Foto: Oliver Dietze

Die Studenten Nick Kempel, Joshua Arens, Joshua Summa und Till Mertin (v.l.) wollen das Reisen stressfreier machen .

Systems Engineering

Dieser Koffer folgt automatisch auf Schritt und Tritt

Lästiges Schleppen und kippeliges Hinterherziehen von Reisegepäck könnten bald der Vergangenheit angehören: Studenten der Saar-Uni wollen mit einem smarten Koffer dafür sorgen, dass Reisende in Zukunft ihre Hände für Wichtigeres frei haben. Der Prototyp, den die vier Nachwuchsforscher entwickeln, heftet sich an die Fersen - oder bei Rollstuhlfahrern auch an die Felgen - seines Besitzers und fährt ihm oder ihr ohne Weiteres hinterher.
Von Claudia Ehrlich • 06.11.2019

Die nötigsten Habseligkeiten mit auf Reisen zu nehmen, kann eine echte Herausforderung sein. Wer Reiseunterlagen, Handgepäck und Taschen, Jacken, mitunter auch heißgeliebte Teddys oder Kekse von kleinen Mitreisenden zugleich jonglieren muss, hat alle Hände voll zu tun. Da kann ein Koffer, auch wenn er Rollen hat, zum Ballast werden – erst recht, wenn die Zeit drängt. Würde einem das Reisegepäck wie ein treuer Hund von selbst nachfolgen, wäre dies für Tausende und Abertausende von Reisenden tagtäglich eine enorme Erleichterung. „Wir denken dabei gerade auch an Menschen mit Einschränkungen wie Gehbehinderungen. Ihnen könnte solch ein intelligenter Koffer unabhängigeres Reisen möglich machen“, erklärt Joshua Summa, der Systems Engineering an der Universität des Saarlandes studiert. Gemeinsam mit seinen Studienkollegen Till Mertin, Nick Kempel und dem Informatikstudenten Joshua Arens, baut der angehende Ingenieurwissenschaftler derzeit einen intelligenten Koffer, der das Reisen künftig stressfreier machen soll.

Portrait Joshua Summa: Oliver Dietze

Die Einsatzmöglichkeiten eines solchen Sensorsystems lassen sich noch weiterdenken: etwa im Transportbereich oder in der Lagerlogistik.

Joshua Summa

Der „Smartcase“ genannte Prototyp ist bereits jetzt in der Lage, sich an die Fersen einer bestimmten Zielperson zu heften, und dann konsequent ihre Verfolgung aufzunehmen. „Unser System beruht auf einer Kombination mehrerer Sensoren“, erklärt Joshua Summa. Kernstück ist eine Kamera, die denjenigen erkennt, dem sie folgen soll, und jede seiner Bewegungen erfasst. Hinzu kommen drei Ultraschallsensoren, die unter anderem permanent Entfernungen messen und so etwa dabei helfen, Hindernisse zu erkennen und ihnen, wenn nötig, auszuweichen.

Die Messdaten der Sensoren laufen in einem Mikro-Prozessor zusammen, der die Informationen auswertet, weiterarbeitet und entsprechende Befehle an die Elektromotoren der Räder des Koffers weitergibt. Dies alles haben die Studenten dem Prozessor beigebracht. „Wir haben das System so angelernt, dass es mit den Daten der Sensoren die Route permanent neu berechnen kann und entsprechende Signale an den Motor sendet“, sagt Joshua Summa.

„Die Einsatzmöglichkeiten eines solchen Sensorsystems lassen sich noch weiterdenken: etwa im Transportbereich oder in der Lagerlogistik“, erläutert Summa das weitere Potenzial der Erfindung, an der die vier Nachwuchsingenieure derzeit in den Räumen des Lehrstuhls für Mikromechanik von Professor Helmut Seidel auf dem Saarbrücker Uni-Campus arbeiten. Die Idee zum smarten Koffer hat ihren Ursprung in einer Vorlesung von Professor Seidel über Mikromechanik. Diese gilt an der Saar-Uni bereits seit Langem als Ideenschmiede für besondere Prototypen: Ein anderes Studententeam hat etwa einen kopfgesteuerten Rollstuhl entwickelt. Besonders erfolgreich war auch ein Sensorsystem gegen Falschfahrer, das in Leitpfosten eingebaut werden kann: Die Jungforscher, die dieses System entwickelt hatten, wurden mehrfach ausgezeichnet.

„Hier an der Uni haben wir ein gutes Umfeld für unsere Arbeit am Prototyp, bei Fragen können wir uns an die Professoren und ihre Teams wenden. So unterstützt uns zum Beispiel auch die Forschergruppe von Antriebstechniker Professor Matthias Nienhaus, die unter anderem auf intelligente Elektromotoren in Rädern spezialisiert ist“, sagt Joshua Summa.

Mit ihrer klugen Tüftelei vertraten die Studenten die Uni des Saarlandes Ende Oktober beim Studierendenwettbewerb Cosima in Berlin: Mit ihrem Prototyp „Smartcase“ belegten sie Platz zwei und sind damit zum Wettbewerb iCan im kommenden Jahr in China eingeladen. Der Studentenwettbewerb Cosima, der jedes Jahr vom Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) ausgeschrieben wird, soll dazu beitragen, neue Einsatzmöglichkeiten von Mikrosystemen zu finden.

Mehr zum Cosima-Wettbewerb finden Sie hier.

Professor Helmut Seidel inspirierte schon viele Studentinnen und Studenten dazu, bereits im Studium zu forschen. Seine Vorlesung über Mikromechanik gilt als Ideenschmiede für besondere Prototypen. So entwickelten andere Studententeams etwa einen kopfgesteuerten Rollstuhl oder auch ein Sensorsystem gegen Falschfahrer, das in Leitpfosten eingebaut werden kann. Die Medien machten schon viele Projekte der Jungforscher einem größeren Publikum bekannt.

Studierendenwettbewerb Cosima
Fotos Oliver Dietze

 

Mit ihrer klugen Tüftelei nahmen die Studenten vom 28. bis 30. Oktober am Studierendenwettbewerb Cosima in Berlin teil und erreichten hier den zweiten Platz: Damit sind sie zum Wettbewerb iCan in China eingeladen.

Cosima steht für Competition of Students in Microsystems Applications. Die Aufgabenstellung reicht von der wirtschaftlichen Planung über die Projektdurchführung bis zur Öffentlichkeitsarbeit.

Weitere Informationen unter www.cosima-mems.de

Quellennachweis
  • Bilder
    Foto: Oliver Dietze

    Fotos Oliver Dietze

    Portrait Joshua Summa: Oliver Dietze