70. Geburtstag fand 2013 ein Symposium „Lipide und Vitamine und ihre Bedeutung für die Entwicklung von Erkrankungen und Möglichkeiten der Prävention“ statt. Prof. Herrmanns Sohn Markus folgte den väterlichen wissenschaftlichen Spuren und hat nach der Habilitation an der Universität des Saarlandes und mehrjährigen Forschungen an der University of Sydney heute an der Medizinischen Universität Graz den Lehrstuhl für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin inne und ist Direktor des Klinischen Instituts für Medizinische und Chemische Labordiagnostik.