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Beste-Preis

Wie Studenten ehrenamtlich anderen helfen

Sie setzen sich für andere ein. Dafür dass Menschen, die vor Krieg und Gewalt geflohen sind, ein neues Leben aufbauen können. Oder dafür, dass Studienanfängern der Start an der Uni leichter fällt. Uni und Asta zeichneten bei der Semestereröffnungsfeier im Oktober Studenten für ihr Engagement mit dem Beste-Preis aus.
Von Claudia Ehrlich • 28.10.2016

Gewinner sind sie alle: Jeder Student, der sich für andere einsetzt, macht die Uni lebens- und liebenswert. Ganz in diesem Sinne kürte die Jury des Beste-Preises in diesem Jahr gleich alle Projekte, die nominiert waren: „Wir@UdS“ und die „Refugee Law Clinic“, die sich beide für Flüchtlinge stark machen, und das Mentorenprogramm, bei dem Studenten Erstsemestern den Studienstart erleichtern. „Jedes der Projekte, jeder der beteiligten Studentinnen und Studenten, hat eine Auszeichnung verdient“, betont Universitätspräsident Volker Linneweber. Die Studenten engagieren sich selbstlos für andere und sammeln dabei Erfahrungen jenseits von Credit Points. „Ihr Engagement sichtbar zu machen, ist ein Ziel des Beste-Preises. Er soll andere motivieren, ebenfalls aktiv zu werden und er soll auch die Bedeutung dieser Seite des Studiums aufzeigen“, sagt Liliana Habib, beim Asta zuständig für Studienqualität. Eine Auszeichnung also nicht für „schneller, höher, weiter“, sondern für die Zeit, die sich Studenten nehmen, um für andere da zu sein. Das Preisgeld von 1000 Euro teilen sich die beiden Programme für Flüchtlinge. Das Mentorenprogramm, das von der Zentralen Studienberatung koordiniert wird, erhält eine ideelle Auszeichnung. Ganz im Sinne des Sichtbarmachens stellt der campus die drei Gewinner vor:

Welcome Initiative for Refugees @ UdS

Die Idee zu „Wir@UdS“, einer Willkommensinitiative für Flüchtlinge, die studieren wollen, hatten fünf Informatik-Studenten Anfang des Wintersemesters 2015 in ihrer Stammkneipe. „Wir saßen zusammen, haben über die Flüchtlingslage diskutiert und uns über die rechten Posts bei Facebook geärgert. Da beschlossen wir, etwas zu unternehmen“, erzählt Andrey Eganov. Er studiert im fünften Semester Cybersicherheit.

Portrait Andrey Eganov: privat

Wir wollen Flüchtlingen helfen, bei uns im Saarland ein neues Leben aufzubauen.

Andrey Eganov

„Die Menschen mussten Familie, Freunde und Bekannte verlassen. Jetzt starten sie ein neues Leben in einem fremden Land mit einer unbekannten Kultur. Da stellen sich viele Fragen“, sagt er. Um herauszufinden, was sie tun können, sprachen die Freunde mit Johannes Abele, der das International Office, die Servicestelle rund um Internationales auf dem Campus, leitet. Schnell war der Plan gefasst: „Wir wollen Flüchtlingen helfen, bei uns im Saarland ein neues Leben aufzubauen. Das erreichen wir, indem wir sie beim Einstieg ins Studium unterstützen. Zum Beispiel zeigen wir ihnen, welche Studienmöglichkeiten sie haben, greifen ihnen bei der Einschreibung unter die Arme und finden Wege, wie sie ihr Studium finanzieren können“, erklärt Eganov. Herausgekommen ist – für Informatiker naheliegend – eine Webseite: eine Art Wikipedia für alle Fragen, die sich Flüchtlinge stellen, wenn es ums Studium geht – von der Anmeldung zur Aufnahmeprüfung, über den Antrag auf Bafög bis hin zur Job- oder Wohnungssuche. Und das auf Deutsch, Englisch und sogar Arabisch. „Die arabische Fassung von www.refugee.saarland verdanken wir einigen der Studenten, denen wir geholfen haben. Sie kamen anschließend wieder auf uns zu und boten uns ihre Hilfe an“, erzählt Eganov. Bei allen Fragen, die auch per E-Mail ankommen, helfen er und seine Mitstreiter schnell und unkompliziert weiter. Inzwischen sind sie sogar ein Stück weit im Arabischen versiert: „Bei dreiviertel der Mails finden wir selbst heraus, was gefragt ist, das macht die Erfahrung – und die Suchmaschine. So können wir teils direkt auf Arabisch antworten“, sagt er. Knapp 20 Studenten waren im Sommersemester bei der Initiative aktiv. „Für das kommende Semester suchen wir Verstärkung: Interessierte Kommilitonen sind in unserer Runde mehr als willkommen!“
www.refugee.saarland

Refugee Law Clinic

Für Menschen, die Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen, setzt sich auch die „Refugee Law Clinic“ ein: Die Mitglieder des Vereins, den die angehende Juristin Jana Kirst zusammen mit Jura- und BWL-Studenten vor rund zwei Jahren auf dem Campus ins Leben gerufen hat, beraten und unterstützen Flüchtlinge kostenlos bei rechtlichen Fragen. Bundesjustizminister Heiko Maas, selbst Ehemaliger der Saar-Uni, ist Schirmherr der Initiative.

Portrait Jana Kirst: Simon Dörrenbächer

Alle gewinnen bei unserer Sache, auch die Berater.

