
Bücher sind seine Welt: Paul Weis schließt demnächst sein Bachelorstudium im Fach Germanistik ab.
Von Schulgrammatik und Schauerliteratur
Germanistik studieren – wer denkt da nicht gleich an Goethes „Faust“ oder Schillers „Die Räuber“? „Natürlich sind fürs Lehramtsstudium die Kurse zur typischen Schulliteratur wichtig und daher meistens direkt ausgebucht“, sagt Paul Weis. Er selber habe sich da eher ferngehalten. „Ich fand die fantastische Literatur interessanter, beispielsweise E.T.A. Hoffmanns ‚Vampirismus‘ – das war 1821 die erste Vampirgeschichte in der deutschen Literatur.“ Sie gehört, ebenso wie die Werke der „Weimarer Klassik“, zur „Neueren deutschen Literaturwissenschaft“ – einem der vier inhaltlichen Schwerpunkte des Saarbrücker Germanistik-Studiums. „Die Neuere deutsche Literaturwissenschaft beginnt 1450 mit der Erfindung des Buchdrucks, wobei man im Studienplan nochmals zwischen Literatur vor und nach dem Jahr 1800 unterscheidet“, erzählt der Saarbrücker Germanistik-Student, der sich auch in der Fachschaft engagiert.
Eine weitere „Säule“ ist die Ältere deutsche Philologie, die sich mit der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters beschäftigt. Hier lernen die Studierenden die mittelalterliche Sprache so weit kennen, dass sie die Texte im Original lesen können. „Das ist Deutsch, aber mit Unterschieden“, erläutert der 24-Jährige. Die Ältere deutsche Philologie gehört zu seinen Lieblingsfächern. „In einem Hauptseminar habe ich mich auf Heldenepik spezialisiert, das war sehr spannend.“ Dazu gehöre beispielsweise das „Nibelungenlied“ oder „Dietrich von Bern“, die Geschichte einer ganz bekannten Sagenfigur des deutschen Hoch- und Spätmittelalters.
Dritter inhaltlicher Schwerpunkt des Germanistik-Studiums ist die Neuere deutsche Sprachwissenschaft, die sich mit der Sprache als Kommunikationsmedium beschäftigt. „Wer hier zuerst an die Schulgrammatik denkt, liegt durchaus richtig, denn zunächst werden die grammatikalischen Basics aus der Schule vertieft“, erklärt der Student. Danach zeige sich dieser Schwerpunkt aber als extrem vielfältig: „Man untersucht die Alltagssprache und beschäftigt sich beispielsweise mit der Sprache der neuen Medien wie WhatsApp und Facebook. Oder man setzt sich mit der Sprache unterschiedlicher Gruppen auseinander, arbeitet dann etwa an Themen wie ‚Jugendsprache‘ oder ‚Sprache und Geschlecht‘.“
Ein vierter inhaltlicher Baustein des Germanistik-Studiums heißt „Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache“. Für Bachelorstudierende ist er nicht verpflichtend, wohl aber für Lehramtsstudierende. „Hier betrachtet man die deutsche Sprache aus der Perspektive von Nicht-Muttersprachlern. Es geht um die Sprache als kulturelles Konstrukt, beispielsweise auch um Gesten in der Kommunikation verschiedener Kulturen.“ Im Masterstudium kann man sich auf diesen Schwerpunkt spezialisieren.
Gerhild SieberIch wollte auf jeden Fall alle Möglichkeiten ausschöpfen, die mir das Studium bietet, und daher unbedingt auch ein Erasmus-Semester im Ausland machen.
Paul Weis
Die Betreuung im Studium sei prima, lobt Paul Weis. „Wenn wir von ‚großen Seminaren‘ sprechen, nehmen dort 20 bis 25 Leute teil; im Vergleich zu größeren Unis sind das sehr übersichtliche Gruppen.“ In der Saarbrücker Germanistik gibt es vier literaturwissenschaftliche und drei sprachwissenschaftliche Lehrstühle sowie den Lehrstuhl Mediävistik, weiß das Fachschaftsmitglied. Das ergebe ein gutes Betreuungsverhältnis. „Die Professorinnen und Professoren kennen die Studierenden, und wenn man Fragen hat, bekommt man schnell eine Rückmeldung. Zudem ist die Qualität der Lehre sehr gut.“
Auch praktische Inhalte gehören zum Studium, beispielsweise in der Neueren deutschen Sprachwissenschaft. „Im Rahmen eines Blockseminars waren wir eine Woche lang in Warschau, wo wir gemeinsam mit polnischen Studierenden der Sprachwissenschaft interkulturell gearbeitet haben“, erzählt Weis. Man könne stattdessen aber auch ein sprachwissenschaftliches Experiment durchführen, das sich über ein Semester erstreckt. „Dafür macht man Umfragen – ein klassisches Thema ist die Frage zu Dialektgrenzen im Saarland.“ Kenntnisse aus der Praxis lassen sich auch im Masterstudium erwerben: „Als Hauptfach kann man etwa ‚Literatur und kulturelle Praxis‘ wählen“, sagt der 24-Jährige. „Hier lernt man Arbeitsfelder der Germanistik kennen, zum Beispiel Filmwissenschaft, Theaterwissenschaft oder Editionswissenschaft.“
Wer will, kann während des Studiums auch Auslandserfahrungen sammeln – wie Paul Weis: „Ich wollte auf jeden Fall alle Möglichkeiten ausschöpfen, die mir das Studium bietet, und daher unbedingt auch ein Erasmus-Semester im Ausland machen.“ Schon im zweiten Semester hat er sich informiert, auch hinsichtlich der finanziellen Unterstützung. „Vor allem in Osteuropa gibt es viele Angebote. Ich habe mich frühzeitig für Budapest entschieden, weil ich herausfinden wollte, wie das Fach Germanistik dort aussieht. Die Professoren dort sind ziemlich bekannt in der Germanistik-Szene.“ Zudem spreche die ältere Generation in einigen Landesteilen oft noch Deutsch. Zur Vorbereitung hat er ein Proseminar über deutsche Dialekte im Ausland belegt. In Budapest hat er sich dann mit deutschen Dialekten in Ungarn beschäftigt, aber auch ganz neue Studieninhalte kennengelernt. Beispielsweise hat er in einem Seminar über „die Rolle der deutschen Sprache in der Welt“ deutsche Unternehmen in Ungarn unter die Lupe genommen. Die Lehrveranstaltungen, die man im Ausland absolviert, werden in Saarbrücken anerkannt, allerdings müsse man das vorher mit dem jeweiligen Betreuer besprechen, betont der Student.
In seiner Bachelorarbeit will sich Paul Weis mit dem Schauerroman in Deutschland beschäftigen. Im Herbst möchte er mit einem Masterstudium weitermachen. Dabei kommt für ihn auch der trinationale Master „Literatur-, Kultur- und Sprachgeschichte des deutschsprachigen Raums“ in Frage, der gemeinsam von den Universitäten in Saarbrücken, Metz und Luxemburg angeboten wird.
Germanistik kann man an der Universität des Saarlandes im Rahmen eines sechssemestrigen Zwei-Fächer-Bachelorstudiengangs als (Erweitertes) Haupt- oder Nebenfach studieren oder als Lehramtsstudium für das Fach Deutsch (alle Schulformen) belegen.
Infos unter: www.uni-saarland.de/germanistik
- Bilder Gerhild Sieber Gerhild Sieber
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