
Andrés Eduardo Alvarado Garzón, Angshuman Hazarika und Professor Marc Bungenberg berichten über den Moot Court in den USA.
Die juristischen „Vizeweltmeister“ aus dem Saarland
Es gibt allerlei Listen im Internetlexikon Wikipedia zum Thema „Sport“: Neben der – naheliegenden – „Liste von Sportarten“ gibt es beispielsweise die „Liste gambischer Sportverbände“, die „Liste von Inlineskatetricks“ und die „Liste der Austragungsorte im Rollski-Sachsen-Cup“. Was es nicht gibt, ist die „Liste sportlicher Juristenwettbewerbe“.
Viel abseitiger als die tatsächlich existierenden Listen wäre diese aber in der Tat nicht, auch wenn es nicht im Wortsinne um Sport ging, was vier junge Juristinnen und Juristen des Europa-Instituts der Saar-Uni im November in Miami erlebt haben. Ihre Leistung aber ist eine wahrhaft sportliche, man möchte sagen, fast schon weltmeisterliche.
Denn Angshuman Hazarika, Andrés Eduardo Alvarado Garzón, Vishakha Choudhary und Tariere Richards, allesamt Studenten oder Doktoranden am Europainstitut der Universität des Saarlandes, sind sozusagen Vizeweltmeister geworden. Im so genannten „Foreign Direct Investment International Arbitration Moot“, kurz FDI Moot, an der Universität von Miami nahmen 130 Teams aus aller Welt teil, um miteinander eine juristische Frage des internationalen Investitionsschutzrechtes auszufechten. Und in der Endabrechnung landeten die internationalen Saarländer auf einem herausragenden zweiten Platz.
„Man kann die Leistung der jungen Kolleginnen und Kollegen durchaus mit einer sportlichen Höchstleistung vergleichen“, resümiert Marc Bungenberg, Direktor des Europainstituts und Professor für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, der zusammen mit Dr. Greg Lourie, Dozent am Europa-Institut und Anwalt in Paris, das Team betreut hat. Zwar hatten Teams anderer Universitäten in den einzelnen Disziplinen die Nase vorn. Die beste Anklageschrift kam aus Ottawa, die beste Verteidigungsschrift aus Moskau, die Auszeichnung für den besten Anwalt ging ebenfalls nach Ottawa. „Aber es ist wie beim Zehnkampf“, vergleicht Rechtswissenschaftler Bungenberg: „Am Ende gewinnt derjenige, der die meisten Punkte holt, und nicht derjenige, der eine oder mehrere Einzeldisziplinen gewinnt.“
Das war die Stärke der vier Juristinnen und Juristen. Sie haben sich monatelang akribisch auf den gestellten Fall vorbereitet. Im vorgegebenen Szenario mussten die Teilnehmer des Moot Courts in die Rolle von Anklägern schlüpfen, die entweder private Firmen vertreten, oder einen Staat verteidigen, der verklagt wurde. Im erdachten Fall ging es um die Betreiber von Social-Media-Plattformen, deren Dienste von einem Staat blockiert wurden, da diese Plattformen mutmaßlich Unruhen im Lande befeuerten. Angesichts von Internetsperren und Zensur in vielen Ländern der Welt ist eine solche Auseinandersetzung durchaus ein denkbares juristisches Problem.
Dabei ging es nicht um das ethische Problem, ob es in den Staaten nach rechtsstaatlichen und demokratiekonformen Regeln zugeht. Es ging vielmehr um handfeste wirtschaftliche Fragen: „Das Schwierige war, die Schadenersatz-Berechtigung der klagenden Firmen zu kalkulieren“, erklärt Andrés Alvarado. Wie bemisst also ein internationales Schiedsgericht, wie viel Geld einem privaten Unternehmen durch Eingriffe eines Staates entgeht, in dem es eigentlich rechtmäßig am Markt teilnehmen darf?
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Die Gesamtplatzierung ist das Resultat einer unglaublichen Teamleistung.
Prof. Dr. Marc Bungenberg
Erfolg oder Misserfolg in einem solchen Fall bemessen sich dabei nicht an einem möglichst glanzvollen Plädoyer, wie sie in Gerichts-Spielfilmen gerne inszeniert werden. „Zwar landete Frau Choudhary hier auf einem hervorragenden zweiten Platz, und auch Herr Alvarado war in dieser Wertung weit vorne“, sagt Marc Bungenberg. „Aber man darf nicht vergessen, dass hier zum Beispiel Herr Hazarika akribische Vorarbeit geleistet hat, indem er seine Kollegen intensiv bei der Recherche unterstützt hat und akribisch recherchiert hat. Die Gesamtplatzierung ist also das Resultat einer unglaublichen Teamleistung“, lobt Professor Bungenberg.
Moot Courts, wie sie neben dem FDI Moot Court in vielen weiteren juristischen Spezialgebieten stattfinden, sind dabei mehr als nur eine Art „Praktikum für Juristen“. Sie sind handfeste Vorbereitung auf den späteren Beruf als Verteidiger, Staatsanwalt oder Richter. Und sie öffnen Türen in die Berufswelt, die ansonsten womöglich geschlossen geblieben wären. „Dadurch, dass man lernt, argumentativ hochkomplexe Schriftsätze zu erstellen und seine Argumente auch mündlich überzeugend zu präsentieren, haben renommierte Anwaltskanzleien aus der ganzen Welt großes Interesse an den Moot-Court-Teilnehmern“, weiß Marc Bungenberg.
Außerdem lernen sich die Juristen der kommenden Generation untereinander kennen. Denn wenn hunderte akribisch auf Fragen des Investitionsschutzes vorbereitete Juristen an einem Ort zusammenkommen, kann man davon ausgehen, dass sie im Laufe ihrer Karrieren immer wieder aufeinandertreffen werden, sofern sie sich weiter in diesem Gebiet spezialisieren. „Das ist das, was ich den jungen Kollegen vor ihrer Abreise nach Miami auch mitgegeben habe: Die Leute, die ihr dort trefft, sind diejenigen, die ihr im Laufe eures Lebens immer wieder treffen werdet“, weiß Marc Bungenberg aus eigener beruflicher Erfahrung. Solche Netzwerke, die man am Anfang der Karriere knüpft, sind mit das Wertvollste, was man sich in einer Karriere erarbeiten – und bewahren – kann.
Außerdem gibt es noch einen weiteren Aspekt, den man zumindest beim FDI Moot Court nicht ganz von der Hand weisen kann, wie Andrés Alvarado mit einem Schmunzeln berichtet: „Eine Reise nach Miami im deutschen November ist ja auch ganz schön.“
Auch da hat er recht. Nicht nur im juristischen Sinne.
Die Einzelergebnisse des FDI Moot Courts gibt’s hier im Internet.
- Bilder Thorsten Mohr