Fotos: Europa-Institut
70 Jahre Europa-Institut

Für immer "Ever"

Ever – der Name der Ehemaligen-Vereinigung des Europa-Instituts Rechtswissenschaft ist seit 25 Jahren Programm: Wer hier studiert hat, bleibt in der Regel auf ewig verbunden und verwurzelt. Die Folge ist ein eng gewebtes Netz von Alumni in aller Welt, die Kontakt halten, sich austauschen und den Nachwuchs fördern. Viele geben ihre Expertise weiter, helfen Studierenden, ihre Ziele zu verwirklichen – und werden lebenslang zu Botschaftern fürs Europa-Institut.
Von Claudia Ehrlich • 15.07.2021

In alle Welt verstreut sind sie, die inzwischen 5.500 Absolventinnen und Absolventen des Europa-Instituts. Da sind EU-Parlamentarier, Mitglieder der EU-Kommission, von Botschaften und Ministerien, Richterinnen und Richter, Diplomatinnen und Diplomaten oder Top-Kräfte in großen Kanzleien und Unternehmen. Wer Ambitionen auf internationalem Parkett hegt, später für die EU in Brüssel, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg oder im diplomatischen Dienst von New York bis Tokio arbeiten will, für den ist das Europa-Institut der Universität des Saarlandes eine gute Adresse.

Das seit 70 Jahren auf dem Saarbrücker Campus beheimatete Institut ist vom europäischen Akteur zum Global Player aufgestiegen. Es gilt als Talentschmiede für internationale Juristerei: Das Masterstudium im Europäischen und Internationalen Recht der „International Law School“, wie sich die Sektion Rechtswissenschaft des Instituts heute nennt, hat weltweiten Ruf. Jedes Jahr kommen aufs Neue 75 Studierende aus aller Welt, um das einjährige Masterprogramm mit LL.M.-Abschluss zu absolvieren. Die meisten sind Juristinnen und Juristen mit abgeschlossenem Studium, aber auch Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler anderer Fächer wie Wirtschafts- oder Geisteswissenschaften sind darunter.

Portrait Schäffner: privat

Viele empfinden ihre Zeit am Europa-Institut als prägend für ihr ganzes Leben.

Juristin Claudia Schäffner, Vorsitzende der Alumni-Vereinigung Ever

Auch nach ihrem Studium bleiben sie dem Europa-Institut verbunden, über 700 von ihnen sind Mitglieder der Alumni-Vereinigung Ever, die seit nun 25 Jahren besteht. „Etwa die Hälfte unserer Mitglieder kommt aus Deutschland, die andere Hälfte aus allen Teilen des Globus – wir haben nachgezählt und kamen auf mehr als 60 Länder“, sagt Juristin Claudia Schäffner, stellvertretende Geschäftsführerin am Europa-Institut und seit Jahren Ever-Vorsitzende. Räumliche Entfernung kann der Verbundenheit nichts anhaben. „Viele empfinden ihre Zeit am Europa-Institut als prägend für ihr ganzes Leben. Sie wollen in Verbindung bleiben, wollen auch weiterhin teilhaben daran, was am Europa-Institut passiert“, erläutert sie.

So auch Eileen Fuchs, die hier studiert, als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin gearbeitet hat und heute im Ever-Vorstand engagiert ist. „Ich habe so viele Menschen aus den verschiedensten Ländern und mit den unterschiedlichsten Hintergründen kennengelernt, das war mein Fenster zur Welt“, sagt die heutige Referatsleiterin für Digitalpolitik im Bundesinnenministerium. „Es war ein großartiges Miteinander, sowohl unter den Studierenden als auch mit dem Team am Institut. Wir waren eine große Familie, und hatten viel Spaß zusammen – auf Festen, Studienreisen, in Seminaren und Moot Courts. Es war wirklich eine wunderbare Zeit“, erinnert sie sich. „Viele Freundschaften sind geblieben. Und ich finde auch immer wieder alte Bekannte aus ´EI-Zeiten` in Berlin – das verbindet“, sagt Fuchs.

Portrait Fuchs: privat

Ich habe so viele Menschen aus den verschiedensten Ländern und mit den unterschiedlichsten Hintergründen kennengelernt, das war mein Fenster zur Welt.

