
Thomas Schmolze zeigt das Computerspiel "Battlefield V", das Szenarien aus dem Zweiten Weltkrieg aufgreift.
Was Ego-Shooter-Spiele und Kriegsgräuel mit einem Geschichtsstudium zu tun haben
Langsam kommt Private Miller in einer Hütte am Strand zu sich. Dumpf dringen die Schreie seines Kameraden zu ihm herüber, der von einem Japaner mit Stockhieben gefoltert wird. Der japanische Kommandant beugt sich zu Miller herunter, bläst ihm den Rauch seiner Zigarette ins Gesicht und verhöhnt die beiden Soldaten. Offensichtlich sollen sie Informationen preisgeben. Doch die beiden Amerikaner schweigen. Mit letzter Kraft spuckt Millers Kamerad den japanischen Kommandanten an.
Mit dieser grausamen Kriegsszene aus dem Jahr 1942 beginnt das 2009 erschienene Ego-Shooter-Spiel Call of Duty: World at War. Dieser fünfte Teil der Call-of-Duty-Reihe, der insbesondere die Gräuel des Pazifikkrieges und des Russlandfeldzuges drastisch zeigt, war und ist vermutlich bis heute der brutalste und raueste Ableger der Serie. Da ich dieses Spiel bereits kannte, kam es mir sofort in den Sinn, als ich mich im Rahmen einer Übung zur Geschichte des Nationalsozialismus mit der Frage beschäftigt habe, wie der Zweite Weltkrieg in Ego-Shootern dargestellt wird. Dabei habe ich exemplarisch nicht nur die historischen Bezüge und deren Umsetzung im Spiel analysiert, sondern auch untersucht, wie Kunstfreiheit, Jugendschutz und Gewaltdarstellung das Spiel beeinflussen und sich auf die Umsetzung geschichtlicher Themen auswirkt.
Die Brutalität und Menschenverachtung des Zweiten Weltkriegs ist ein zentrales Element in World at War und deutlich präsenter als in anderen Ablegern der Reihe. Durch drastische und cineastisch inszenierte Passagen rückt das Spiel diese Thematiken in den Fokus des Spielers, etwa bei der Folterung amerikanischer Kriegsgefangener aus sowjetischer Perspektive. Andererseits wird besonders in den Spielabschnitten, die der Spieler aus amerikanischer Perspektive erlebt, die angewandte Gewalt als notwendig dargestellt und der Kampf gegen „das Böse“ beispielsweise durch epische Musikuntermalungen heroisiert.
Wegen seiner expliziten Gewaltdarstellung erhielt das Spiel in seiner vom Hersteller entwickelten Fassung keine Altersfreigabe für den deutschen Markt. Deshalb erschien es in Deutschland nur in einer gekürzten Fassung, die jugendschutzkonform ist und keine Bestände unseres Strafgesetzbuches erfüllt. Neben Gewaltdarstellung ist in Computerspielen mit Bezug zum Nationalsozialismus auch die Verwendung verfassungswidriger Symbolik – beispielsweise Hakenkreuze, SS-Runen – eine vieldiskutierte Thematik. Das zeigt sich unmittelbar in den Spielen. In der russischen Spielkampagne etwa fehlt jegliche nationalsozialistische Symbolik. Folglich haben wir während meines Vortrages an der Uni diskutiert, ob eine solche Einschränkung in diesem Fall nicht nur dem eigentlichen Ansatz des Spiels nicht gerecht wird, sondern sogar die ganze Thematik wieder verharmlost.
Gerhild SieberZur Vorbereitung der Videopräsentation konnte ich meine bis dahin im Studium gelernten Fähigkeiten anwenden.
Thomas Schmolze
Um meinen Kommilitonen diese Zusammenhänge zu veranschaulichen, habe ich mit aufgenommenen Spielszenen eine Videopräsentation erstellt, die ich anschließend mit meinen Erläuterungen vertont habe. Zur Vorbereitung dieser Präsentation konnte ich meine bis dahin im Studium gelernten Fähigkeiten anwenden. Allen voran die wissenschaftliche Recherche – das „Brot- und Buttergeschäft“ eines jeden Historikers. Dadurch konnte ich beispielsweise die historischen Bezüge nachprüfen und erläutern und mich zudem in Themen wie Jugendschutz oder Kunstfreiheit einarbeiten. Generell ist es das Ziel von Übungen und Seminaren, die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens anzuwenden und so stetig zu verbessern.
Blicke ich auf mein Studium zurück, das sich nun dem Abschluss hinneigt, muss ich sagen, dass ich insbesondere das facettenreiche Angebot an Veranstaltungen mochte. Ich habe es schnell zu schätzen gelernt, jedes Semester meinen eigenen Stundenplan nach meinen Vorlieben zu gestalten. Das finde ich beim Geschichtsstudium besonders wichtig. Das Beispiel meiner Videopräsentation sollte zeigen, dass es viele Möglichkeiten gibt, auch die Inhalte der Lehrveranstaltungen selbst mitzugestalten. Der bevorstehenden Bachelorarbeit blicke ich zuversichtlich entgegen und denke, dass ich bald unter den letzten Abschnitt meines Studiums ein stolzes „Mission accomplished“ setzen kann.
Auch zahlreiche andere erfolgreiche Spielereihen bedienen sich historischer Thematiken aus allen Epochen der Weltgeschichte, sagt Thomas Schmolze. Prominente Vertreter sind die Assassin’s Creed Spiele, die vom antiken Griechenland während des Peloponnesischen Krieges über das Italien der Renaissance bis hin zum Viktorianischen England oder Frankreich während der Revolution eine breite Vielfalt an historischen Schauplätzen bieten. Computerspiele sind für viele Menschen zu einem beliebten Medium geworden, in dem ihnen unterschiedliche geschichtliche Themen begegnen. Besonders der interaktive Ansatz macht es dem Spieler einfach, einen Bezug zum Geschehen aufzubauen. Daher ist es wichtig zu hinterfragen, wie Spiele historische Thematiken aufgreifen und dem Spieler präsentieren.
- Bilder Gerhild Sieber Gerhild Sieber