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Das Gesundheitssystem günstiger und für die Patienten effizienter zu machen: Das ist eine Forschungsaufgabe für Matti Znotka

Gesundheitsmanagement

Auf der Suche nach dem großen Wurf

Gesundheitssysteme sind unglaublich komplex und teuer, nicht nur in Deutschland. Daher sind Veränderungen daran auch so schwer. Matti Znotka sucht dennoch nach Wegen, wie ein Gesundheitssystem zum einen besser für die Patienten und gleichzeitig aber auch günstiger für die Beitragszahler werden kann. Der Wirtschaftswissenschaftler nimmt Anleihen aus dem Unternehmertum, um das System effizienter zu gestalten.
Von Thorsten Mohr • 28.03.2018

Ihr Ruf ist – höflich ausgedrückt – nicht der allerbeste: Krankenhausmanagern wird oft das Schlechteste unterstellt. Sie streichen Stellen, machen Druck, um die Zahl der Operationen zu erhöhen und, nun ja, sie sparen überall, bis der Arzt eben nicht mehr kommt. Alles zum Wohle des Profits und zulasten der Patienten und des Personals.

Geht es nach Matti Znotka, wäre dieses Bild ein anderes. Die Krankenhaus-Verwaltung suchte Hand in Hand mit Ärzten, Pflegern und auch den Krankenkassen nach Lösungen, die sowohl Kosten sparen könnten als auch den Patienten zugutekämen. Der 33-jährige Doktorand sucht in seiner Forschung nach sinnvollen Wegen, „Entrepreneurship im Gesundheitswesen“ voranzutreiben, also den Unternehmergeist im Gesundheitssystem zu wecken. „Vor 20 Jahren beispielsweise waren die Telefonrechnungen viel höher und die Leistung niedriger. Heute hingegen sind die Rechnungen überschaubar, und wir können telefonieren, so viel wir wollen“, vergleicht der Wirtschaftswissenschaftler. Solche Entwicklungen sieht er in dieser Form im Gesundheitswesen bislang nicht.

Zugegeben, zwischen einer Telekommunikations-Dienstleistung und dem Gesundheitssystem gibt es natürlich Unterschiede. „Im Gesundheitssektor haben die Leute wirklich etwas zu verlieren“, weiß auch Matti Znotka. „Mittlerweile wissen wir aber, dass es in der nicht ganz so bösen BWL Elemente gibt, die helfen können, auch das Gesundheitssystem zu verbessern“, sagt der junge Wissenschaftler, der bei Martin Dietrich, Professor für Gesundheitsmanagement, forscht.

 

Die Menschen sollen letztendlich gesünder werden und die Kosten niedriger. Das ist einerseits trivial und andererseits nicht.

Matti Znotka

 

Entscheidend sei, das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. „Die Menschen sollen letztendlich gesünder werden und die Kosten niedriger. Das ist einerseits trivial und andererseits nicht“, weiß Znotka. Denn: „Das deutsche Gesundheitssystem ist gut, vielleicht ein bisschen zu teuer im internationalen Vergleich, aber gut.“ Hier Verbesserungsmöglichkeiten zu finden, ist mit viel Detailarbeit verbunden. Für den einen, großen Wurf, der gleichsam wie ein Befreiungsschlag das ganze System radikal umkrempeln könnte, bedarf es seiner Meinung nach noch weiterer Forschung sowie wohl auch politischer Unterstützung.

