
Ute Mücklich-Heinrich unterstützt Frauen unter anderem auch dabei, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
„Wir brauchen ein neues System echter Gleichberechtigung“
Ute Mücklich-Heinrich (umh Consulting) hilft Firmen, ihre Kommunikationsprozesse zu verbessern und Persönlichkeiten zu entwickeln. Über 8000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben inzwischen bundesweit ihre Seminare besucht. Das Bundeswirtschaftsministerium zeichnete die Kommunikationsexpertin 2014 als „Vorbild-Unternehmerin“ aus: Mit Veranstaltungen und Workshops unterstützt sie seit Jahren ehrenamtlich Frauen dabei, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Im Rahmen eines Lehrauftrags an der Universität des Saarlandes vermittelt sie angehenden Ingenieurinnen und Ingenieuren, warum es wichtig ist, neben dem Fachwissen auch die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, wie das gelingt und wie man erfolgreich kommuniziert.
campus: Frau Mücklich-Heinrich, nach wie vor ist der Frauenanteil in den Führungsetagen von Wirtschaft wie Wissenschaft viel zu niedrig. Das Bewusstsein, dass sich etwas ändern muss, wächst. Aber die Sache kommt nicht in Fahrt. Wo hakt es denn?
Ute Mücklich-Heinrich: Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Alte gesellschaftliche Systeme funktionieren nicht mehr und neue Systeme noch nicht. Ein Beispiel: Frauen haben sehr oft neben dem Job das komplette Management zu Hause zu stemmen. Da gibt es häufig kein wirkliches Teilen der Aufgaben. Männer sind gewohnt, den Rücken für den Job frei zu haben. Sie unterstützen zwar, zuständig bleiben aber grundsätzlich die Frauen. Auch tickt die Arbeitswelt heute noch nach der alten Zeit. Das zeigt sich deutlich, wenn in einer Firma Sitzungen um 16 Uhr anberaumt werden. Das passt nicht, wenn Kinder da sind. Unsere Gesellschaft ist in vielen Bereichen noch zu sehr in alten Mustern verwurzelt.
campus: Und das schafft Probleme…
Ute Mücklich-Heinrich: Ich erlebe in meinen Seminaren und Coachings immer wieder, dass ambitionierte Frauen in Führungsetagen Job und Familie unter einen Hut bringen wollen. Sie arbeiten dabei sehr oft am Limit und schaffen es dann nicht, die nötige Lockerheit zu bewahren. Viele geraten dadurch in eine Überlastungsfalle oder stehen sogar kurz vor einem Burnout.
Foto: umh/PrismaDie Evolution hat Männer und Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit als Erfolgsmodell und Ur-Team hervorgebracht. Hierbei hat sich die Natur doch etwas gedacht – warum sollten Unternehmen das nicht gezielt nutzen?
Ute Mücklich-Heinrich
campus: Was kann aus Ihrer Sicht getan werden, um etwas zu ändern?
Ute Mücklich-Heinrich: Was wir brauchen, ist ein neues System echter Gleichberechtigung. Dafür muss sich tiefgreifend etwas ändern. Unsere Gesellschaft muss die Rahmenbedingungen schaffen dafür, dass Frauen wie Männer auf eigenen Füßen stehen können und Kinder willkommen sind. Dass es geht, zeigen uns die nordischen Länder. Die Signale, die der Staat bei uns aktuell aussendet, sind aber noch andere: Das Ehegattensplitting belohnt finanziell Paare, bei denen die Frau zuhause bleibt. Anders etwa in Schweden: Dort werden Paare steuerlich begünstigt, wenn beide arbeiten. Hinzu kommen bei uns die hohen Kosten für Kinderbetreuung, die bei niedrigeren Einkommen den Lohn wieder aufzehren können. Auch muss endlich gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dass Frauen bei gleichwertiger Arbeit immer noch deutlich weniger als Männer verdienen, ist nicht akzeptabel.
campus: Das heißt, wir brauchen generell ein Umdenken in Gesellschaft, Unternehmen, Universitäten?
