
Andreas Adolf zeigt ein Experiment, bei dem die zusammengemischten Flüssigkeiten mehrere Male die Farbe wechseln.
Einer für alles
Wer im Labyrinth der Chemie-Gebäude den Durchblick verliert, der kann auch mal zehn, 15 Minuten brauchen, bis er sich zum Labor von Andreas Adolf durchgeschlagen hat. Dabei könnte man ja drauf kommen: Wie jeder gute Assistent eines Professors aus Film und Fernsehen hat auch Andreas Adolf seinen Arbeitsbereich unmittelbar neben der Wirkungsstätte des Chefs. In seinem Fall in direkter Nähe zum unteren Seiteneingang des Großen Hörsaals der Chemie. So kann er seiner Arbeit am besten nachkommen, die sich – chemisch gesprochen – in der inzwischen fast schon berühmten Weihnachtsvorlesung der Chemie destilliert: Als stiller, aber allgegenwärtiger Helfer bereitet er die Experimente vor, mit denen die Professoren in der Vorweihnachtszeit das Publikum im stets rappelvollen Hörsaal unterhalten. Seit 1985 knallt, zischt, brodelt und blitzt es vor Weihnachten, und das oft fachferne Publikum freut sich über die gute Show.
2001 kam Andreas Adolf an die Universität. Damals hatte er schon einige berufliche Stationen hinter sich, als der damals 39-Jährige offenbar seine Berufung an der Uni gefunden hat. Nach einer Ausbildung zum Forstwirt und einer achtjährigen Bundeswehrzeit drückte er nochmal die Schulbank auf der Technikerschule, wo er Umweltschutztechniker lernte und den Schwerpunkt auf analytische Chemie und Labortechnik legte. Elf Jahre lang bereiste er danach für ein Ingenieurbüro ganz Europa und war vor allem für die Abgasuntersuchungen großer Industrieanlagen zuständig. „2001 habe ich dann zufällig eine Stellenausschreibung der Universität als Labortechniker in der Zeitung gesehen und mich einfach beworben. Damals war ich auf der Suche nach einem Job, in dem ich nicht mehr so viel reisen musste. Bis dahin habe ich meine Familie fast nur am Wochenende gesehen“, erinnert sich Andreas Adolf.
Er hatte mit einer längeren Phase gerechnet, in der er nach dem passenden Job suchen müsste. Aber an der Universität klappte es gleich, und mit seinem Einstieg bei den Chemikern konnte er ab sofort seiner großen Leidenschaft, der Chemie, noch intensiver nachkommen als in den vorangehenden Stellen – und er „erbte“ von Beginn an die Weihnachtsvorlesung, damals noch als Mitarbeiter von Professor Michael Veith, heute unter der Leitung von dessen Nachfolger Professor David Scheschkewitz und von Professor Guido Kickelbick, die sich im Zweijahres-Rhythmus mit der Weihnachtsvorlesung abwechseln.
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Es wird nie Routine, denn die Experimente sind immer andere oder sie werden weiterentwickelt. Am wichtigsten ist dabei, dass sie auf Herz und Nieren geprüft und sicher sind. Außerdem müssen sie natürlich funktionieren.
Andreas Adolf
Schon früh packte Andreas Adolf die Begeisterung für die Welt der Stoffe, die uns umgeben, und deren Reaktionen miteinander. „Der einzige Baukasten, den ich zuhause hatte, war der ‚Kosmos 2000 Chemie‘“, erinnert er sich an seine Kindheit und seine Begeisterung für die Chemie. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Ob es nun die 20 bis 30 Experimente für die Weihnachtsvorlesung sind oder eines der gut 140 Experimente, die er für die Grundlagenvorlesung der Chemie pro Semester vorbereitet: „Es wird nie Routine, denn die Experimente sind immer andere oder sie werden weiterentwickelt“, sagt er. Sowohl für den Alltagsbetrieb in der Vorlesung als auch für die Weihnachtsvorlesung macht sich Andreas Adolf akribisch Notizen, um sie in der vorlesungsfreien Zeit zu überarbeiten, zu verändern oder zu verbessern, falls mal etwas nicht so gut geklappt hat. „Am wichtigsten ist dabei, dass sie auf Herz und Nieren geprüft und sicher sind. Außerdem müssen sie natürlich funktionieren“, gibt er zu bedenken.
So muss ein neues Experiment, das er sich einfallen lässt, bis zu zehnmal wiederholt werden und immer funktionieren, damit es in den Fundus der Vorlesungen aufgenommen wird. Außerdem organisiert er noch den Hörsaalbetrieb, arbeitet in den Forschungs- und Praktikumslabors der Chemie mit und ist an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen wie der Kinder-Uni und dem Tag der offenen Tür der Uni maßgeblich an den Angebote der Chemie beteiligt. „Wir hatten zum Beispiel ein Speziallabor für Kita-Kinder, das macht einen riesigen Spaß“, sagt Andreas Adolf, der auch privat bereits in der Kindertagesstätte seiner Patentochter, die Erzieherin ist, den Kindern einfache Experimente gezeigt hat.
„Die meisten haben bei Chemie ja Gift und Gefahr im Kopf. Aber das stimmt natürlich so nicht“, sagt er. „Kindern kann man schon mit ganz einfachen Mitteln chemische Zusammenhänge erklären“, führt er aus, um dies sogleich auch im Labor zu beweisen. Mit drei handelsüblichen Filzstiften, einem Stück Filterpapier und ein wenig Wasser bastelt er flugs eine kleine Krimigeschichte, wie er sie den Kindern vorführt. „Damit kann man zum Beispiel herausfinden, mit welchem Stift ein Gauner seine Botschaft geschrieben hat“, erläutert er die Geschichte. Schreibt man beispielsweise etwas auf ein Stück Filterpapier und taucht dieses ins Wasser, steigt das Wasser durch das Papier nach oben. Die Stiftfarbe wird dabei vom aufsteigenden Wasser in seine Einzelfarben zerlegt. Da jeder Stiftehersteller seine eigenen Farbprofile hat, kann der Stift, mit dem die Botschaft des Gauners geschrieben wurde, identifiziert werden. „Ein weiteres Experiment mit Bärlappsporen ist ebenso beliebt wie ungefährlich: Man streut sie auf die Wasseroberfläche und steckt den Finger hinein. Am Ende kommt der Finger wieder trocken heraus.“ Des Rätsels Lösung: Bärlappsporen sind stark wasserabweisend und legen sich wie eine Schutzhülle vor der Nässe um den Finger, der ins Wasser getaucht wird.
Solche kleinen Experimente sind es, die Andreas Adolf auch mit 56 Jahren immer noch am meisten begeistern. „Natürlich ist es eindrucksvoll, wenn es zischt, knallt und raucht. Aber mir persönlich gefallen besonders die weniger spektakulären Experimente, bei denen man zweimal hinschauen muss, um sie zu verstehen.“
Zum unprätentiösen Assistenten könnte es nicht besser passen. Die Scheinwerfer der Filmstudios sollen ruhig auf die Chefs gerichtet sein. So kann der Assistent des Professors in aller Ruhe für den nötigen Durchblick im Labyrinth sorgen.
- Bilder Thorsten Mohr