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Biegsamer Touchscreen: Indra Backes experimentiert mit einer Folie, auf die sich zarte, leitfähige Golddrähte aufdrucken lassen.

Materialchemie

"Gold-Tinte" macht biegsame Touchscreens möglich

Die Elektronik in Touchscreens, Bildschirmen und Solarzellen muss gleichzeitig transparent und leitfähig sein. Zukünftig sind aber auch biegsame Elektroden gefragt: Sie sollen beispielsweise direkt in Kleidung oder Verpackungen eingebaut werden. Hierfür haben Forscher im Arbeitskreis von Professor Tobias Kraus am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien - eine neuartige "Gold-Tinte" entwickelt. Master-Absolventin Indra Backes hat damit geforscht und ist für ihre Masterarbeit ausgezeichnet worden.
Von Gerhild Sieber • 30.03.2017

Eine biegsame Elektronik herzustellen, die transparent ist und deren Leitfähigkeit auch bei Verformung hoch bleibt, haben sich die Wissenschaftler des Programmbereichs „Strukturbildung“ am INM zum Ziel gesetzt. In einem Vorversuch testeten sie das so genannte Nano-Druck-Verfahren (engl. „Nanoimprint“). „Damit lässt sich ein biegsames Gitter feiner, leitender Golddrähte herstellen; sie entstehen aus einer flüssigen Tinte, die per Stempel aufgetragen und strukturiert wird“, fasst Indra Backes das Prinzip zusammen. In ihrer Masterarbeit im Fach Materialchemie hat sich die 27-jährige Saarländerin am INM damit befasst, dieses Verfahren zu verbessern und auch auf größeren Flächen anzuwenden. Dafür ist sie Ende letzten Jahres mit einem Preis für besondere Studienleistungen der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät der Saar-Uni für den besten Masterabschluss ausgezeichnet worden.

Gängige Touchscreens von Smartphones bestehen aus einer leitfähigen, transparenten Keramik-Schicht. „Unser Material entsteht dagegen aus einer Tinte, die Gold-Nano-Drähte enthält“, erklärt die junge Chemikerin. Diese sind mehrere Mikrometer lang und mit einem Durchmesser von weniger als zwei Nanometern hauchzart. Die Tinte werde „aktive Tinte“ genannt, weil sich die Golddrähte, sobald das Lösungsmittel verdampft, auf der Unterlage zu stabilen Bündeln anordnen – ähnlich einem Wollfaden, der aus einzelnen Garnen besteht. Aufgetragen werden sie mittels eines elastischen Kunststoff-Stempels. Dieser wird aus flüssigen Materialien hergestellt, die beim Trocknen aushärten. Indra Backes hat verschiedene Polyurethane und Silikone hinsichtlich ihrer Eignung als Stempel untersucht. Und auch die Unterlage hat sie ausgetestet und dabei mit Glas und Folie experimentiert. Am Ende konnte sie zeigen, dass das Verfahren auch auf Folie funktioniert – eine Voraussetzung für die Biegsamkeit eines Displays.

Das leitfähige Goldnetz ist stabil, hochflexibel – und transparent

Indra Backes

Doch wie entsteht das Goldgitter? „Die Stempel-Oberfläche weist Mikrostrukturen auf – winzige Kanäle, die ein Muster bilden. Wird nun ein Tinten-Tropfen auf eine Unterlage aufgebracht und dann der Stempel aufgedrückt, so läuft die Tinte in die kleinen Kanäle, und die Goldpartikel ordnen sich zu Bündeln, also kleinen Leiterbahnen, während das Lösungsmittel verdampft“, erklärt Indra Backes. Das Ergebnis sind feine Golddrähte, die auf dem Untergrund je nach Stempel verschiedene Geometrien bilden, sich beispielsweise in einem Schachbrett- oder Honigwabenmuster anordnen. „Die feinen Golddrähte bilden ein leitfähiges Goldnetz. Dieses ist äußerst stabil und gleichzeitig hochflexibel – und zudem transparent“, schildert die junge Saarländerin. Damit ist es für die Herstellung verschiedener optoelektronischer Geräte wie Displays oder Solarzellen brauchbar. „Je nach Anwendung lässt sich mit der Anordnung der Goldfäden im Gitter sowie der Dicke der Drähte spielen.“ So sei für Solarzellen eine gute Leitfähigkeit wichtiger als eine hohe Transparenz, die für Smartphone-Displays entscheidend sei.

Um das Verfahren zu verbessern, hat die Nachwuchswissenschaftlerin sowohl an den Stempelmaterialien, als auch an den Tinten geforscht: Für den Stempel eigne sich das Silikon Polydimethylsiloxan (PDMS) besonders gut, berichtet sie: Hochflexibel, passt sich das Material gut ans Substrat an, sodass auch winzigste Strukturen abgebildet werden können. Zudem ist es sehr durchlässig, sodass das Lösungsmittel in der Tinte gut durch den Stempel entweichen kann. „Damit ist erstmals die Herstellung eines 3,5 mal 7 Zentimeter großen Stempels gelungen“, sagt Backes. Zum „Aufreinigen“ der Tinte hat sie mit verschiedenen polaren Lösungsmitteln experimentiert, unter anderem mit Ethanol. Damit lassen sich überschüssige so genannte Liganden entfernen: organisches Material in der Lösung, das die Leitfähigkeit der Golddrähte vermindern würde. Auch erste Möglichkeiten, das Herstellungsverfahren zu automatisieren, hat Indra Backes erfolgreich erprobt.

 

Das Leibniz-Institut für Neue Materialien
Materialchemie

Der Saarbrücker Masterstudiengang „Materialchemie“ ist interdisziplinär zwischen Materialwissenschaften und Chemie angesiedelt und deutschlandweit einzigartig. Die Studenten werden sowohl anwendungsbezogen als auch forschungsorientiert ausgebildet. Sie erlernen die Synthese und Charakterisierung von Materialien und wenden diese auf aktuelle werkstoffwissenschaftliche Fragestellungen an.

Ein Schwerpunkt liegt auf neuen Materialien der Energie- und Nanotechnologie. Mit ihrem fachübergreifenden Wissen aus chemischer Synthese und anwendungsorientierten materialwissenschaftlichen Aspekten sind die Absolventen insbesondere bei Unternehmen der Chemie- und Werkstofftechnik gefragt.

Weitere Infos: http://www.uni-saarland.de/master/studienangebot/natwiss/materialchemie/info.html

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