
Rechtsinformatiker Christoph Sorge ist Experte für Datenschutz in intelligenten Stromnetzen und in der Hausautomation.
Rechtsinformatiker sorgen für sichere Daten im Stromnetz der Zukunft
Punkt sieben Uhr am Morgen: Im Bad föhnt ein Bewohner seine Haare, Heizlüfter und Radio laufen, ebenso ein Fernsehgerät, in der Küche kocht der Kaffee, während der Kühlschrank unermüdlich kühlt. Ein intelligenter Stromzähler bekommt dies alles mit. „Die so genannten Smart Meter liefern genaue Verbrauchsdaten. Sie erkennen dabei auch, wieviel Strom einzelne Geräte verbrauchen“, erklärt Professor Christoph Sorge, IT-Sicherheitsexperte am Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit CISPA und Inhaber der juris-Stiftungsprofessur für Rechtsinformatik der Saar-Uni. Die kleinen Datensammler entlarven nicht nur Stromfresser im heimischen Haushalt. Die Verbrauchswerte, die sie übermitteln, machen den Strombedarf sichtbar und ermöglichen es den Energieversorgern, genau zu planen. So sollen die Stromnetze „smart“ gesteuert werden können, damit sie der Energiewende gewachsen sind.
Wenn künftig an Stelle zentraler Kraftwerke eine Vielzahl von Windrädern und Photovoltaikanlagen ihren Strom von überallher einspeisen, muss das Stromnetz flexibel sein und auch bei großen Schwankungen funktionieren. Es muss bei Flaute und Dunkelheit die Versorgung sicherstellen, Stromüberschüsse abbauen und auf plötzlichen Bedarf reagieren können. Die Daten der intelligenten Strom-Messsysteme helfen dabei, den Stromverbrauch besser vorherzusagen. Solche Daten wären aber auch für andere interessant: etwa für Einbrecher, die ausspionieren wollen, wann jemand zu Hause ist, oder für die Werbewirtschaft und für Ermittlungsbehörden.
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Wir werden unsere bisher abstrakten Modelle der kryptographischen Verfahren anhand echter Daten aus dem Stromnetz testen
Professor Christoph Sorge
„Im intelligenten Stromnetz werden massenhaft personenbezogene Daten gesammelt, die rechtlich geschützt sind. Wir verwenden kryptographische Verfahren, um diesen Schutz umzusetzen und sie vor Missbrauch und unbefugtem Zugriff zu sichern“, erläutert Christoph Sorge. In seiner Forschung am CISPA und am Institut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes hat sich der Rechtsinformatiker darauf spezialisiert, die IT-Sicherheitstechnologie mit den Erfordernissen aus Recht und Praxis in Einklang zu bringen. „Wir forschen daran, die juristischen Anforderungen etwa aus dem Datenschutz mit der passenden Technologie umzusetzen. Dabei schauen wir, welche kryptographischen Verfahren am besten passen, um das jeweilige Problem praxistauglich zu lösen“, erklärt er.
„Im Smart Meter-Projekt entwickeln wir Sicherheitskonzepte, die zum einen die Anforderungen des Datenschutzes, insbesondere des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende erfüllen. Zum anderen müssen unsere Konzepte gewährleisten, dass die Daten auch anonymisiert in hoher Qualität ausgewertet werden können“, führt Sorge aus. Hierzu gehört, dass das System schnell sein muss. Je zügiger die Daten vorliegen, desto besser kann der Bedarf vorhergesagt werden. „Also wäre es keine praktikable Lösung die Daten nur in größeren Zeitintervallen zu übertragen. Hingegen ist es sinnvoll, sie so zu verrauschen, dass ein Rückschluss auf einzelne Stromnutzer und ihre Profile nicht möglich ist: etwa dadurch, dass man die Daten einer Anzahl von Haushalten bündelt“, erläutert er. Seine Arbeitsgruppe arbeitet hierbei schon seit einiger Zeit mit spanischen Forschern aus Lleida (Katalonien) zusammen. Europaweit befassen sich nur wenige Forscher mit solchen Fragestellungen.
Die Forschung wird jetzt im Verbundprojekt „Designetz: Baukasten Energiewende – Von Einzellösungen zum effizienten System der Zukunft“ gefördert. Dies ist ein Zusammenschluss von 46 Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland unter Federführung von Innogy. „Wir werden unsere bisher abstrakten Modelle der kryptographischen Verfahren anhand echter Daten aus dem Stromnetz testen. Darüber hinaus gehen wir verschiedenen Fragestellungen nach, etwa wie Daten so sparsam wie möglich erhoben werden, wo die Grenze von ordnungsgemäßem Daten-Gebrauch und Missbrauch liegt, oder ob die Anonymisierung der Daten rückgängig gemacht werden könnte und wie dies verhindert werden kann“, erläutert Christoph Sorge.

Prof. Dr.-Ing. Christoph Sorge hat an der Universität des Saarlandes die juris-Stiftungsprofessur für Rechtsinformatik inne und forscht am CISPA (Center for IT-Security, Privacy and Accountability) sowie am Institut für Rechtsinformatik. Er ist Experte für IT-Sicherheit und Datenschutz. Ausgangspunkt seiner Forschung ist die Technik, im Datenschutz also etwa die datenschutzgerechte Systemgestaltung durch angewandte Kryptographie. Seine Spezialgebiete sind unter anderem Datenschutz in intelligenten Stromnetzen und in der Hausautomation, die sichere Gestaltung von Cloud-Speichern, die rechtliche Einordnung von Bitcoin und Blockchain-Technologie und das Recht elektronischer Signaturen.

Designetz startete im Januar 2017 und läuft über vier Jahre mit einem Projektkonsortium aus 46 Partnern aus Energiewirtschaft, Industrie, Forschung und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Die innogy SE ist Konsortialführer des Projekts. Das Saarland ist im Designetz vertreten unter anderem mit dem DFKI, der Hager Group, der htw saar, der IS Predict, der Rohde & Schwarz Cybersecurity GmbH (vormals Sirrix AG), der Scheer GmbH, den Stadtwerken Saarlouis und der Universität des Saarlandes. Vertreter des Konsortialführers im Saarland ist die VSE AG. Von Seiten der Saar-Uni beteiligt ist neben der Arbeitsgruppe von Professor Christoph Sorge der Lehrstuhl für Automatisierungs- und Energiesysteme von Professor Georg Frey.

Designetz: Baukasten Energiewende – Von Einzellösungen zum effizienten System der Zukunft ist eines von fünf „Schaufenstern“ im Förderprogramm Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende (SINTEG): Mit über 200 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren fördert das Bundeswirtschaftsministerium fünf Modellregionen, die Lösungen für eine klimafreundliche, effiziente und sichere Energieversorgung mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien entwickeln sollen. Im Zentrum stehen die intelligente Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch sowie der Einsatz innovativer Netztechnologien und -betriebskonzepte. Das Schaufenster „Designetz“ in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wird mit rund 30 Millionen Euro gefördert: Hier sollen Lösungen aufgezeigt werden, wie dezentral bereitgestellte Energie aus Sonne und Wind für die Versorgung von industriellen Lastzentren genutzt werden kann.
http://designetz.de
Über 7.000 Haushalte und rund
140.000
Messsysteme
sollen in den Demonstrationsprojekten im"Designetz" einbezogen werden.
- Bilder Titelfoto: Oliver Dietze Portraits Christoph Sorge: Oliver Dietze