Jana Kirst

Die Studenten nahmen die Ausbildung für die Berater selbst in die Hand. „Die Spezialgebiete Migrations- oder Asylrecht gehören an Universitäten nicht zum üblichen Lehrstoff“, erklärt Jana Kirst. Daher organisieren die Studenten Ringvorlesungen: Rechtsanwälte, Richter und andere Juristen vermitteln hier Wissen. „Die Vorträge finden auch jetzt wieder statt und sind offen für alle“, sagt Jana Kirst. Auch Seminare etwa zum Umgang mit traumatisierten Menschen werden angeboten. Seit Anfang 2016 laufen die Rechtsberatungen. Über 300 Anfragen haben die Mitglieder der „Law Clinic“ inzwischen bearbeitet. Jana Kirst war an etwa 100 Fällen beteiligt, darunter rund 50 längere Mandate, einige betreut sie seit Monaten. „Wir beraten, helfen Anträge zu schreiben, gehen mit zu Terminen, sorgen dafür, dass Fristen gewahrt werden“, zählt sie auf. Bei den Beratungen dolmetschen Studenten, die Muttersprachler sind, teils sind diese auch selbst Flüchtlinge. Am häufigsten gehe es um Familiennachzug. „Oft tun sich weitere Fragen wie: Wann darf ich arbeiten? auf“, sagt die 26-Jährige. 71 Mitglieder zählt der Verein heute. Ein Vereinsbeirat aus Volljuristen steht ihnen zur Seite. Die Initiative wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD und dem International Office der Saar-Uni gefördert, auch das Europa-Institut unterstützt den Verein. „Unsere Initiative lebt vom ehrenamtlichen Engagement unserer Berater. Neue Teammitglieder aus allen Fachrichtungen sind herzlich willkommen“, sagt Jana Kirst. „Das Schöne dabei ist: Alle gewinnen bei unserer Sache, auch die Berater. Die Praxiserfahrung und das Spezialwissen, das man hier aufbaut, sind unbezahlbar.“
https://rlc-saar.de/

Die Mentoren des Mentorenprogramms

Die erste Zeit an der Uni ist für frischgebackene Studenten nicht leicht. Vom Stundenplan, den sie selbst erstellen müssen, bis hin zur Frage, wo die Mensa ist: Alles ist Neuland. Auch die Mitstudenten sind noch namenlos. Und den Professor fragen, trauen sich viele nicht. Seit 2007 stehen an der Saar-Uni erfahrene Studenten, die Mentoren, den Anfängern zur Seite, sie kümmern sich, haben Antworten oder Ansprechpartner parat. Ein Engagement, das es wert ist, ausgezeichnet zu werden, fand die Zentrale Studienberatung, die das Programm koordiniert und die Mentoren für den Preis vorgeschlagen hat.

Portrait Marie Herberger: privat

Auch nach dem ersten Jahr bleibt der Kontakt bestehen.

Marie Herberger

136 Studenten aller Fächer waren 2015 für 686 Newcomer im Einsatz. „Wir haben sie stellvertretend für alle, die Mentoren waren und noch sein werden, vorgeschlagen. 2016 sind es sogar 226 Freiwillige für rund 800 Erstsemester“, sagt Susanne Steinmann, Leiterin der Zentralen Studienberatung. „Wir schulen die Mentoren, um sie vorzubereiten“, erklärt Studienberater Pascal Klären. „Die Mentoren studieren das gleiche Fach, kümmern sich um eine kleine Gruppe. Sie helfen in der Anfangszeit bei der Studienorganisation, initiieren Arbeitsgruppen und organisieren Treffen. Auch privat unternehmen sie etwas gemeinsam“, erklärt er. Eine der Mentorinnen ist Marie Herberger: „Als ich angefangen habe zu studieren, hatte ich keinen Überblick. Die Uni war eine große neue Welt, in der ich kaum jemanden kannte“, erinnert sie sich. Als sie von den Mentoren hörte, meldete sie sich und hat inzwischen fünf Generationen von Erstsemestern betreut. Heute schreibt die Juristin an ihrer Doktorarbeit. „Auch nach dem ersten Jahr bleibt der Kontakt bestehen. Man bleibt ein besonderer Ansprechpartner, etwa auch bei Hausarbeiten. Oft hilft nur ein kleiner Anstoß und schon läuft es wieder. Es ist auch schön, Studenten aus allen Semestern zu kennen“, sagt sie. Mehr als 94 Prozent der Studienanfänger empfehlen das Programm laut Umfrage weiter. „Das ist ein tolles Lob für die Studenten. Dass wir dieses Jahr noch mehr ehrenamtliche Mentoren gewinnen konnten, ist ein super Signal“, findet Pascal Klären „Sie sind sehr engagiert, auch für uns ist das motivierend. Und besonders schön ist es, wenn die, die profitiert haben, später selbst zu Mentoren werden.“
www.uni-saarland.de/mentorenprogramm

 

DER BESTE-PREIS

Der Beste-Preis für besonderes studentisches Engagement wurde dieses Jahr zum fünften Mal ausgeschrieben. Er ist mit 1.000 Euro dotiert. Prämiert werden Projekte von Studenten, die „durch ihre Reichweite und Kontinuität anderen Studierenden der Universität zu Gute kommen“. Inhaltlich sind keine Grenzen gesetzt: Gewürdigt werden können beispielsweise soziales Engagement für Kommilitonen, die überragende Leitung von Arbeitskreisen, die Vermittlung von Praxisnähe, innovative, neuartige Konzepte und deren Umsetzung aber auch herausragende Arbeit in uniinternen Gremien oder die Organisation von Veranstaltungen.

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    Portrait Andrey Eganov: privat

    Portrait Jana Kirst: Simon Dörrenbächer

    Portrait Marie Herberger: privat