Titelfoto: Henrik Ollmann

Die Nachwuchsforscherin Jutta Luksch erhält den Ulrich-Gonser-Preis der Saarbrücker Materialwissenschaft und Werkstofftechnik.

Materialwissenschaft

Schon im Studium Forschung von Weltrang

Jutta Luksch hat in ihrem Studium mitgeholfen, eine Weltneuheit zu entwickeln. Sie forschte im Rahmen von Praktika am Imperial College in London wie auch in Prag. Für ihre Messungen nutzte sie Spezialgeräte am Helmholtz-Zentrum Berlin und in Lyon – und: Sie hat schon wissenschaftliche Publikationen vorzuweisen. Jetzt erhält die Nachwuchsforscherin den Ulrich-Gonser-Preis.
Von Claudia Ehrlich • 06.06.2019

Sie halten sogar Explosionen stand: Die Metallschäume, die die Materialforscher Anne Jung und Stefan Diebels von der Universität des Saarlandes entwickeln, sind luftig leicht, aber extrem belastbar. Sie können als Schutzwände bei Sprengungen oder als Aufprallschutz im Auto dienen. Ihr Geheimnis ist ein Gerüst feiner Bälkchen, die im Innern des Metallschaums Platz lassen für unzählige Hohlräume, ganz nach dem natürlichen Vorbild von Knochen. Es handelt sich um eine Weltneuheit: Als erster Gruppe ist es den Saarbrücker Forschern gelungen, die eigentlich weichen Bälkchen gleichmäßig durch eine patentierte Spezial-Beschichtung von innen heraus beinhart zu machen. Mit ihren wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den Eigenschaften dieser Metall-Bälkchen sind sie international führend.

An dieser Forschung ist Jutta Luksch seit fünf Jahren beteiligt: Die 27-jährige Materialwissenschaftlerin ist seit dem zweiten Bachelor-Semester studentische Mitarbeiterin von Anne Jung am Lehrstuhl von Stefan Diebels. „Das ist hier an der Universität des Saarlandes üblich: Die Forscher sprechen einen früh an, ob man in Forschungsprojekten mitarbeiten möchte. Wer will, hat hier viele Möglichkeiten“, sagt Jutta Luksch, die eigens fürs Studium aus Neuss ins Saarland kam. „Hier ist das Betreuungsverhältnis von Wissenschaftlern und Studierenden sehr gut. Alle Türen stehen einem offen“, sagt sie. Für Naturwissenschaften hat sich Luksch schon immer interessiert. „Materialwissenschaft habe ich deshalb gewählt, weil hier alles in einem Fach vereint ist: Mathematik, Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften – gerade diese Kombination verschiedenster Fächer finde ich spannend. Das Fach ist sehr anwendungsbezogen. Auch die experimentelle Arbeit ist sehr vielfältig“, erklärt sie und fügt lachend hinzu: „Hier kann ich etwas machen, was die Welt weiterbringt.“

Foto Jung: David Ausserhofer

Mit Universitäten wie dem Imperial College in London oder der Czech Technical University in Prag haben wir Austauschprogramme initiiert. Die Studenten haben dadurch die Chance, dort Praktika zu absolvieren oder für gewisse Zeit zu studieren.

Privatdozentin Dr. Dr. Anne Jung

Jutta Luksch befasste sich sowohl für ihre Bachelor- wie ihre Masterarbeit mit den Bälkchen des Metallschaums und arbeitete dafür eng mit ihrer Betreuerin Anne Jung zusammen. In vielen Experimenten, Simulationen, Zug- und Biegeversuchen untersuchte sie die mechanischen Eigenschaften der Einzelbälkchen. „Sie konnte unter anderem zu Erkenntnissen darüber beitragen, wie eine Vorbehandlung der Schäume die Haftung der Nickelbeschichtung auf den einzelnen Bälkchen verbessert und so den ganzen Schaum stabiler macht“, sagt Privatdozentin Anne Jung. Damit hatte Jutta Luksch schon im Studium Anteil an Forschung von Weltrang.

Überhaupt sind die Saarbrücker Materialforscher international vernetzt. Anne Jung etwa arbeitet mit Forschern in aller Welt zusammen. Von diesen Kontakten profitieren auch die Studenten: So verbrachte Jutta Luksch im Rahmen von Praktika eine Zeitlang am Imperial College in London, einer der renommiertesten Universitäten der Welt, und an der Czech Technical University in Prag. „Unter anderem mit diesen Universitäten haben wir Austauschprogramme initiiert. Die Studenten haben dadurch die Chance, dort Praktika zu absolvieren oder für gewisse Zeit zu studieren“, erläutert Anne Jung.

Auch durch ihre Forschungsarbeit am Lehrstuhl kam Jutta Luksch herum: So fuhr sie mit Anne Jung nach Berlin, um am dortigen Helmholtz-Zentrum die Synchrotron-Strahlungsquelle BESSY II für ihre Messungen zu nutzen. Und in Lyon forschte sie an einem Röntgen-Computertomographen. „Ich hatte eine wirklich gute Zeit während des ganzen Studiums“, sagt die junge Forscherin rückblickend, die jetzt an der Saar-Uni ihre Promotion am Lehrstuhl für Experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften von Professor Christian Motz begonnen hat: ein Zentrum für Rastersondenmikroskopie, wo sich alles darum dreht, Werkstoffeigenschaften auf verschiedensten Längenskalen von Nanometer bis zur Makroprobe zu bestimmen.

