
Lea Kasseckert hat ihre Zeit in der niederländischen Stadt Groningen sehr genossen.
„Komt goed!“ - Mein Semester in den Niederlanden
Für ein Semester hat es mich in die Studentenstadt Groningen gezogen und, um´s vorweg zu nehmen: Ich wurde nicht enttäuscht! Die Stadt mit ihren fast 50.000 Studenten bei ungefähr 230.000 Einwohnern sprüht regelrecht vor Internationalität gemixt mit niederländischem Charme. Ganz nach dem Motto „komt goed“, was so viel bedeutet wie „das wird schon, mach dir keine Sorgen“ kann man sich als Deutscher ein Stück Gelassenheit von unseren Nachbarn abschauen.
Oft auch als ein kleines Amsterdam betitelt, kann Groningen einen mit seinen Grachten und Brücken rund um die Innenstadt in seiner Einzigartigkeit schnell verzaubern. Und eines fällt hier besonders auf: die gar unüberschaubare Masse an Fahrrädern. Gefühlt hat jeder mindestens einen Drahtesel als Fortbewegungsmittel Nummer Eins an seiner Seite. Das spiegelt sich natürlich auch auf den Straßen wider. Besonders rund um den Stadtcampus der Rijksuniversiteit Groningen steht man tagtäglich vor einem Meer aus Fahrrädern. Tatsächlich soll es in den Niederlanden mehr Fahrräder als Einwohner geben. Eine Aussage, die ich sofort unterschreiben würde.
Doch nicht nur das Fahrrad fahren prägt die niederländische Kultur, sondern auch der Umgang mit der englischen Sprache. Mehr als die Hälfte der Seminare und Vorlesungen werden an der Rijksuniversiteit Groningen in Englisch angeboten. Das heißt, dass man vor allem während der Zeit an der Universität viel mit englischem Fachvokabular konfrontiert wird und somit automatisch die eigenen Sprachkenntnisse verbessert. Ein großer Vorteil für die Zeit nach der Rückkehr an die Universität des Saarlandes, weil einem der Umgang mit englischer Fachliteratur dadurch leichter fallen kann.
Aber nicht nur in den Unterrichtssprachen unterscheiden sich die beiden Universitäten. In den Niederlanden fängt das Wintersemester bereits im September an, endet im Januar und ist dabei in zwei Blöcke unterteilt. Somit gibt es auch zwei Klausurenphasen zum jeweiligen Ende des Blockes. Ein weiterer Unterschied liegt im Arbeitsaufwand für die Studierenden. Zwar kann ich in meinem Fall nur über die Geisteswissenschaften berichten, jedoch wird an der niederländischen Universität deutlich mehr Wert auf Teamarbeit und Eigenverantwortung gelegt. Während in Deutschland in den meisten geisteswissenschaftlichen Fächern die Seminare aus Referaten und Lektürebesprechungen bestehen, wird der Stoff in den Niederlanden mit Vorliebe in kleinen Arbeitsgruppen erarbeitet und anhand von eigenen Projekten in die Praxis übersetzt.
Doch nicht nur fürs Studium ist das Studieren in einer anderen Sprache von Vorteil, sondern auch für den internationalen Austausch. An der Rijksuniversiteit finden sich Studierende aus aller Welt. Besonders für Erasmusstudentinnen und -studenten werden zu Beginn des Semesters, sowohl von den jeweiligen Fakultäten, als auch vom European Student Network (ESN) zahlreiche Networkingveranstaltungen angeboten. Diese bieten einem die Möglichkeit, in kurzer Zeit viele Gesichter kennenzulernen, wichtige Kontakte zu knüpfen und den Grundstein für neue Freundschaften zu legen. Denn zusammen mit neuen Freunden macht das Erkunden der vorübergehenden Heimat gleich umso mehr Spaß. Besonders interessant waren für mich die Veranstaltungen des European Student Network, welche kontinuierlich über das gesamte Semester angeboten wurden. Von gemeinsamen internationalen Abendessen über Tagesexkursionen, bei denen man lernen konnte, wie die Windmühlen im Zusammenhang mit dem Wassermanagement der Niederlande funktionieren, bis hin zu Sportaktivitäten, wie beispielsweise dem standup paddling in den Groningen Grachten, wird den Austauschstudentinnen und -studenten immer wieder ermöglicht, Land, Leute und Kultur kennenzulernen.
Und noch eine Besonderheit fällt einem hier im Alltag auf: der vollkommene Verzicht auf Bargeld. Selbst kleinste Summen werden kontaktlos mit dem Smartphone oder der Bankkarte bezahlt. Ein Brot für zwei Euro beim kleinen Stand eines Familienbetriebs auf dem Wochenmarkt kaufen und mit Karte bezahlen? In Groningen, oder den Niederlanden generell, kein Problem! Außerdem wird nicht nur in der Universität Englisch gesprochen, sondern auch im Supermarkt oder der neuen Lieblingsbar. Wer also seine Englischfähigkeiten verbessern und dabei die herzliche „komt goed“-Kultur unseres Nachbarlandes näher kennen lernen möchte, findet in Groningen die besten Voraussetzungen dafür.
Das Leben und Studieren in den Niederlanden war für mich eine wunderbare Erfahrung, vor allem durch das internationale Flair. Die Studentenstadt hat mir zahlreiche Möglichkeiten geboten, neue Freundschaften zu schließen, an möglichen Sprachbarrieren zu wachsen und über den saarländischen Tellerrand hinauszuschauen.
Und wer ebenfalls mit dem Gedanken spielt, wie ich in die Niederlande zu gehe, aber sich womöglich von möglichen Sprachbarrieren abschrecken lässt, sollte eines bedenken: Alle Erasmusstudentinnen und -studenten sind neu in der Stadt, ja sogar dem Land, und somit auf der Suche nach Anschluss. Ob sich da ein, zwei Fehler beim englischen Gespräch einschleichen, spielt überhaupt keine Rolle, denn: „komt goed!“
- Bilder Lea Kasseckert
- Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsuniversit%C3%A4t_Groningen