
Die Kulisse der Flatirons sieht Christoph Kurz täglich. Sein Arbeitsplatz liegt direkt neben dem Ausläufer der Rocky Mountains.
Der Molekül-Fallensteller von Colorado
„Was mich an der Physik fasziniert, ist ihre Allgegenwart. Im täglichen Leben, unserer hochtechnisierten Gesellschaft, aber auch in der Natur erlaubt einem das Verständnis für Physik ein Verständnis für die Welt.“ Was klingt, wie eine poetische Liebeserklärung an seine Leidenschaft, meint Christoph Kurz wohl auch genau so. Der 32-jährige Saarländer hat sich von Kindesbeinen an für die Kräfte interessiert, die die Welt zusammenhalten. Seine Leidenschaft konnte er inzwischen zum Beruf machen, und dabei ist er nicht wenig erfolgreich gewesen: Sie hat ihm ein renommiertes Feodor-Lynen-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung eingebracht, in dessen Rahmen er nun seit zwei Jahren überdies an der Seite des Physik-Nobelpreisträgers von 2012, David Wineland – oder „Dave“, wie ihn seine Mitarbeiter amerikanisch-lässig nennen – im US-Bundesstaat Colorado forscht.
In dessen Arbeitsgruppe am National Institute of Standards and Technology (NIST), einer Regierungsbehörde, die auf deutscher Seite der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entspricht, erforscht Christoph Kurz, wie die Eigenschaften von Molekülen mittels Lichtteilchen effizienter untersucht werden können. Diese Molekülspektroskopie lässt sich mit Methoden der Quantenoptik um ein Vielfaches präziser gestalten als mit bislang gängigen Methoden. So könnten zum Beispiel die Klimaforschung und die Astrophysik vorangebracht werden, indem das Verständnis der Gase in der Atmosphäre und im Weltall verbessert werden könnte. Die US-Forscher konzentrieren sich dabei nicht, wie in gängigen Verfahren üblich, auf viele Moleküle, die sich aber schnell bewegen. Kurz und seine Kollegen in den USA picken sich ein einziges Molekül heraus und machen es in einer speziellen „Falle“ nahezu unbeweglich. So lassen sich die üblicherweise sehr schnellen Moleküle viel präziser untersuchen.
Gut vorbereitet auf diese Aufgabe haben ihn sein Studium und seine Promotion in Saarbrücken. „Bereits für mein Grundstudium ab 2004 hätte ich mir kaum eine bessere Universität vorstellen können“, erinnert sich der Physiker. Denn „besonders an kleineren Unis wie im Saarland ist das zahlenmäßige Verhältnis der Professoren und Mitarbeitern zu Studenten ausgezeichnet“. Als sich einige Jahre später, Kurz war inzwischen zum Diplom an die LMU München gewechselt, mit der Berufung von Professor Jürgen Eschner auf den Lehrstuhl für Quantenoptik ein Schwerpunkt in dieser Richtung im Saarland herauskristallisierte, traf dies „genau meinen Geschmack“, wie Christoph Kurz sagt. Nach dem Diplom in München kehrte er also als Doktorand zurück an seine Heimatuniversität im Saarland, was er nicht bereut hat. „Denn abgesehen von diesem fachlichen Zusammenspiel habe ich die unkomplizierte Zusammenarbeit sowohl mit Wissenschaftlern als auch mit Mitarbeitern in der Verwaltung schätzen gelernt“, erinnert sich der 32-Jährige.
Christoph KurzMan muss nicht der Star des Physikkurses gewesen sein. Wichtig sind eine natürliche Neugierde auf die Zusammenhänge in Natur und Technik sowie die Fähigkeit zum abstrakten und logischen Denken.
Christoph Kurz über die Voraussetzungen zum Physikstudium
Dabei brachte er von Beginn an eine große Motivation mit, die seiner Ansicht nach unerlässlich für jeden ist, der erfolgreich durchs Physikstudium kommen möchte. „Das heißt nicht, dass man in den letzten Jahren der Schule unbedingt der Star des Physikkurses gewesen sein oder Physik überhaupt belegt haben muss“, klärt er auf. „Aber wichtig sind eine natürliche Neugierde auf die Zusammenhänge in Natur und Technik sowie die Fähigkeit zum abstrakten und logischen Denken“, fasst Christoph Kurz die unabdingbaren Eigenschaften auf, die ein guter Physiker mitbringen muss. Auch mathematisches Verständnis ist natürlich wichtig, aber oft gehe beides, Interesse für Mathematik und Physik, ja Hand in Hand. „Jemand, der diese Voraussetzungen mitbringt, darf sich dann auf ein faszinierendes und erfüllendes Studium mit ausgezeichneten Chancen auf dem Arbeitsmarkt freuen“, erläutert der junge Wissenschaftler. Denn Physiker seien als Universalisten, die sich schnell in neue naturwissenschaftliche Probleme hineindenken können, sehr gefragt, zum Beispiel an der Schnittstelle zwischen Entwicklung und Produktion in der Industrie.
Im Gegensatz dazu bietet sich Physikern aber auch eine Laufbahn in der Wissenschaft an. „Eine Karriere als Wissenschaftler bietet enormen Freiraum und Entfaltungsmöglichkeiten, die in der Industrie kaum zu finden sind“, sagt er. Auf der anderen Seite sei es, zumal in Deutschland, schwer, in der Wissenschaft dauerhaft Fuß zu fassen. Sehr hoch seien die Hürden hierzulande, „ohne Leiter einer Arbeitsgruppe oder Professor zu werden“, eine feste Stelle in der Wissenschaft zu finden. Häufige Ortswechsel, schnell aufeinanderfolgende Verträge und ein hohes Arbeitspensum schrecken viele Physiker ab. Sie suchten sich lieber sichere Alternativen in der Industrie, auch wegen der Familienplanung. „Viele etablierte Hightech-Unternehmen bieten Physikern sehr gute Arbeitsbedingungen“, so seine Erfahrung. Wissenschaftliche Freiheiten wie an der Universität seien hier aber nicht mehr drin.
Christoph Kurz zieht es nach seinem Gastaufenthalt im Bundesstaat Colorado im Herbst 2017 dennoch wieder zurück nach Deutschland. Bis dahin wird er die erhabene Naturkulisse der Rocky Mountains zum Wandern nutzen, Ausflüge in die Metropolen der USA machen und natürlich weiter auf die Jagd nach Molekülen gehen – an der Seite von Dave, dem Nobelpreisträger.
- Bilder Michael/fotolia Christoph Kurz