Eileen Fuchs, Referatsleiterin für Digitalpolitik im Bundesinnenministerium

Auch der „nach Außenminister Heiko Maas fraglos einflussreichste Saarländer im politischen Auslands-Dienst“, wie die Saarbrücker Zeitung Professor Pascal Hector bezeichnete, kann das bestätigen. Hector ist Gesandter an der deutschen Botschaft in Paris und seit Jahren der ständige Vertreter des Botschafters. Demnächst geht er nach Kopenhagen: als deutscher Botschafter in Dänemark. „Am Europa-Institut habe ich den europäischen Gedanken und das Völkerrecht kennen gelernt, die später meinen Berufsweg bestimmt haben“, sagt der Diplomat. Für alle Jura-Studierenden, die wie er früh beruflich internationale Ambitionen haben, hat er einen Tipp: Schon im Jura-Studium kam er ans Europa-Institut – obwohl man sich für den LL.M. eigentlich erst nach dem Hochschulabschluss einschreiben kann. „Den Besuch der Vorlesungen und sogar einzelne Klausuren bietet das Europa-Institut den Saarbrücker Studierenden bereits auch im Grundstudium an. Ich habe mich damals in die Vorlesungen eingeschrieben, erst in ein oder zwei, dann in immer mehr, bis ich einen Großteil des Programms schon absolviert hatte, als ich mich dann endlich nach dem ersten Staatsexamen formell einschreiben konnte. Heute erfolgt dies im Rahmen eines Zertifikats im Europäischen und Internationalen Recht“, sagt Hector. Die Studierenden an der hiesigen Rechtswissenschaftlichen Fakultät können das sogenannte EIuS-Zertifikat erwerben und ihre darin erbrachten Leistungen später für den LL.M. anrechnen lassen.

 

Saarbrücker Jura-Studierende können auch schon vor dem Examen ans Europa-Institut

 

Wie Pascal Hector kommen viele der Alumni zurück ans Institut, um hier ihr Wissen weiterzugeben. „Viele wollen etwas zurückgeben und der neuen Generation von Studierenden bei ihrem Weg helfen“, sagt Claudia Schäffner. Daher zählen zu den mehr als 70 Dozentinnen und Dozenten aus Wissenschaft und Praxis auch viele Ehemalige. „Das Europa-Institut ist eine einzigartige Plattform, auf der die Praktiker des Europarechts und der Europapolitik aus Brüssel, Luxemburg, Straßburg oder anderen Hauptstädten ihre tagtäglichen, konkreten Erfahrungen, wie die Europäische Union tatsächlich funktioniert, an junge Menschen, die Gestalter des Europa von morgen, weitergeben können“, sagt Pascal Hector. Seit über 25 Jahren hält er selbst Vorlesungen. Er hat viel weiterzugeben: Bevor er nach Paris ging, war er unter anderem als deutsches Mitglied im Redaktionsausschuss für den Vertrag über eine Verfassung für Europa eingebunden, der später zum Vertrag von Lissabon wurde.

Portrait Fuchs: privat

Das Europa-Institut ist eine einzigartige Plattform, auf der die Praktiker des Europarechts und der Europapolitik ihre tagtäglichen, konkreten Erfahrungen, wie die EU tatsächlich funktioniert, an junge Menschen, die Gestalter des Europa von morgen, weitergeben können.

Professor Pascal Hector, derzeit Gesandter an der deutschen Botschaft in Paris, demnächst Botschafter in Kopenhagen

Die Studentinnen und Studenten lernen am Europa-Institut aus erster Hand. „Der Kontakt mit den Dozentinnen und Dozenten aus den Institutionen, die aus ihrem Alltag erzählten und so die Rechtsvorschriften, aber auch den europäischen Gedanken lebendig werden ließen, war prägend für mich“, sagt Dr. Sibylle Seyr, heute Referatsleiterin im Juristischen Dienst des Europäischen Parlaments. Auch Seyr bringt ihre Praxiserfahrung ein: „Ich möchte den Studierenden die Begeisterung für Europa und das Bewusstsein für die großartigen Errungenschaften, die wir der EU verdanken, weitergeben. Indem ich ihnen aus meinem Alltag im Europäischen Parlament erzähle, hoffe ich, ihnen zu vermitteln, dass sich der Einsatz für die europäische Sache lohnt, auch wenn man manchmal Gegenwind zu spüren bekommt“, sagt sie.

Besonderes Highlight: Simulierter Gerichtsprozess am Europäischen Gerichtshof

Studierende des Europa-Instituts schlüpfen beim Moot Court am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg in die Roben oberster Richter und verhandeln einen Fall unter sehr realen Bedingungen: wie hier im Jahr 2014 Stefan Bucher, Susanne Kastantowicz (l) und Alena Rudakouskaya (r.)

