Thorsten Mohr

Dr. Barbara Wolf hilft beim Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten - von der Hausarbeit bis zur Promotion.

Zentrales Projekt

Das solide Fundament jeder Wissenschaft

Wissenschaft ist eine komplexe Angelegenheit. Aber egal, ob man nun Physik, Medizin oder Jura als Fachgebiet hat: Die komplizierten Inhalte müssen auch in angemessener Weise niedergeschrieben werden; ohne eine „handwerklich“ gute Form nutzen die besten Inhalte meist nichts. Aber wie schreibt man überhaupt eine wissenschaftliche Arbeit? Wie strukturiert man einen Text? Wie formuliert und zitiert man richtig? Hilfe bei solchen Fragen soll das vor Kurzem gestartete Projekt „Wissenschaftliches Schreiben auf Deutsch" bieten, das Studierende wie Promovierende dabei unterstützt, das wissenschaftliche Schreib-Handwerk zu erlernen.
Von Thorsten Mohr • 03.05.2021

Jeder Künstler muss auch ein guter Handwerker sein. Ein Maler, der keine Ahnung hat von Farben und Leinwänden, wird kein guter Maler werden, und ein Bildhauer, der nicht weiß, welchen Stein er vor sich stehen hat und wie er zu bearbeiten ist, wird sicherlich nicht der zweite Michelangelo werden.

Genauso ist es in der Wissenschaft: Gute Wissenschaft fängt mit solidem Handwerk an. Wissenschaftliche Arbeit, vom Referat im ersten Semester bis zur Habilitationsschrift, vom kleinen Aufsatz in der Nischenzeitschrift bis hin zur großen Studie in „Science“ oder „Nature“, muss zwei Kriterien erfüllen: Zum einen muss sie inhaltlich korrekt und möglichst relevant sein. Zum zweiten muss sie aber auch in der Form den wissenschaftlichen Standards genügen. Eine Studie kann noch so bahnbrechend sein; wenn sie dies nicht erfüllt, wird sie von der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht wahrgenommen.

Aber wie geht das, wissenschaftlich schreiben? „Viele Studierende wissen oft gar nicht genau, warum sie eine schlechte Note in ihrer Hausarbeit oder der Abschlussarbeit haben oder warum sie durch die Prüfung gefallen sind“, erklärt Dr. Barbara Wolf. Sie leitet das jüngst ins Leben gerufene Projekt „Wissenschaftliches Schreiben auf Deutsch“ (WiSchD) an der Universität des Saarlandes, das jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das nötige Rüstzeug mit auf den Weg geben möchte, vom Studenten bis zur Doktorandin. „Manche berichten mir etwa, dass der Dozent oder die Dozentin zwar knapp kritisiert habe, was in der Arbeit schief gelaufen sei. Da steht dann zum Beispiel ‚Ihr Stil ist nicht wissenschaftlich‘ oder ‚Sie schreiben so belehrend‘, aber ausführlich erläutert wird  dies dann häufig leider nicht mehr, weil ihr oder ihm dafür oft schlichtweg die Zeit fehlt“, berichtet die promovierte Germanistin aus ihrem reichen Erfahrungsschatz: Seit mehr als zehn Jahren unterrichtet sie an verschiedenen Hochschulen Deutsch als Fremdsprache sowie Deutsch als Wissenschaftssprache.

Mit dem Projekt werden nun erstmals auf zentraler Ebene sämtliche an der Saar-Uni bestehenden Angebote zum „Wissenschaftlichen Schreiben auf Deutsch“ gebündelt und auch neue Formate geschaffen, die allen Universitätsmitgliedern zugute kommen, unabhängig von ihrer Fachrichtung. Die Spannweite geht dann von der Literaturrecherche für die erste Hausarbeit bis hin zur Beratung der Doktorarbeit.

Dabei gibt es viele Fallstricke, auf die Barbara Wolf achten muss: Ein Physiker schreibt seine wissenschaftlichen Arbeiten anders als eine Germanistin, eine Erstsemester-Studentin hat andere Ansprüche als ein Doktorand. Nicht zuletzt sind Studentinnen und Studenten aus dem Ausland mitunter auch andere Konventionen gewöhnt und müssen die Gepflogenheiten des deutschen Wissenschaftssystems erst lernen.

 

Viele fragen sich nach einem Tag im Homeoffice mit Kinderbetreuung, wie sie sich abends nochmal motivieren sollen, um ein Kapitel ihrer Doktorarbeit zu Ende zu schreiben.

