
Der Werkstoffwissenschaftler Marc Schöneich ist seit dem Studium überzeugter Grenzgänger.
Die Magie der Grenzregionen
„Das ist ein klarer Fall: Du musst hier Barmann werden.“ An manche Sätze erinnert man sich ein Leben lang. Diesen hörte Marc Schöneich in Nancy. „Als ich dort mit dem Studium anfing, hat mir ein älterer Student die Uni gezeigt. In einem der Gebäude gab es eine Studenten-Bar, von Studenten selbst betrieben“, erzählt er. Der Job als Barmann erwies sich als echter Geheimtipp. Schnell kannte Marc Schöneich Gott und die Welt. „Das war eine fantastische Zeit, ich habe viele Freunde gefunden, die ich heute noch habe – ein Glücksfall, wie das ganze Studium“, schwärmt er. Ursprünglich kommt Schöneich aus Jena. „Ich habe mich ganz bewusst für die Saar-Uni entschieden. Ich wollte Werkstoffwissenschaft studieren und nach Frankreich. Nicht nur für ein Auslandssemester, sondern ein richtiges Doppelstudium mit allem Drum und Dran.“
An der Saar-Uni können Studenten aus 30 internationalen Studienprogrammen wählen, 25 davon mit Doppel- oder Mehrfach-Abschluss: Nach dem Studium haben sie neben dem deutschen einen oder gar zwei weitere Titel von Unis aus einem anderen Land in der Tasche. Marc Schöneich entschied sich für Werkstoffwissenschaften in Saarbrücken und Nancy: genauer gesagt, für den Ingenieur-Studiengang mit dem etwas kryptischen Namen „EEIGM“ (École Européenne d'Ingénieurs en Génie des Matériaux). Dass er die Sprache alles andere als perfekt sprach, war für ihn kein Hindernis. „Mein Französisch war damals gar nicht so gut. In der Schule hatte ich Leistungskurse in Mathe und Physik. Aber ich wollte die Sprache lernen, ich wollte Frankreich kennen lernen. Für mich war klar: Dann muss ich ins Land selbst gehen.“
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Ich wollte Werkstoffwissenschaft studieren und nach Frankreich. Nicht nur für ein Auslandssemester, sondern ein richtiges Doppelstudium mit allem Drum und Dran.
Dr. Marc Schöneich
Eineinhalb Jahre lebte Schöneich in Nancy. Er wohnte in einer WG mit französischen Studenten. „Das Studium dort ist sehr verschult, die Hochschule EEIGM vergleichsweise klein und familiär. Am Anfang fand ich es ganz schön anstrengend mit der Sprache im Alltag, aber es war ungemein spannend. In der Großregion habe ich mich gleich wohl gefühlt. Ich wusste: Hier bin ich richtig.“ Für seine Diplomarbeit forschte er mit in einem deutsch-französischen Projekt über Mineralwasser-Flaschen: Er untersuchte, was im Innern der Plastikflasche passiert, wenn sie statt wie üblich mit Luft, gleich mit Mineralwasser in ihre Form gebracht wird. Dieses Verfahren, das Herstellern viel Geld sparen kann, ist inzwischen patentiert.
Nach dem Doppel-Abschluss folgte die Doppel-Doktorarbeit in Saarbrücken und Metz. Schöneich befasste sich hier auch inhaltlich mit Grenzflächen: diesmal in Werkstoffen. Er entwickelte ein Verfahren, das Spritzguss-Bauteile etwa für Autos oder Flugzeuge – vom Stoßfänger bis zur Gurthalterung – leichter, belastbarer und günstiger macht. Die Industrie kann damit die Eigenschaften von Verbund-Kunststoffen vorab simulieren und Bauteile ganz nach Bedarf maßschneidern. Mit dem Spritzguss-Verfahren lassen sich diese in jede beliebige Form bringen. Der geschmolzene Werkstoff wird mit Druck in die Form eingespritzt und härtet anschließend aus. „Ich habe erforscht, welche Mechanismen in kurzfaserverstärkten Kunststoffen ablaufen und wie diese die Eigenschaften des Werkstoffs beeinflussen“, erklärt der Werkstoffwissenschaftler. Bei solchen Kunststoffen werden Fasern zum Beispiel aus Glas beigemengt.
Ob ein Werkstoff leicht ist oder schwer, steif oder biegsam, wird durch seine Mikrostruktur beeinflusst: Kleinste Änderungen in Größenordnungen, die nur über hochauflösende Mikroskope sichtbar sind, haben Auswirkungen im großen Ganzen. Schöneich hat in seiner Doktorarbeit die nur wenige hundert Nanometer dünne Grenzschicht zwischen den Fasern und dem Kunststoff genauer unter die „Lupe“ genommen und untersucht, wie diese die Eigenschaften des gesamten Verbundwerkstoffs und somit des Bauteils ändert. Sein Modell macht erstmals sichtbar, wie der Kunststoff sich ändert, wenn man an den Parametern „dreht“. „Wer genau weiß und steuern kann, was im Werkstoff abläuft, kann günstiger und besser produzieren“, erklärt er. Für die beste Doktorarbeit in der Kunststofftechnik erhielt Schöneich 2017 den mit 5000 Euro dotierten Wilfried-Ensinger-Preis.
EEIGM ist auf jeden Fall ein echter Geheimtipp.
Marc Schöneich
Nach einem Forschungsaufenthalt an der TU Dortmund, wo sein Doktorvater Professor Markus Stommel hin wechselte, kam der Werkstoffforscher jetzt wieder ins Saarland: ans Leibniz-Institut für Neue Materialien INM auf dem Saarbrücker Campus. Hierfür schlug er lukrative Angebote aus anderen Bundesländern aus. „Das INM ist ein international renommiertes Zentrum für Materialforschung, hier kann ich an Spitzenforschung mitarbeiten. Der Uni-Campus ist einer der führenden deutschen Forschungsstandorte für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik. Und: Ich wollte wieder in die Großregion, hier fühle ich mich zuhause“, zählt er auf.
Von hier aus wird er sich wie bisher als Alumni-Programmverantwortlicher für seinen EEIGM-Studiengang engagieren und so weiter für einen grenzüberschreitenden Austausch einstehen. „Die Zeit in Nancy hat mir viel Spaß gemacht und mich sehr geprägt. Ich habe viel gelernt und das will ich als Alumnus gerne wieder zurückgeben.“ Daher kümmerte er sich um Projekte für Bachelorarbeiten an den Lehrstühlen, er netzwerkt, hält Vorträge, betreut Studenten. So gibt also Marc Schöneich heute selbst Geheimtipps weiter – natürlich auch den mit dem Barmann. „Ich will dazu beitragen, dass noch mehr Studenten auf den Studiengang aufmerksam werden. EEIGM ist auf jeden Fall ein echter Geheimtipp.“
Der Wissenschaftliche Arbeitskreis der Universitäts-Professoren der Kunststofftechnik hat Marc Schöneich für seine Doktorarbeit mit dem Wilfried-Ensinger-Preis 2017 ausgezeichnet. Der Arbeitskreis prämiert jährlich die besten wissenschaftlichen Arbeiten der Kunststofftechnik. Der Wilfried-Ensinger-Preis „für die Entwicklung und Beschreibung technischer Kunststoffe für innovative Anwendungen“ ist dotiert mit 5000 Euro.
Auch die Deutsch Französische Hochschule unterstützte Schöneichs Forschungen mit Mobilitätszuschüssen.
Für seine Forschungen im Rahmen seiner deutsch-französischen Doktorarbeit (Cotutelle de thèse) arbeitete Marc Schöneich bei Professor Markus Stommel an der Universität des Saarlandes und der Technischen Universität Dortmund, der seine Arbeit von deutscher Seite betreute, Zweitbetreuer war Professor Dirk Bähre von der Saar-Uni. Auf französischer Seite arbeitete Schöneich mit Stéphane Berbenni und Hafid Sabar (Université de Lorraine, Metz) zusammen.
Mehr Informationen zu Schöneichs Forschung gibt es hier

