Oliver Dietze

Sakthi Chandrasekaran freut sich auf persönliche Kontakte wie hier zu seiner mexikanischen Kommilitonin Mariana García Lozada.

International

Studieren über alle Grenzen hinweg

Von Indien nach Saarbrücken? Ein Auslandsjahr in Schweden? Oder zum trinationalen Studium nach Metz und Luxemburg? Was vor einem Jahr selbstverständlich war, ist heute mit einigen Hürden verbunden. Vom Auslandstudium ließen sich einige Studierende der Saar-Uni auch in Corona-Zeiten nicht abhalten
Von Friederike Meyer zu Tittingdorf • 29.01.2021

Die Zusage für den Studienplatz kam im April: Sakthi Chandrasekaran hatte sich für die Materialwissenschaft an der Saar-Universität beworben. Damals galt in seiner Heimat Indien eine strikte Ausgangssperre, auch die deutschen Konsulate waren im Corona-Lockdown. „Ich hatte große Schwierigkeiten, ein Visum zu bekommen. Da haben mich das Welcome Center der Saar-Uni und das Eusmat-Büro sehr unterstützt und aus der Ferne alle nötigen Dokumente beschafft“, sagt Sakthi. Erst im Sommer konnte er mit einiger Mühe seine Reise nach Deutschland organisieren, viele internationale Flüge waren da bereits annulliert.

Für Mitte Oktober ergatterte der indische Student noch einen 25 Stunden-Flug nach Frankfurt. Nach der weiteren Bahnfahrt mit 58 Kilo Gepäck kam der Student schließlich erschöpft im Wohnheim in Dudweiler an. Dort verbrachte er die Quarantäne und konnte dann kurz vor dem Teil-Lockdown im Saarland noch einige Kommilitonen treffen. „Wir haben gemeinsam einen Ausflug an die Saarschleife gemacht, was mir sehr gefallen hat“, erzählt Sakthi auf Deutsch. Die Sprache hatte er in nur zwei Jahren an einem Goethe-Institut in Indien erlernt. Er hofft darauf, dass er trotz Online-Lehre im Wintersemester noch mehr persönliche Kontakte knüpfen kann. Im Masterprogramm „Amase“ wird Sakthi von Mitarbeitern der Europäischen Schule für Materialforschung (Eusmat) an der Saar-Uni betreut. Einige der Masterstudenten, die parallel in Barcelona, Nancy, Luleå und Saarbrücken studieren, hatte er bereits im August in einer virtuellen „Integration Week“ kennengelernt.

Björn Bachmann, ein saarländischer Kommilitone aus demselben Masterprogramm, hatte es bei seiner Reise quer durch Europa etwas einfacher. Der Materialwissenschaftler ließ sich von der Corona-Pandemie nicht abschrecken und flog Ende August ins schwedische Luleå. Über die Lage vor Ort hatte er sich genau informiert. „Luleå liegt im Norden Schwedens in einer dünn besiedelten Region. Die Universität ist überschaubar, es sind dort viele Nationalitäten vertreten“, erläutert Bachmann. Nach einem Schwedisch-Kurs, der im September parallel online und im Hörsaal stattfand, wird er nun vor allem im Labor arbeiten. „In einem Forschungsprojekt werden wir uns mit der Stahlkonstruktion im Karosseriebau beschäftigen. Je fester der Stahl ist, desto weniger muss verbaut werden und umso größer ist die CO²-Reduktion“, erklärt Bachmann.

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Die Universität in Luleå ist überschaubar, es sind dort viele Nationalitäten vertreten

Björn Bachmann, Masterstudent der Materialwissenschaft (Amase-Programm)

Coronabedingt dürfen immer nur sechs Studenten gleichzeitig ins Labor, so dass im Schichtbetrieb gearbeitet wird. Die wöchentlichen Meetings mit allen Teilnehmern finden auf Englisch per Videochat statt. „Die Corona-Regelungen sind hier sonst weniger streng als in Deutschland. In der Öffentlichkeit trägt kaum jemand eine Maske. Man setzt auf mehr Eigenverantwortung und hält die Abstandsregeln auch so ein“, erzählt der Student. Diesen respektvollen Umgang schätzt Björn Bachmann an Schweden. Der Naturliebhaber freut sich zudem auf die Nordlichter, die er im Winter fotografieren will. Für seine Masterarbeit wird der 23-Jährige nach Saarbrücken zurückkehren, danach würde er gerne zum Thema Stahl promovieren.

Die Doktorarbeit nennt auch Sathki Chandrasekaran als Ziel. Er plant nach seinem ersten Jahr in Deutschland ebenfalls einen Schweden-Aufenthalt und hofft dann auf eine Promotionsstelle im Docmase-Programm der Saar-Uni. Wie im Amase-Master, den die Europäische Union fördert, werden dort grenzüberschreitend kluge Köpfe für die hiesigen Hightech-Branchen ausgebildet.

In mehreren europäischen Ländern zu studieren, war auch der Plan von Laura Mattausch. Sie hat sich im Masterstudiengang „Border Studies“ eingeschrieben, der gemeinsam von vier Universitäten in der Großregion angeboten wird. Darin geht es um Grenzen in Europa und der ganzen Welt, aber genau diese wurden für Laura Mattausch jetzt zum Problem. „Ich bin im September nach Metz gezogen und habe die ersten Veranstaltungen noch an der Uni besucht. Dann kam der Lockdown, der in Frankreich strenger geregelt wurde als in Deutschland. Durch die Quarantänevorschriften wäre es für mich schwierig geworden, Freunde und meine Familie in Köln zu besuchen“, erzählt die 23-Jährige.

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Meine Masterkurse in Lothringen und Luxemburg werden alle online angeboten, zum Teil wird dort parallel auf Englisch, Französisch und Deutsch diskutiert.

Laura Mattausch, Masterstudentin Border Studies

Kurz entschlossen zog sie vorübergehend ins „Hotel Mama“ und wird nun ab Dezember von Saarbrücken aus studieren. Dort kennt sie schon einige Kommilitonen aus ihrem Studiengang. „Meine Masterkurse in Lothringen und Luxemburg werden alle online angeboten, zum Teil wird dort parallel auf Englisch, Französisch und Deutsch diskutiert. Durch die Kleingruppen hat man auch virtuell einen persönlichen Kontakt zu den Dozenten“, erläutert Mattausch. Sie findet zudem das fächerübergreifende Konzept des Studiengangs spannend. „Wir beschäftigen uns aus kulturwissenschaftlicher Sicht mit Grenzen, lernen aber auch die Politik und Raumplanung kennen“, sagt die Studentin, die Grenzen nun völlig neu wahrnimmt, nicht nur durch die Corona-Pandemie.

Quellennachweis
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    Oliver Dietze

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