
Guido Grohmann vor dem Saarbrücker Firmensitz der Uhrenmanufaktur Nivrel.
Gut Ding will Weile haben
Disziplin, Fleiß und Durchhaltevermögen waren es, die ihn den steilen Weg erklimmen ließen. Seine Leidenschaft hingegen hat Guido Grohmann die Richtung auf den Weg an die Spitze des Bundesverbandes Schmuck und Uhren, dessen Hauptgeschäftsführer er seit Anfang 2017 ist, erst gewiesen. Allerdings war es nicht seine Leidenschaft für Uhren oder Schmuck, die ihn zum Branchenverband brachten. Vielmehr wurde die Grundlage für diesen Weg gelegt, als er seine heutige Partnerin kennenlernte.
„Uhren haben mir immer gefallen, auch wenn ich vorher gar nichts über sie wusste, wie mir später klar wurde“, sagt Guido Grohmann heute. „Früher“ und „später“ beziehen sich auf die Zeiten, bevor er seine Partnerin Anja Hofer kennengelernt hatte, und auf die Zeiten danach, insbesondere auf die Zeiten, in denen er ins Unternehmen der Familie Hofer eingestiegen ist. Denn die Gerd Hofer GmbH aus Saarbrücken löst unter so manchen Uhrenfreunden ehrfürchtiges Raunen aus, genauso, wie ein Autofreund ins Schwärmen gerät, wenn er etwa von einer kleinen, aber prestigeträchtigen Marke wie Bugatti hört. Die Saarbrücker bieten unter dem Markennamen Nivrel handgefertigte, mechanische Uhren an, die, ähnlich wie die edlen Automobile, zu Stückzahlen produziert und Preisen verkauft werden, die mit einem Massenprodukt wie einem VW Polo nicht mehr viel gemeinsam haben.
Dabei deutete der Werdegang von Guido Grohmann bis Anfang der 2000er Jahre gar nicht in diese Richtung. Der gebürtige Schwabe ist per „Kinderlandverschickung“, wie die damalige Zuweisung über die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) liebevoll verballhornt wurde, ins Saarland zum BWL-Studium gekommen. Das war 1997. „Seit dem zweiten Semester war ich bei August-Wilhelm Scheer als Hiwi am Institut für Wirtschaftsinformatik, nach dem Studium habe ich 2001 als Assistent an seinem Lehrstuhl und am DFKI weitergearbeitet“, erinnert sich Guido Grohmann, der seinem Mentor auch nach seiner Promotion 2005 treu blieb und in der Scheer-Softwareschmiede IMC als Produktmanager die Lernplattform „CLIX“ vermarktete.
Inmitten dieser Zeit, während der Promotion am Lehrstuhl, hat er seine heutige Lebensgefährtin Anja Hofer kennengelernt, die ebenfalls bei Professor Scheer (und später Professor Loos) promovierte. 2007 stiegen sie und Guido Grohmann ins Uhrengeschäft der Familie Hofer ein, deren weiterer Zweig in fünfter Generation den Saarbrücker Traditions-Juwelier Kraemer führt. „Am Anfang, nach dem Tod von Anjas Vater, waren wir uns gar nicht sicher, ob wir die Firma langfristig weiterbetreiben wollen“, erinnert sich Guido Grohmann. „Aber zehn Jahre später waren wir immer noch da.“ Schließlich hält nichts länger als ein Provisorium.
In diesen zehn Jahren hat Guido Grohmann das Uhrenbusiness im Detail kennengelernt und auch ein persönliches Faible für die handgefertigten Kunstwerke fürs Handgelenk entwickelt. Mit romantischen Gefühlen blickt er aber nach wie vor nicht auf sein Geschäft: „Die Uhrenbranche funktioniert wie jede andere Industriebranche“, stellt er fest. „Wir brauchen Finanzer, Entwickler, Controller, Vermarkter, es gibt Zulieferer und Produktionsbetriebe. Das ist nichts anderes als in der Automobilbranche, nur sehr viel kleiner.“ Und genau wie in der deutschen Leitindustrie ist auch die Uhren- und Schmuckindustrie längst in der Globalisierung angekommen. „Eine Uhr für 200 Euro komplett in Deutschland herzustellen, ist schlicht unmöglich. Dafür sind die Lohnkosten und auch viele Teile schlicht zu teuer.“ Stangenware kommt daher meistens aus den Billiglohnländern in Asien oder Osteuropa. „Wir können nur mit Qualität punkten, wenn wir in Deutschland fertigen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Grohmann, der den Posten Anfang 2017 hauptamtlich übernahm, als seine Vorgängerin sich zurückzog.
