
Juniorprofessor Stefan Morana hat sich auf die Digitalisierung der Medizin spezialisiert.
Stefan Morana will die Medizin weiter digitalisieren
„Digitalisierung“ und „Medizin“ sind in Deutschland zwei Begriffe, die nur langsam zusammenfinden. Es gibt – berechtigte – Datenschutz-Bedenken, Zuständigkeiten, die im komplexen Zusammenspiel von Behörden, Verbänden, Krankenkassen und weiteren Teilnehmern geklärt werden müssen. Und nicht zuletzt gibt es technische Schwierigkeiten. Stefan Morana kennt Beispiele aus eigener Erfahrung: „Eine Krankenschwester hat mir mal erzählt, wie sie einen EKG-Befund eines Patienten in ihrer Klinik ausdrucken musste, den Ausdruck dann zum Faxgerät gebracht hat, ihn an eine andere Klinik gefaxt hat, die den Fax-Ausdruck wiederum gescannt hat und ihn dann in ihr Computersystem eingespeist hat“, erzählt der Wirtschaftsinformatiker. Ursache hierfür ist natürlich, dass das gute, alte Faxgerät im Gegensatz zur E-Mail als sicheres, rechtsverbindliches Kommunikationsmittel gilt.
Für ihn ist eine solche Szene nicht mehr nachvollziehbar, und es bedarf dringend einer Lösung. „Die Wirtschaftsinformatik ist ein praktisches Fach: Wir suchen nach innovativen Lösungen für vorhandene Probleme“, erläutert der Juniorprofessor für Digitale Transformation und Wirtschaftsinformatik. Die Digitalisierung der Medizin ist dabei eines der zentralen Arbeitsfelder des jungen Wissenschaftlers. So startete jüngst durch eine universitätsinterne Anschubfinanzierung ermöglichtes Projekt, das seine Arbeitsgruppe mit der Arbeitsgruppe des Transplantationsmediziners Urban Sester vom Universitätsklinikum verknüpft. „Wir wollen gemeinsam einen digitalen Assistenten entwickeln, der die Patienten zusätzlich zur unabdingbaren ärztlichen Beratung informieren und unterstützen kann“, erläutert der Digitalisierungsexperte.
Der digitale Assistent soll dabei in der ersten Phase einer Transplantation bis zur eigentlichen Operation begleiten. Von der ersten Diagnose, dass ein Organ ersetzt werden muss, bis zur Durchführung der lebensrettenden Operation dauert es oft Jahre. „Dazwischen liegen viele Gespräche zwischen Arzt und Patient. Es gibt spezielle Aufklärungstermine und es werden andere Mediziner aus benachbarten Disziplinen zu Rate gezogen. In der Zwischenzeit wird sehr viel Wissen angesammelt, das die ganz spezielle Situation des einzelnen Patienten widerspiegelt. Hier kann ein ‚Digitaler Assistent‘ als dritter Partner neben Arzt und Patient unter Umständen sehr hilfreich sein“, erläutert Stefan Morana das Vorhaben.
Vorstellbar sei beispielsweise, dass der digitale Helfer als Grundlage lexikalisches und vor allem medizinisch fundiertes Wissen bereithält, das der betroffene Transplantationspatient heranziehen kann, um seine Krankheit selbst besser zu verstehen. „Das halte ich für sehr sinnvoll, viel besser, als wenn man sich medizinische Informationen selbst zusammengoogelt“, so Stefan Morana. Des Weiteren könnte der digitale Assistent natürlich auch die Gesundheitsdaten des Patienten vorhalten und als eine Art „Tagebuch“ die Fragen des Patienten sammeln, um sie beim nächsten Arztgespräch gezielt zu besprechen.
Ich muss zuerst einmal dafür sorgen, dass beide Anwenderseiten das auch gut finden und dass sie verstehen, was der Assistent ihnen bietet.
Juniorprofessor Stefan Morana
Alles in allem ist ein digitaler Helfer zur Unterstützung von Ärzten und Patienten eine große Herausforderung für Forscher wie Stefan Morana. „Ich muss zuerst einmal dafür sorgen, dass beide Anwenderseiten das auch gut finden und dass sie verstehen, was der Assistent ihnen bietet“, erläutert er. An der Schnittstelle zwischen Informatik und Informationsvermittlung muss dem Team aus Wirtschaftsinformatikern und Medizinern ein schwieriger Spagat gelingen: „In unserem Projekt sind beispielsweise ganz junge Menschen von 20, 30 Jahren betroffen, die auf ein Spenderorgan warten, sowie Senioren, die 75 oder älter sind.“ Erstere haben möglicherweise weniger Schwierigkeiten, einen digitalen Helfer zu Rate zu ziehen, die älteren hingegen brauchen in vielen Fällen mehr Unterstützung. All diese Zielgruppen müssen sich gleichermaßen gut mit einem digitalen Helfer arrangieren können.
Um dieses Kunststück hinzubekommen, haben Stefan Morana, Urban Sester, Christoph Sorge und ihre Arbeitsgruppen zusammen mit der Arbeitsgruppe von Alfred Benedikt Brendel von der TU Dresden und den Unternehmen Cognostics und Celsius37 einen Förderantrag beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingereicht. Wird er bewilligt, könnte ihr Projekt die Grundlage dafür sein, dass die Digitalisierung der Medizin einen Schritt vorankommt.
Für Stefan Morana jedenfalls ist das Projekt erst der Anfang. Der Juniorprofessor hat noch viele weitere Ideen, wie er die Digitalisierung der Medizin voranbringen möchte. Vielleicht schafft er es irgendwann auch, ein etwas zeitgemäßeres Kommunikationsmittel als das Faxgerät in der Medizin zu etablieren. Die eingangs erwähnte Krankenschwester würde sich sicherlich darüber freuen.
Stefan Morana ist seit kurzem Juniorprofessor für Digitale Transformation und Wirtschaftsinformatik. Weitere Informationen über ihn und seine Forschungsinteressen auf seiner Webseite: https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/morana.html.
- Bilder Thorsten Mohr