Neben den internationalen Austauschprogrammen gibt es an der Saar-Uni ein großes Angebot an internationalen Studiengängen: 30 sind es insgesamt, 25 davon mit Doppel- oder Mehrfachabschluss. Rund 2.000 Studentinnen und Studenten studieren derzeit international.
Infos zum internationalen Studium
Infos zu Studium und Praktikum mit Frankreichbezug
Infos zur Universität der Großregion: grenzüberschreitend studieren und forschen im Netzwerk von sechs Unis in vier Ländern

In der Saarbrücker Materialwissenschaft und Werkstofftechnik können Studenten zwischen internationalen Studiengängen wie „Atlantis“, „EEIGM“ und „Amase“ wählen oder das nationale Bachelor- und Masterprogramm studieren. Auch ein Studiengang Materialchemie ist im Angebot. Mit Docmase (PhD) gibt es ein Angebot zur Doppel-Promotion. Die europäische Schule für Materialforschung (Eusmat) koordiniert alle internationalen Studiengänge an der Saar-Uni. Eusmat bietet zum Beispiel mit dem Masterprogramm „Amase“ ein zweisprachiges Studium wahlweise in den Sprachen Englisch, Spanisch, Deutsch und Französisch an, das im Verbund mit Lulea in Schweden, Barcelona und Nancy jeweils einen Doppelabschluss ermöglicht.
Infos zu allen internationalen Studiengängen der Fachrichtung gibt es hier

Die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik der Saar-Uni zählt mit über 300 Wissenschaftlern zu den Top Fünf der deutschen Forschungsstandorte auf diesem Gebiet. Auf dem Campus befinden sich außerdem das Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren, das Leibniz Institut für neue Materialien und das Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik, die eng mit der universitären Forschung vernetzt sind.
- Bilder Fotos Marc Schöneich: Claudia Ehrlich Foto Preis: WAK Foto Schilder: Fotolia/3DWeave Foto Materialwissenschaft (unten): Oliver Dietze Foto Materialwissenschaft (oben): Michael Ehrhardt