Die größten Unternehmen, die wir vertreten, haben vielleicht 600, 700 Mitarbeiter. In anderen Branchen zählen die gerade so zum Mittelstand. Bei uns sind das die Branchengrößen
Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Schmuck und Uhren
Natürlich ist der Bundesverband Schmuck und Uhren ein Industrieverband, der die Interessen seiner rund 170 deutschen Mitgliedsunternehmen vertritt und zum Beispiel dafür sorgt, dass neue EU-Richtlinien, aktuell etwa die Datenschutzverordnung, für die Unternehmen möglichst geräuschlos in den Geschäftsablauf integriert werden können. In Baden-Württemberg, wo der Verband in der deutschen Schmuckhochburg Pforzheim residiert, hat der Verband darüber hinaus Arbeitgeberfunktion und verhandelt Tarifverträge mit den Arbeitnehmervertretungen aus. Neben Giganten wie dem Verband der Automobilindustrie oder dem Verband der Chemischen Industrie geht’s im Bundesverband Schmuck und Uhren aber eher familiär zu. „Die größten Unternehmen, die wir vertreten, haben vielleicht 600, 700 Mitarbeiter. In anderen Branchen zählen die gerade so zum Mittelstand. Bei uns sind das die Branchengrößen“, vergleicht Guido Grohmann, dessen vorheriger Arbeitgeber Nivrel mit gerade einmal sechs Mitarbeitern seine Uhren-Meisterwerke fertigt. Womöglich sind es gerade diese Umwege, diese Mischung aus Leidenschaft und kaufmännischer Nüchternheit und Disziplin, die Guido Grohmann an die Spitze des Industrieverbandes gebracht haben und die ihm viel abverlangt haben: „Fleiß und lange, harte Arbeit mit vielen Höhen und Tiefen waren und sind die Basis jeden Erfolges.“
Vom Software-Vermarkter über den Chefsessel einer kleinen, feinen Uhrenmanufaktur bis zum Verbandschef ist es schließlich nicht unbedingt ein gerader Weg. Aber die hat Guido Grohmann auch im Studium nie beschritten. „Mindestens 50 Prozent dessen, was ich heute im Geschäft brauche, habe ich außerhalb des eigentlichen Studiums mitgenommen“, erklärt der 42-Jährige. Viel dazu beigetragen hat auch August-Wilhelm Scheer, der ihn gelehrt hat, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Nach der Hälfte seiner Vorlesungen hat der Professor und Unternehmer das Skript regelmäßig zur Seite gelegt und den Studentinnen und Studenten aus seiner Berufspraxis erzählt. „Das war mindestens so wertvoll wie die fachlichen Dinge“, weiß Guido Grohmann, der als wissenschaftlicher Assistent, Berufseinsteiger und Jungunternehmer dieselben Erfahrungen gemacht hat. „Die Praxis lehrt einen viele Dinge, die man nicht lernt, wenn man nur Fachwissen lernt. Auf Deutsch: Man muss auch mal auf die Schnauze fliegen, um laufen zu lernen.“
Und als „Laufstall“ war das Saarland für den Schwaben das ideale Gebiet. „Letzten Endes bin ich sehr glücklich, dass ich an die Saar-Uni gekommen bin, weil wir hier ein echtes Campus-Leben haben. Mein bester Schulfreund hat in Tübingen Medizin studiert und ist immer quer durch die Stadt gehetzt. Das hätte mir nicht gefallen“, blickt Guido Grohmann zurück.
Außerdem hat er hier ja seine Frau kennengelernt und durch sie auch seine Leidenschaft für edle Uhren entdeckt. Anders als es Karrierefibeln und Heerscharen von Beratern postulieren, sind es manchmal auch die verschlungenen, ungeplanten Pfade, die zum Erfolg führen. Wie in Guido Grohmanns Fall sind es Gelegenheiten, die es zu nutzen gilt, Zufälle – und natürlich Leidenschaft, Durchhaltevermögen und Fleiß. Dann ist der Weg sicherlich auch der richtige, auch wenn er nicht der geradeste ist.
Über die Firmengeschichte und die Kollektionen der Uhrenmanufaktur Nivrel gibt es Informationen auf der Webseite des Unternehmens: www.nivrel.com.
Der Bundesverband Schmuck und Uhren ist unter www.bv-schmuck-uhren.de zu erreichen.
Guido Grohmann führt unter www.saarbruecker-geschichten.de überdies ein privates Blog, das er als leidenschaftlicher Wahl-Saarbrücker mit Fotos und Geschichte(n) von und über Saarbrücken illustriert.
- Bilder Thorsten Mohr