Dr. Jean-Christophe Puffer-Mariette, bis zum Jahr 2020 Rechtsreferent am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und heute Mitglied des Juristischen Dienstes des Europäischen Parlaments in Straßburg, betont: „Von Dozentinnen und Dozenten lernen zu können, die sich in ihrer Tätigkeit mit Unionrecht und der europäischen Integration beschäftigten, war eine große Chance. Da ich mich nun selbst tagtäglich mit dem Unionsrecht befasse, geht es mir im Wesentlichen darum, meine Begeisterung für und meine Kenntnisse in diesem Rechtsgebiet weiterzugeben“, sagt er. Gemeinsam mit Sibylle Seyr und dem Team am Europa-Institut organisiert Puffer-Mariette auch ein besonderes Highlight für die Studierenden: den Moot-Court am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Studierende schlüpfen hier in die Rollen von Richtern, Generalanwälten und Anwälten und simulieren im Original-Sitzungssaal ein Gerichtsverfahren. Der Gerichtshof öffnet ihnen hierfür eigens seine heiligen Hallen - eine große Ehre: „Das ist für unsere Studierenden jedes Mal eine einzigartige Erfahrung, die sie nie wieder vergessen. Seit 22 Jahren findet dieser Moot Court nun statt. Unsere Honorarprofessorin Waltraud Hakenberg hatte hierfür den Weg geebnet", sagt Claudia Schäffner. Etliche Mitglieder des EuGH unterstützen dabei und spielen sogar mit: Etwa indem sie demonstrieren und die Sitzung stören, worauf die jungen „Richterinnen“ und „Richter“ angemessen reagieren müssen.

Portrait Seyr: privat

Indem ich den Studierenden aus meinem Alltag im Europäischen Parlament erzähle, hoffe ich, ihnen zu vermitteln, dass sich der Einsatz für die europäische Sache lohnt, auch wenn man manchmal Gegenwind zu spüren bekommt.

Dr. Sibylle Seyr, Referatsleiterin im Juristischen Dienst des Europäischen Parlaments

Auch bei weltweit ausgetragenen Moot-Courts – sozusagen Jura-„Weltmeisterschaften“, bei denen sich junge Juristinnen und Juristen messen – belegen die Studierendenteams regelmäßig vorderste Ränge. An der Universität Miami holten sie etwa 2019 den „Vize-Weltmeistertitel“, 2020 belegten sie Platz drei, auch beim Vis Moot in Wien sind Saarbrücker Studierende seit Jahren unter hunderten Jura-Fakultäten regelmäßig ganz vorn mit dabei.

 

Kurze Wege und offene Türen

 

Gerade die räumliche Nähe zu wichtigen Schaltstellen belebt das Studium am Europa-Institut: Die Wege nach Straßburg mit Europarat, EU-Parlament und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte, nach Luxemburg oder Brüssel als Hauptsitz der EU und Sitz der NATO sind kurz. So können Exkursionen und Austausch direkt vor Ort stattfinden. Alumni sind hierbei regelmäßig Türöffner. Neben ihrem fachlichen Wissen zeigen sie auf, wie ihre Lebenswege gelaufen sind, was sie vorangebracht hat, geben Tipps, wie und wo man sich bewerben kann. „Es ergibt sich hin und wieder die Gelegenheit, auf eine Stelle hinzuweisen, die interessant sein könnte“, sagt Jean-Christophe Puffer-Mariette. Das ganze Jahr bieten das Institut und Ever Veranstaltungen an, so organisieren sie auch für die Newcomer Stadtführung und Treffen. „Das war vor allem jetzt in Corona-Zeiten wichtig – wir haben vieles virtuell angeboten, damit sich die Studierenden heimisch fühlen. Corona hat ja einiges verändert – das Europa-Institut ist in normalen Zeiten viel mehr mit seinen Studierenden unterwegs“, sagt Claudia Schäffner.

Portrait Dr. Puffer-Mariette: privat

Von Dozentinnen und Dozenten lernen zu können, die sich in ihrer Tätigkeit mit Unionrecht und der europäischen Integration beschäftigten, war eine große Chance.

Dr. Jean-Christophe Puffer-Mariette, Mitglied des Juristischen Dienstes des Europäischen Parlaments, Straßburg

Mit einem Ever-Deutschlandstipendium fördern die Alumni besonders talentierte Studierende. In diesem Jahr ist dies die Spanierin Beatriz Solanas Huerta, die von der Universität Zaragoza nach Saarbrücken kam und später gerne für die EU oder eine internationale Organisation arbeiten würde. Den Tipp fürs LLM-Programm bekam sie von einer Professorin an ihrer Uni. „Ich habe auf der Website des Europa-Instituts einige Stipendienangebote gefunden und mich beworben. Ich bin sehr dankbar, dass Ever mein Förderer ist“, sagt sie. Das Masterprogramm erfülle ihre Erwartungen. „Auch während der Pandemie wird eine hohe Qualität der Ausbildung geboten“, sagt sie. Besonders gut sei auch die Möglichkeit, das Programm auf die eigenen Interessen und zukünftigen Karrierewünsche zuzuschneiden. „Ever hat im Laufe des Jahres viele Online-Veranstaltungen organisiert, wie Treffen mit Alumni oder Workshops und mehrere Vorträge etwa darüber, wie man sich bei den europäischen Institutionen bewirbt“, erzählt Beatriz Solanas Huerta. Sie freut sich heute schon darauf, selbst später mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen in Kontakt zu bleiben.