Ute Mücklich-Heinrich: Ja, wir brauchen einen neuen gesellschaftlichen Ansatz. Es muss sich in den Grundeinstellungen etwas ändern. Wir brauchen dafür sichtbare positive Rollenmodelle und mehr erfolgreiche Frauen als Vorbilder. Frauen sollten kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen, wenn sie Beruf und Familie in Einklang bringen. Den abwertenden Begriff der „Rabenmutter“ gibt es nur in Deutschland, ist das nicht erstaunlich? Wir brauchen außerdem klare Zielvereinbarungen und Personalentwicklung für Frauen in Unternehmen. Und: Wir sollten uns vom ständigen Präsenzzwang verabschieden und flexiblere Zeit-Modelle zulassen. Auf jeden Fall brauchen wir eine Kinderbetreuung auf hohem Niveau. Solange sich Frauen zwischen Beruf und Familie entscheiden müssen, wird die „Schieflage“ bleiben.
Viele junge Männer sprechen sich heute für mehr aktive Zeit mit der Familie aus. Ein entsprechendes Angebot der Unternehmen kann ein echter Vorteil im Wettbewerb um die besten Bewerber sein.
campus: Brauchen wir eine Quote?
Ute Mücklich-Heinrich: Eigentlich bin ich nicht für die Quote aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass freiwillige Verpflichtungen der Wirtschaft keine sichtbaren Veränderungen gebracht haben. Deshalb glaube ich, dass wir zunächst eine Quote brauchen, um die „gläserne“ Decke zu durchstoßen, damit Frauen in der größtenteils männlich geprägten Gesellschaft ihren Platz finden können – als Anschub, bis die Vorteile gemischter Teams deutlich werden und sich durchsetzen.
campus: Müsste der Druck nicht auch mehr aus der Wirtschaft selbst kommen?
Ute Mücklich-Heinrich: Absolut. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen bald in Ruhestand – unsere Gesellschaft kann es sich deshalb in Zukunft nicht leisten, auf die Arbeitskraft der gut ausgebildeten Frauen zu verzichten. Die Akademie der Wissenschaften prognostiziert in den nächsten Jahren einen erheblichen Fachkräftemangel, der nur teilweise durch die Digitalisierung kompensiert werden kann. Aus der Berufstätigkeit der Frau ergeben sich noch weitere Vorteile für Männer und Frauen und letztlich immer wieder auch für Unternehmen. Durch die aktuellen Scheidungsgesetze ist eine Ehe heute kein Garant mehr für eine lebenslange Versorgung der Frau. „Einmal Chefarzt-Gattin – immer Chefarzt-Gattin“: Das ist vorbei. Deshalb ist es erstrebenswert, dass Frauen finanziell unabhängig sind und eine eigene Altersversorgung haben. Es ist auch für die Männer eine Entlastung, wenn der „Karren“ in einer Beziehung von zweien gezogen wird. Viele junge Männer sprechen sich heute für mehr aktive Zeit mit der Familie aus. Sie wollen Ihre Kinder im Alltag erleben und heranwachsen sehen. Ein entsprechendes Angebot der Unternehmen kann ein echter Vorteil im Wettbewerb um die besten Bewerber sein.
campus: Sie haben im Rahmen einer Veranstaltung der Universitätsgesellschaft des Saarlandes einen Vortrag gehalten über „Männer und Frauen - was sie zu erfolgreichen Teams in der Wirtschaft macht“. Wo liegt denn das Erfolgsgeheimnis?
Ute Mücklich-Heinrich: Die Evolution hat Männer und Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit als Erfolgsmodell und Ur-Team hervorgebracht. Hierbei hat sich die Natur doch etwas gedacht – warum sollten Unternehmen das nicht gezielt nutzen?
campus: Also macht die richtige Zusammensetzung aus Männern und Frauen ein gutes Team aus?
Ute Mücklich-Heinrich: Genauso ist es. Ein Beispiel: Ein neues Schlagwort ist der Organisations- und Führungsansatz Ambidextrie. Das bedeutet, dass Unternehmen heute innovativ sein müssen, aber trotzdem das Kerngeschäft am Laufen halten müssen. Das ist nicht einfach. Bei den traditionellen Strukturen haben wir eine Top-Down-Kommunikation nach dem Prinzip Demand & Control. Das reicht in Zukunft nicht mehr aus. In den innovativen Bereichen geht es nämlich eher um gelenkte (Kommunikation) Moderation. Hier kommen typisch weibliche Verhaltensmuster voll zu Geltung. Frauen interessieren sich für die Menschen in Systemen, Männer eher für die Macht. In der Studie „Global Leadership Forecast“ wurden 2018 1000 CEOs und 25.000 Führungskräfte weltweit zu den Herausforderungen der nächsten Jahre befragt. Die Mehrheit war sich einig, dass es darum gehen wird, neue Führungskräfte zu entwickeln sowie erforderliche Talente zu rekrutieren. Es ist also in Zukunft entscheidend, auf Menschen und Mitarbeiter zu fokussieren. Hier können sich weibliche und männliche Verhaltensmuster in idealer Weise ergänzen.
