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Sprachtechnologie

Dialog-Box überwindet Sprachgrenzen bei Computerspielen

Sprachtechnologen der Saar-Uni machen eine neue Art von Kommunikation in Computerspielen möglich: Die Spieler können dem Computer wie einem Menschen Fragen stellen, Befehle erteilen – und das in ihrer jeweiligen Landessprache. Der Rechner versteht, verknüpft und managt ihre Missionen. Anhand eines Weltraum-Abenteuers entwickelten Dietrich Klakow und sein Forscherteam das Dialog-System gemeinsam mit Projektpartnern.
Von Claudia Ehrlich • 03.03.2016

Auf einer Raumstation, die offenkundig in massiven Problemen steckt, erwacht Spieler Eins aus seinem Kälte-Schlaf. Laut „Uri“, dem allwissenden Bordcomputer, sinkt das Sauerstoff-Level bedrohlich. Uri, kurz für Benutzerschnittstelle („User recognition interface“), wird dem Spieler bei seiner Mission helfen, das Problem aufzuspüren, zu lösen und Station wie Mannschaft zu retten: Alles über gesprochene Fragen und Befehle, ohne Joystick und Maus. Dabei antwortet Uri stets ausführlich mit sympathischer Stimme in der jeweiligen Sprache des Spielers, führt seine Befehle aus und bringt ihn in Kontakt mit den weiteren Crew-Mitgliedern. Im Team arbeiten sie daran, die Raumstation wieder auf Vordermann zu bringen, wobei jeder Spieler in seiner Landessprache mit Uri reden kann.

„Wir haben für die Beispielanwendung ´Sonar Silence`, so der Name des Modell-Spiels, eine neuartige Architektur für Dialogsysteme aufgebaut. Sie lässt sich schnell und einfach in Computerspiele integrieren, aber auch für andere Anwendungen nutzen, bei denen mehrere Personen in verschiedenen Sprachen gemeinsam ein Problem lösen“, erläutert Professor Dietrich Klakow. Der Computerlinguist von der Universität des Saarlandes arbeitete im Rahmen des Dialog-Box-Projektes zusammen mit der österreichischen Spielefirma Mi'pu'mi Games, die das Projekt koordinierte, sowie dem Forschungsinstitut Idiap, der Firma Koemei aus der Schweiz, der belgischen Firma Acapela und dem deutschen Unternehmen Sikom Software.

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Wir haben eine neuartige Architektur für Dialogsysteme aufgebaut.

Professor Dietrich Klakow

Der Sprachassistent der Dialog-Box unterstützt die Spieler, indem er mit seinem übergeordneten Wissen das Gesamtspiel koordiniert. Er tauscht für das Spiel wichtige Informationen zwischen den Mitspielern aus, so dass die einzelnen Spiele nahtlos verschmelzen und ein gemeinsames Spiel entsteht. Die Dialog-Box versteht und spricht dabei die Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. „Das System auch in weiteren beliebigen Sprachen anzulernen, ist problemlos möglich“, sagt die Computerlinguistin Anna Schmidt, Doktorandin in Klakows Forscherteam und Anita-Borg-Stipendiatin von Google.

Die Saarbrücker Sprachtechnologen haben das automatische Sprachverstehen für die Dialog-Box entwickelt, das bedeutet: Sie brachten dem Computer bei, die Spieler und die Situationen, in denen sich diese befinden, zu verstehen, damit Uri zum Beispiel weiß, was es an Bord der Raumstation mit einer Luftschleuse auf sich hat und passende Schlüsse daraus zieht, dass diese offen oder geschlossen ist. Zu diesem Zweck haben die Forscher eine Vielzahl an Daten und Informationen über Kontext, Umfeld und Hintergründe zusammengetragen. „Wir haben etwa anhand eines Prototyps charakteristische Fragetypen ermittelt. Hierfür haben wir Tests mit Probanden durchgeführt“, ergänzt Thomas Kleinbauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Dietrich Klakow und Forscher am Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“.

Alles wurde verschriftet und für den Computer verständlich übersetzt. Dabei konnten die Forscher auch auf Ergebnissen früherer Projekte aufbauen. Mit diesem Wissen kann Uri Fragen und Befehle verstehen, erkennt Zusammenhänge, reagiert entsprechend und öffnet auf Zuruf zum Beispiel eine Luftschleuse.

Die Forschergruppe des Computerlinguisten Dietrich Klakow arbeitet in zahlreichen Projekten daran, das automatische Sprachverstehen weiterzuentwickeln. Hierfür wurde die Gruppe schon mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem Google-Forschungspreis für Professor Klakow.

Demo-Video des Computerspieles „Sonar Silence“:
https://www.lsv.uni-saarland.de/index.php?id=71
 

Der heute schon mögliche Dialog mit dem Computer beruht entscheidend auf der Forschung der Saarbrücker Computerlinguisten. Der Campus der Saar-Universität ist eine der Hochburgen der Sprachtechnologie. Die Fäden vieler internationaler Projekte laufen hier zusammen. Ein neuer Sonderforschungsbereich untersucht die Informationsdichte sprachlicher Äußerungen. Ein Ziel des Exzellenzclusters „Multimodal Computing and Interaction“ (MMCI) ist es, Computersysteme zu bauen, die eine ähnliche Interaktion mit dem Benutzer ermöglichen wie von Mensch zu Mensch. Die Computerlinguisten arbeiten eng mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und den Max-Planck-Instituten für Informatik und Software-Systeme auf dem Saarbrücker Campus zusammen.

Demo-Video des Computerspieles „Sonar Silence“:
https://www.lsv.uni-saarland.de/index.php?id=71

Förderung im Rahmen von EUREKA

3 Millionen Euro

eine halbe Million für Klakows Team

Quellennachweis
  • Bilder
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    Dietrich Klakow (l.), Thomas Kleinbauer und Anna Schmidt haben mit Partnern ein Dialog-System entwickelt, das bei Computerspielen die Zusammenarbeit von Spielern in verschiedenen Sprachen unterstützt. (Foto: Iris Maurer)
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