Portrait Mücklich: Maximilian Schlosser

Neue Materialien und Werkstoffe bergen ein großes Innovationspotenzial. Hoch qualifizierte Fachleute, die sich in anderen Sprachen und Kulturen auskennen, sind gesucht. Deshalb legen wir besonders Wert auf frühe Einbindung in die Forschung und internationale Studienerfahrungen.

Professor Frank Mücklich

Die Saarbrücker Materialwissenschaft und Werkstofftechnik verleiht Jutta Luksch jetzt den Ulrich-Gonser-Preis. „Mit diesem Preis würdigen wir die Qualität des Masterabschlusses und besondere Leistungen im Studium“, erklärt der Saarbrücker Materialforscher und Professor für Funktionswerkstoffe Frank Mücklich, der den Ulrich-Gonser-Preis initiiert hat. „Neue Materialien und Werkstoffe bergen ein großes Innovationspotenzial in vielen Bereichen. Hoch qualifizierte Fachleute, die sich in anderen Sprachen und Kulturen auskennen, sind gesucht. Deshalb legen wir in unserem Fach besonders Wert auf frühe Einbindung in die Forschung und internationale Studienerfahrungen. Wir bieten auch mehrere internationale materialwissenschaftliche Studiengänge an“, sagt Frank Mücklich.

Foto: Infokasten: Oliver Dietze

Die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik der Universität des Saarlandes zählt mit elf Professoren und rund 300 Forscherinnen und Forschern zu den Top 5 der deutschen Forschungsstandorte auf diesem Gebiet. Nur wenige Universitäten in Deutschland weisen einen solchen Schwerpunkt auf. Auf dem Campus befinden sich außerdem das Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP), das Leibniz Institut für neue Materialien (INM) und das Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik (MECS), die alle eng mit der universitären Forschung vernetzt sind.

Studenten können zwischen internationalen Studiengängen wie „Atlantis“, „EEIGM“ und „AMASE“ wählen oder das nationale Bachelor- und Masterprogramm studieren. Auch ein Studiengang Materialchemie ist im Angebot. Mit dem europäischen Graduiertenkolleg DocMASE gibt es ein Angebot zur Doppel-Promotion. Alle internationalen Studiengänge werden seit 2008 von der Europäischen Schule für Materialforschung (EUSMAT) an der Saar-Universität koordiniert. EUSMAT bietet zum Beispiel mit dem Masterprogramm „AMASE“ ein zweisprachiges Studium wahlweise in den Sprachen Englisch, Spanisch, Deutsch und Französisch an, das im Verbund mit Lulea in Schweden, Barcelona und Nancy jeweils einen Doppelabschluss ermöglicht.

https://www.uni-saarland.de/fachrichtung/mwwt/startseite.html

https://www.eusmat.net/

Foto Jung/Diebels: Oliver Dietze

Knochen als Vorbild: Leichter Metallschaum wird mit Beschichtung beinhart

Die Materialforscher Stefan Diebels und Anne Jung von der Universität des Saarlandes können extrem belastbare und zugleich luftig leichte Metallschäume für vielseitige Anwendungen maßschneidern. Vorbild aus der Natur ist der Aufbau von Knochen. Mit einem patentierten Beschichtungsverfahren schaffen sie äußerst stabile, poröse Werkstoffe etwa für den Leichtbau. Als Grundgerüst dienen Alu- oder Kunststoffschäume, ähnlich einem einfachen Haushaltsschwamm. Auch Studenten und Doktoranden sind an diesen Forschungen beteiligt.

Mehr zu der Forschung über Metallschäume erfahren Sie hier

Foto Gonser: Fachrichtung MWWT

Ulrich Gonser-Preis

 

Die Fachrichtung Materialwissenschaft und Werkstofftechnik verleiht den Ulrich Gonser-Preis in Kooperation mit der Europäischen Schule für Materialforschung (EUSMAT) an der Saar-Uni und der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde (DGM). Die Universitätsgesellschaft des Saarlandes unterstützt den Preis, der im Rahmen der Fachrichtungs-Feier am Freitag, dem 7. Juni, um 17.30 Uhr in der Aula (A3 3) auf dem Saarbrücker Campus verliehen wird.

Der Preis trägt den Namen des 2007 verstorbenen, international renommierten Professors für Metallphysik Professor Dr. Ulrich Gonser.
Er war von 1969 bis 1991 an der Saar-Uni tätig und leitete hier das Institut für Metallphysik und Metallkunde. Gonser war maßgeblich an der Gründung des Fraunhofer-Instituts für Zerstörungsfreie Prüfverfahren beteiligt und einer der Pioniere der sogenannten „Mößbauer-Spektroskopie“. Zusätzlich zu seinen wissenschaftlichen Leistungen hat er große Verdienste um den weltweiten wissenschaftlichen Austausch. Dank seiner internationalen Karriere hatte er von Anfang an ein internationales Team in Saarbrücken um sich geschart.

Quellennachweis
  • Bilder
    Titelfoto: Henrik Ollmann

    Foto: Infokasten: Oliver Dietze

    Foto Jung/Diebels: Oliver Dietze

    Foto Gonser: Fachrichtung MWWT

    Foto Jung: David Ausserhofer

    Portrait Mücklich: Maximilian Schlosser