Wir brauchen dringend mehr Weiblichkeit in Führungsetagen. Wichtig ist, dass sich die Frauen Ihrer Stärken bewusstwerden und diese auch einsetzen.
campus: Warum setzen sich Frauen im Berufsalltag oft weniger durch? Und was können sie dagegen tun?
Ute Mücklich-Heinrich: Es gibt Eigenschaften, mit denen sich Frauen selbst im Wege stehen. Wir brauchen dringend eine gezielte Frauenförderung, die hierzu aufklärt und entwickelt. Da ist zum Beispiel die „fragwürdige“ Bescheidenheit. Wird ein Mann gefragt: „Machst Du diesen (höheren) Job?“, sagt der Mann: „Klar Chef, mache ich“. Was er heute nicht kann, das wird er morgen können. Fragt der Chef die Frau, sagt sie: „Meinst Du, ich kann das? Ich habe überhaupt keine Erfahrung“. Frauen sind oft auf Harmonie, Konsens und Gleichheit ausgelegt. In meinen Coachings berichten mir Frauen, dass sie in einer Sitzung einen Vorschlag machen und keiner reagiert. Ein paar Minuten später macht ein Mann den gleichen Vorschlag und alle sind begeistert. Was ist passiert? Männer sind stark hierarchisch aufgestellt. Ein Mann fokussiert mit seinem Vorschlag direkt auf den Chef. Reagiert dieser, schließen sich alle anderen an. Die Frau kommuniziert in die Runde, um alle mit einzubinden. Der Chef fühlt sich nicht angesprochen, zeigt keine Reaktion und alle anderen auch nicht. Es sind aber auch alte Rollenbilder, die den Frauen schaden. So gibt es Studien, die belegen, dass eine Frau, die ihr Gehalt verhandelt, fünfmal öfter nicht eingestellt wird als ein Mann, der sein Gehalt verhandelt. Leider ist auch immer wieder zu beobachten, dass sich Frauen gegenseitig blockieren. So kam eine Studie des niederländischen Forschers und Professors für Sozialpsychologie Abraham Bruns über Neid und Missgunst am Arbeitsplatz zum Ergebnis, dass Frauen verstärkt missgünstig auf hübsche Kolleginnen reagieren und diese aus der Gemeinschaft ausschließen. Hier brauchen wir ein anderes Bewusstsein füreinander.
campus: Muss Frau sich wie ein Mann verhalten, um Erfolg zu haben?
Ute Mücklich-Heinrich: Ganz im Gegenteil. Wir brauchen dringend mehr Weiblichkeit in Führungsetagen. Wichtig ist, dass sich die Frauen Ihrer Stärken bewusstwerden und diese auch einsetzen. Nur wer authentisch ist, kann auf Dauer auch erfolgreich sein. Hierzu bringe ich gerne das Beispiel vom Pinguin. Sie können einen Pinguin auf Land trainieren bis zum Gehtnichtmehr – er wird nie ein schneller Sprinter. Aber im Wasser ist er der Star. Wenn Gesellschaft und Wirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen setzen, haben Frauen eine echte Chance im Arbeitsleben.
Ute Mücklich-Heinrich fördert als Stifterin die Universitätsgesellschaft des Saarlandes. Das kleine Foto zeigt sie bei einem Vortrag, den sie im Rahmen eines Stiftertreffens Ende 2018 gehalten hat. Ihr Vortragsthema: „Männer und Frauen - was sie zu erfolgreichen Teams in der Wirtschaft macht“.
Die Universitätsgesellschaft des Saarlandes will Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Studentinnen und Studenten der Saar-Uni mit Ehemaligen (Alumni) und Förderern in intensiven Kontakt bringen. Sie unterstützt vor allem Studentinnen und Studenten und den wissenschaftlichen Nachwuchs bei ihren Projekten und fördert das akademische Leben im Saarland. Mehr
Eine Video-Botschaft von Stifterin Ute Mücklich-Heinrich zur Universitätsgesellschaft finden Sie hier
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- Bilder Titel-Foto: umh/Christine Funk Foto: umh/Prisma