„Aber es gibt Möglichkeiten, die vor allem mit einem besseren Datenaustausch zu tun haben“, weiß Matti Znotka. So wäre ein erhebliches Einsparpotenzial zu erreichen, wenn bei der Behandlung eines Patienten von der ersten Akutversorgung bis zum Ende einer Reha-Maßnahme alle Beteiligten – erstbehandelnder Arzt, Krankenhauspersonal, Physiotherapeuten, Hausarzt – ohne großen Aufwand auf dieselben Daten zugreifen könnten und die Patientengeschichte auf einen Blick vor sich hätten. Das würde Doppeluntersuchungen und die damit verbundenen Kosten drastisch minimieren. Hier steht aber der deutsche und europäische Datenschutz meist im Weg.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann auch die Spezialisierung von Kliniken auf Behandlungen, die sie besser beherrschen als andere, zu einer schrittweisen Verbesserung des Gesundheitssystems führen. „Warum sollte ein Krankenhaus, bei dem von 1000 gleichen Operationen am Herzen 100 Patienten sterben, diese Behandlung weiter anbieten, wenn in einer anderen Klinik, die diese Operation durchführt, nur 10 Patienten von 1000 den Eingriff nicht überleben?“, fragt Matti Znotka. Die „schlechtere“ Herzklinik könnte ihre Station aufgeben und dafür mit dem „besseren“ Krankenhaus kooperieren. „Womöglich ist die erste Klinik aber besser bei der Behandlung von Knochenbrüchen, so dass der Weg auch umgekehrt möglich ist“, erläutert Znotka weiter. Bislang ist für Patienten nur sehr schwer bestimmbar, wo es „die beste“ Herz-OP für seine Kondition gibt. Jeder, der sich die Frage „Zu welchem Arzt oder in welches Krankenhaus soll ich für Behandlung X gehen“ schon einmal gestellt hat, wird das wissen. Hierfür wäre eine noch transparentere und patientenfreundlichere Veröffentlichung von Leistungs-und Qualitätsdaten unabdingbar, welche im Moment zwar zum Teil stattfindet, für den medizinischen Laien aber allenfalls oberflächliche Informationen bereitstellt. Mit einer solchen Herangehensweise wäre allen gedient: Das Gesundheitssystem würde insgesamt weniger kosten, da die Kliniken nicht mehr danach streben würden, möglichst alles anzubieten, ob sie es nun gut können oder nicht. Und den Patienten wäre gedient, da sie die bestmögliche Behandlung für ihr Leiden bekommen könnten.

 

Znotka

An der Harvard Business School konnte Matti Znotka eine Woche lang mit Medizinern, Managern und Gesundheitsökonomen aus aller Welt intensiv über die Verbesserungen im Gesundheitssystem diskutieren. Sein Fazit: „Es gibt viele engagierte Menschen, die die Probleme der Gesundheitssysteme erkennen und es verändern möchten, und zwar miteinander und nicht gegeneinander, wie es heute häufig noch der Fall ist.“

 

Dass es bis dahin noch ein langer Weg sein könnte, weiß auch Matti Znotka. Denn das deutsche Gesundheitssystem ist in seiner ganzen Komplexität nur schwer zu verändern, was zum Beispiel auch Debatten um große Veränderungen wie die um eine einheitliche Bürgerversicherung zeigen. „Aber Integration und Zusammenarbeit aller Akteure ist der Schlüssel zum Erfolg. Diejenigen, die sich unternehmerisch den Entwicklungen stellen, werden langfristig erfolgreicher sein“, prognostiziert der Wirtschaftswissenschaftler.

Und das Image der Gesundheitsmanager könnte sich in Zukunft damit auch verändern, wie Matti Znotka jüngst auf einer Konferenz der Harvard Business School erfahren konnte. Als einziger geladener deutscher Teilnehmer diskutierte er eine Woche lang intensiv mit 80 weiteren Medizinern und Gesundheitsmanagern aus aller Welt unter der Federführung von Michael Porter und Robert Kaplan zwei Koryphäen der Betriebswirtschaftslehre. Sein Fazit: „Es gibt viele engagierte Menschen, die die Probleme der Gesundheitssysteme erkennen und es verändern möchten, und zwar miteinander und nicht gegeneinander, wie es heute häufig noch der Fall ist.“ Das stimmt ihn zuversichtlich, dass – entgegen vieler Untergangsfantasien – die Gesundheitssysteme der westlichen Welt durchaus noch zu verbessern sind.

Wenn alle an einem Strang ziehen, so wie in Harvard.

Znotka

Zur Person:
Matti Znotka (33) hat in Trier und Budapest Jura und Volkswirtschaftslehre studiert. Der gebürtige Aachener forscht seit 2011 bei Martin Dietrich, Professor für Management des Gesundheitswesens, über „Entrepreneurship im Gesundheitswesen“.  

 

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