Dr. Barbara Wolf

 

Vielen Studierenden und jungen Wissenschaftlern brennen allerdings gar nicht so sehr die formalen Fragen wie „Wo kommt denn nun die Fußnote hin?“ oder „Wie formatiere ich eine Arbeit korrekt?“ unter den Nägeln. „Vor allem bei Promovierenden ist das Zeitmanagement ein großes Problem“, berichtet Barbara Wolf. „Sie sind etwa als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lehre aktiv und sollen noch ihre Dissertation schreiben. Dazu kommt noch, dass viele bereits eine Familie haben.“ Das ist ein organisatorischer gordischer Knoten, den sie da zerschlagen müssen. „Unter Corona hat sich das noch deutlich verschärft“, so Barbara Wolfs Erfahrung. „Viele fragen sich nach einem Tag im Homeoffice mit Kinderbetreuung, wie sie sich abends nochmal motivieren sollen, um ein Kapitel ihrer Doktorarbeit zu Ende zu schreiben.“  

Das Projekt „Wissenschaftliches Schreiben auf Deutsch“ nimmt langsam Fahrt auf. Barbara Wolfs Ziel ist es, mittelfristig ein Netzwerk an Helferinnen und Helfern aufzubauen. Auch im jetzigen, noch überschaubaren Angebot ist sie mit ihrer Teilzeitstelle eigentlich mehr als ausgelastet. In Kooperation mit den Fachbereichen will sie zukünftig ein „Peer“-Netzwerk aus (studentischen) Schreibtutoren aufbauen, also Bezugspersonen für einzelne Fächer, die Ratsuchende aus ihren jeweiligen Fachbereichen coachen . Das ist insbesondere deshalb von Vorteil, weil der Altersabstand zwischen den „Peers“ und den Fragestellern dann nicht so groß ist, dass manch 20-Jähriger womöglich abgeschreckt wird von der Vorstellung, seinen Text nun von einer gestandenen Wissenschaftlerin durchchecken zu lassen, die genauso gut auch seine Professorin sein könnte. Wobei Barbara Wolf auch hier aufgrund ihrer reichhaltigen Erfahrung Entwarnung geben kann: „Viele kommen durch Mund-zu-Mund-Propaganda zu mir. Sie sagen dann: ‚Bei Ihnen kann ich auch mal eine dumme Frage stellen, ohne dass Sie mich schief anschauen‘“, berichtet die gebürtige Bayerin über die Schreibsorgen der kommenden Wissenschaftlergeneration.

Barbara Wolfs Anspruch ist es deshalb, wirklich alle Fragen ernst zu nehmen und zu beantworten. Denn gute Wissenschaftler und  Wissenschaftlerinnen wachsen  ja nicht einfach so auf den Bäumen. Oder, um im Handwerksbild zu bleiben: Es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Das gilt für die Wissenschaft genauso wie für die Kunst.

Weitere Informationen:

Das Projekt „Wissenschaftliches Schreiben“ bündelt als zentrale Anlaufstelle die unterschiedlichen Angebote, die es an den Fakultäten, Fachrichtungen und zentralen Einrichtungen der Universität des Saarlandes gibt. Beliebt sind unter anderem die „Textlupe“, die es Hilfesuchenden ermöglicht, einige Seiten Text von Barbara Wolf kritisch durchsehen zu lassen, und die individuellen Schreibberatungen. Ab Mai wird es auch eine „Plagiatssprechstunde“ geben. Viele sind unsicher, was sie in ihrer Arbeit schreiben dürfen: Ist es schon ein Plagiat, wenn eine Stelle aus der Literatur sinngemäß übernommen wird? Wie muss eine verwendete Quelle integriert werden?
Ein Angebot der Anglistik ist dem „WiSchD“-Projekt sehr ähnlich und deswegen auch Teil der gemeinsamen Webseite zum wissenschaftlichen Schreiben. Die Zusammenarbeit zwischen dem „Writing Center“ der Anglistik und dem „WiSchD“-Projekt ist sehr eng, da die internationale Wissenschaftssprache Englisch ist und damit bei Weitem nicht nur Anglisten interessiert. Auch das englische Angebot befindet sich derzeit im Ausbau und soll bald uniweit verfügbar werden.
Alle Infos und Kurse unter www.uni-saarland.de/projekt/schreiben.html.

Quellennachweis
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