 

Vor allem auch die Alumni selbst profitieren vom lebenslangen Netzwerk

 

Nicht nur die Studierenden gewinnen durch das Netzwerk: Vor allem die Alumni selbst profitieren in allen Lebensphasen vom beständigen Austausch. Das Netz hält ein Leben lang zusammen. Gerade im Berufsleben sind die so geknüpften Beziehungen wertvoll. „Hier kann man auf kurzen Wegen auch fachliche Informationen austauschen, die einem schnell weiterhelfen“, sagt Claudia Schäffner. Gerade die Mischung aller Generationen macht den Austausch reizvoll. Daher organisiert Ever viele Aktivitäten, wie Netzwerktreffen in verschiedenen europäischen Ländern oder virtuelle Vortragsreihen. „Man muss übrigens auch nicht am Europa-Institut studiert haben, um bei Ever Mitglied und Teil des Netzwerks zu werden“, sagt Claudia Schäffner.

Und darum ist auch der Name des Alumni-Netzwerks im Wortsinn gemeint: Die Leidenschaft für den europäischen Gedanken verbindet die Ehemaligen des Europa-Instituts ein Leben lang. „Das Europa-Institut ist eine einzigartige Institution in Deutschland. Es steht wie kaum ein anderes Institut für den europäischen Geist und vermittelt diesen an Menschen, die sich für Europa stark machen und für die europäische Idee arbeiten wollen, sich einbringen wollen. Dies wollen wir auch über die Studienzeit hinaus mit unserem Alumni-Netzwerk stärken und das weltweite Netzwerk lebendig halten“, bringt es Alumna Eileen Fuchs auf den Punkt – wie viele ihrer Studienkolleginnen und -kollegen ist sie lebenslang – „for Ever“ – Botschafterin des Europa-Instituts.

Auch Karriere-Tipps gibt es von Alumni aus erster Hand - in Corona-Zeiten virtuell
Portrait Solanas Huerta: privat

 

"Ever hat im Laufe des Jahres viele Online-Veranstaltungen organisiert, wie Treffen mit Alumni oder Workshops und mehrere Vorträge etwa darüber, wie man sich bei den europäischen Institutionen bewirbt."

Beatriz Solanas Huerta, Ever-Deutschlandstipendiatin und aktuell Studentin am Europa-Institut

 

 

Der Screenshot zeigt ein solches virtuelles Ever-Event zu Karrierechancen in Europa.

Screenshot: Europa-Institut
Seit 70 Jahren besteht das Europa-Institut mit den Zweigen Recht und Wirtschaft auf dem Saarbrücker Campus.

Mit dem Ziel, die Verständigung zwischen den europäischen Völkern zu fördern und an der Gestaltung eines friedlichen Europas mitzuarbeiten, wurde 1951 das Europa-Institut der Universität des Saarlandes gegründet. Seit sieben Jahrzehnten steht das Institut im Drei-Länder-Eck Frankreich, Luxemburg und Deutschland für exzellente Ausbildung und Forschung in Europa und der Welt. Während zu Anfang europäische Fragen aus fachlich breiter, vor allem kulturwissenschaftlicher Perspektive im Mittelpunkt standen, bildeten sich im Laufe der Zeit zwei selbstständige Sektionen in Rechtswissenschaft auf der einen und Wirtschaftswissenschaft (campus-Artikel zum MBA-Studiengang European Management) auf der anderen Seite heraus, die heute als eigenständig geführte Institute kooperieren und international renommiert sind.

 

Bild Direktoren: Europa-Institut

Die Direktoren der Sektion Rechtswissenschaft des Europa-Instituts, Professor Marc Bungenberg (l.) und Professor Thomas Giegerich.

https://www.europainstitut.de

https://www.europainstitut.de/ever

https://www.europainstitut.de/70years

https://www.europainstitut.de/eius

Quellennachweis
  • Bilder
    Fotos: Europa-Institut

    Portrait Solanas Huerta: privat

    Screenshot: Europa-Institut

    Bild Direktoren: Europa-Institut

    Portrait Schäffner: privat

    Portrait Fuchs: privat

    Portrait Seyr: privat

    Portrait Dr. Puffer-Mariette: privat